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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: III R 6/00
Rechtsgebiete: AO 1977, InvZulG 1986, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
InvZulG 1986 § 4
InvZulG 1986 § 4 Abs. 1
InvZulG 1986 § 4 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt als Modellbaumeister einen Modell- und Musterbau-Betrieb, in dem er Modelle und Muster für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Industriebetrieben herstellt und mitgestaltet.

Nach den Angaben des Klägers gestaltet sich ein Auftrag in der Regel wie folgt: Der Kläger erhält von dem Kunden Konstruktionszeichnungen, die in dessen Entwicklungsabteilung erarbeitet wurden. Diese Zeichnungen werden zuerst auf Vollständigkeit und Durchführbarkeit überprüft. Eventuelle Konstruktionsfehler oder die Unstimmigkeit von Maßen wird festgehalten. Darauf folgt ein erstes Beratungsgespräch mit dem Kunden. Die Veränderungen der Zeichnungen und Vorgaben werden im Einzelnen erörtert. Im Anschluss daran werden Muster vorgefertigt, die den technischen Anforderungen der Aufgabe gerecht werden. Dabei passt der Kläger schon die Form der einzelnen Muster an. Zur Anfertigung und Gestaltung der Muster und Modelle entwickelt der Kläger EDV-Programme, die für die Bearbeitungs- bzw. Produktionsmaschinen des Kunden bestimmt sind. Hierauf erfolgt in der Regel ein zweites Beratungsgespräch, in dem die Muster dann nach Machbarkeit im Produktionsprozess, nach der Formgebung und nach der Materialbeschaffenheit sowie der Auswahl des Materials erörtert und entsprechend geändert werden. Im Einzelfall können weitere Beratungsgespräche folgen, in denen die technische Entwicklung des von dem Kunden gewünschten Produkts durch Anregungen der Firma des Klägers erweitert und vervollständigt wird. Teilweise genügt den Kunden ein Muster oder ein Modell, teilweise werden auch Kleinserien (5 bis 20 Stück) als Muster oder als Prototypen für Versuchsreihen angefertigt. Diese Teile gehen nicht in das Endprodukt des Kunden ein. Neben Mustern und Modellen fertigt der Kläger auch Design-Objekte, die der praktischen Anschauung der Forschungs- und Entwicklungsarbeit des eigenen Unternehmens und des Kunden dienen.

Mit seinem Antrag auf Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen nach § 4 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1986 für das Kalenderjahr 1989 beantragte der Kläger eine Investitionszulage in Höhe von 20 v.H. der Anschaffungskosten einer Universalfräs- und Bohrmaschine. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gewährte die Investitionszulage mit endgültigem Bescheid antragsgemäß.

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die Investitionszulage sei zurückzufordern, da die angeschaffte Maschine zum Großteil für die Produktion von Teilen nach von den Kunden vorgegebenen Angaben bzw. technischen Zeichnungen verwandt werde. Voraussetzung für die Gewährung einer Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen sei, dass der Investor eigene Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchführe. Mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Bescheid setzte das FA die Zulage auf 0 DM fest und forderte die bereits gewährte Zulage samt Zinsen zurück. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 189 veröffentlichten Urteil ab. Es führte im Wesentlichen aus: Der Kläger spreche zwar bei der Gestaltung und Abwicklung der Aufträge ein gewichtiges Wort mit. In ihrem Grundkonzept verblieben die Aufträge aber in der Hand des jeweiligen Auftraggebers. Sie blieben seine Idee und sein geistiges Eigentum. Der Kläger habe lediglich die handwerkliche Aufgabe, das bisher nur als Zeichnung vorhandene Modell in ein dreidimensionales Modell umzusetzen und dabei seine Erfahrungen hinsichtlich der Machbarkeit, auch unter Berücksichtigung des eingesetzten Materials, beizusteuern. Es liege deshalb keine Weiterentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren, die zu wesentlichen Änderungen führten, i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 Doppelbuchst. cc des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor.

Mit der Revision trägt der Kläger vor: Die mit der Maschine angefertigten Prototypen seien --entgegen der Auffassung des FG-- nicht lediglich der Weiterentwicklung, sondern der Neuentwicklung von Erzeugnissen i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 Doppelbuchst. bb EStG zuzuordnen. Entscheidend sei, ob die Tätigkeit als solche der Forschung und Entwicklung zuzurechnen sei. Beurteilungsmaßstab könne nur die gesamte Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sein, nicht lediglich ein Segment. Eine Tätigkeit sei daher immer dann begünstigt, wenn sie in den Gesamtbereich der Forschung und Entwicklung eingegliedert sei. Voraussetzung sei nur, dass es sich nicht um eine untergeordnete Hilfstätigkeit handele (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 1998 III R 2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62). Dabei umfasse die Forschungstätigkeit nicht nur die Erfindung neuer Produkte oder Verfahren selbst, sondern auch deren praktische Umsetzung durch Anfertigung von Konstruktionsplänen und Prototypen einschließlich deren Erprobung sowie die Prüfung der wirtschaftlichen Durchführbarkeit anhand der anfallenden Kosten.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den angefochtenen Bescheid, die Einspruchsentscheidung sowie das Urteil des FG aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung sowie des angefochtenen Investitionszulagenänderungsbescheids (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Gewährung einer Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens setzt nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1986 voraus, dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter während der Verbleibensfrist von drei Jahren im Betrieb des Investors ausschließlich der Forschung oder Entwicklung i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 EStG dienen. Der Forschung oder Entwicklung i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 EStG dienen Wirtschaftsgüter, wenn sie verwendet werden:

aa) zur Gewinnung von neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen und Erfahrungen allgemeiner Art (Grundlagenforschung) oder

bb) zur Neuentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren oder

cc) zur Weiterentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren, soweit wesentliche Änderungen dieser Erzeugnisse oder Verfahren entwickelt werden.

2. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62 dargelegt hat, steht der Umstand, dass ein Investor Forschungen oder Entwicklungen im Auftrag eines Dritten ausführt, der Förderung gemäß § 4 InvZulG 1986 nicht entgegen. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit als solche dem Bereich der Forschung oder Entwicklung i.S. von § 4 InvZulG 1986 i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 EStG zuzuordnen ist und über eine lediglich untergeordnete Hilfstätigkeit hinausgeht. Der Senat hat diese Voraussetzungen in dem Urteil vom 20. Februar 2003 III R 31/01 (BFH/NV 2003, 942) dahin gehend weiter präzisiert, dass der Auftragnehmer nicht einen eigenen Beitrag in dem Sinne erbringen muss, dass er etwa ein Versuchsmuster zu einem wesentlich geänderten Produkt entwickelt. Der Auftragnehmer muss also nicht ein selbst gesetztes Entwicklungsziel verfolgen oder ein Ausgangsprodukt zu einem geänderten Erzeugnis fortentwickeln. Er braucht somit nicht das gesamte Spektrum oder auch nur einen wesentlichen Bereich der Forschungs- oder Entwicklungsarbeit abzudecken. Ausreichend ist vielmehr auch die Übernahme eines Teilsegments daraus, sofern die darin geleistete Arbeit über eine lediglich untergeordnete Hilfstätigkeit hinausgeht.

3. Das Urteil des FG, das darauf beruht, der Kläger setze lediglich die Vorstellungen seiner Auftraggeber handwerklich um, ohne eigene Entwicklungsziele zu verfolgen, und führe deshalb keine zu wesentlichen Änderungen führende Weiterentwicklungen von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren durch, entspricht nicht diesen Grundsätzen. Die Tätigkeit des Klägers besteht im Wesentlichen darin, dass er Muster (Modelle, Prototypen) von Teilen herstellt, die auf ihre Tauglichkeit für die Produktion durch die Auftraggeber hin erprobt werden. Damit ist die Tätigkeit dem Bereich der Forschung und Entwicklung zuzuordnen. Denn sie müsste, wenn sie nicht ausgelagert wäre, von den Auftraggebern in ihren eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen durchgeführt werden.

Auch die weitere Voraussetzung der Zulagenbegünstigung, die über eine untergeordnete Hilfstätigkeit hinausgehende Leistung des Klägers, ist erfüllt. Wie sich aus der Beschreibung der Auftragsabwicklung durch das FG anhand der Angaben des Klägers ersehen lässt, handelt es sich bei der Anfertigung und Änderung der Muster in Zusammenarbeit mit den Entwicklungsabteilungen der Kunden unter Einsatz vom Kläger entwickelter Programme um eine qualifizierte und auch spezialisierte Tätigkeit, die nur von Fachkräften unter Verwendung besonderer Technik ausgeführt werden kann.

Der Senat sieht ferner die weiteren Voraussetzungen einer Forschungs- oder Entwicklungstätigkeit des Klägers, die Neuentwicklung oder Weiterentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren, als gegeben an. Sofern es sich --ganz oder teilweise-- nicht um Neuentwicklungen, sondern um Weiterentwicklungen handelt, geht der Senat davon aus, dass wesentliche Änderungen von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 Doppelbuchst. cc EStG vorliegen. Das FA, das die Förderbarkeit nur deshalb verneint, weil der Kläger nach den Vorgaben seiner Auftraggeber arbeitet, hat insoweit keine substantiierten Einwendungen erhoben.

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