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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: III R 61/03
Rechtsgebiete: EigZulG 1998, BauORP


Vorschriften:

EigZulG 1998 § 19 Abs. 1
EigZulG 1998 § 19 Abs. 4
BauORP § 71 Abs. 2
1. Für die Anwendung des EigZulG anstelle des § 10e EStG ist bei der Herstellung genehmigungsbedürftiger Objekte auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Bauantrags abzustellen und nicht auf einen späteren Antrag auf Verlängerung der Geltungsdauer der aufgrund des ursprünglichen Bauantrags erteilten Baugenehmigung oder auf eine Nachtragsgenehmigung, sofern keine Veränderung hinsichtlich wesentlicher baurechtlicher Merkmale vorliegt.

2. Die baurechtliche Behandlung eines Nachtragsantrags ist für das Zulagenverfahren zwar nicht rechtsverbindlich. Ihr kommt jedoch eine indizielle Bedeutung zu.


Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben zwei am 10. Juni 1993 geborene Kinder.

Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Am 11. Januar 1994 beantragten die Kläger für die Errichtung eines Anbaus mit Doppelgarage eine Baugenehmigung, die dem Kläger am 19. April 1994 im sog. vereinfachten Verfahren nach § 65 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (BauORP) erteilt wurde.

Mit Schreiben vom 25. März 1996 beantragte der Kläger gemäß § 71 Abs. 2 BauORP, die Geltungsdauer der Baugenehmigung um weitere zwei Jahre zu verlängern, da aus familiären Gründen bislang nicht mit dem Bau habe begonnen werden können. Mit Bescheid vom 4. April 1996 wurde dem Antrag entsprochen, ebenso wie dem weiteren, nicht näher begründeten Verlängerungsantrag der Klägerin vom 31. März 1998 mit Bescheid vom 8. April 1998.

Mit den Bauarbeiten wurde am 14. April 1998 begonnen. Mit Schreiben vom 14. Mai 1998 reichte die Klägerin einen "Nachtrag zum Bauschein" ein. Dieser Nachtrag sah zum einen die Anpassung der Dachneigung an das bestehende Einfamilienhaus, zum anderen eine Änderung der Anzahl der Fenster zur Angleichung an den Charakter des vorhandenen Wohngebäudes vor.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1998 wurde die Genehmigung als Nachtrag zum Bauschein vom 19. April 1994 gemäß § 68 BauORP erteilt unter Fortgeltung der im ursprünglichen Bauschein erteilten Nebenbestimmungen.

Nach Fertigstellung des Anbaus beantragten die Kläger eine Eigenheimzulage ab dem Jahr 1998. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Januar 1999 ab, da das Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) wegen des für die Anwendung maßgebenden Bauantrags vom 11. Januar 1994 gemäß § 19 Abs. 1 und 4 EigZulG noch nicht anwendbar sei.

Das FA wies darauf hin, dass die Aufwendungen gemäß § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Ausbaus bzw. der Erweiterung berücksichtigt werden könnten.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, mit der sie eine Eigenheimzulage in Höhe von 8 000 DM (5 000 DM Fördergrundbetrag und 3 000 DM Kinderzulagen) begehrten. Das Finanzgericht (FG) gab mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1671 veröffentlichtem Urteil der Klage teilweise statt und verpflichtete das FA zur Gewährung der Eigenheimzulage ab 1998 in Höhe von 5 500 DM (2 500 DM Fördergrundbetrag und 3 000 DM Kinderzulagen). Es führte im Wesentlichen aus: Beantrage der Anspruchsberechtigte die Verlängerung der Baugenehmigung, damit diese nicht wegen Zeitablaufs erlösche, sei für die erstmalige Anwendung des EigZulG nicht der Zeitpunkt des ursprünglichen Bauantrags maßgebend, sondern der des Verlängerungsantrags, weil die Herstellung des Objekts maßgeblich auf dem Verlängerungsantrag und nicht auf dem ursprünglichen Bauantrag beruhe. Anders als in den Fällen, in denen der ursprüngliche Bauantrag zurückgenommen und ein neuer Bauantrag eingereicht werde, stelle sich die Frage eines Missbrauchs nicht. Zudem weise der fertig gestellte Anbau gegenüber dem ursprünglich geplanten Bauvorhaben wesentliche bauliche Änderungen auf. Mangels Identität des ursprünglich beabsichtigten mit dem später errichteten Anbau gelte entsprechend der Rechtsprechung zu § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975/1982 als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt des Nachtragsantrags, unabhängig davon, wie ihn die Baubehörde formal behandelt habe. Für die Abgrenzung der Anwendung des § 10e EStG oder des EigZulG stelle § 19 Abs. 1 EigZulG auf den Herstellungsbeginn ab. Um eine aufwendige Ermittlung dieses Zeitpunktes zu vermeiden, werde der Zeitpunkt der Beantragung der Baugenehmigung in § 19 Abs. 4 EigZulG als Herstellungsbeginn fingiert.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts (§ 19 Abs. 4 EigZulG).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt, schließen sich aber der Begründung des angefochtenen FG-Urteils an.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil des FG wird aufgehoben und die Klage als unbegründet abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entgegen der Auffassung des FG gilt das EigZulG für den Anbau nicht.

1. a) Gemäß § 19 Abs. 1 EigZulG ist dieses Gesetz erstmals anzuwenden, wenn der Anspruchsberechtigte im Fall der Herstellung nach dem 31. Dezember 1995 mit der Herstellung des Objekts begonnen hat. Das Gesetz kann auf Antrag des Anspruchsberechtigten auch angewandt werden, wenn dieser nach dem 26. Oktober 1995 mit der Herstellung begonnen hat (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EigZulG). Als Beginn der Herstellung gilt bei Objekten, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt worden ist (§ 19 Abs. 4 EigZulG in der für das Streitjahr geltenden Fassung).

Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Die darin verwandte Zeitbestimmung lässt keinen Spielraum. An diesen eindeutigen Gesetzeswortlaut sind die Gerichte gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--). Sie sind nicht befugt, einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Begünstigungstatbestand von sich aus zu schaffen oder einen gesetzlich genau umrissenen Tatbestand aufgrund eigener Wertvorstellungen auszuweiten (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom 12. Dezember 2000 IX S 28/00, BFH/NV 2001, 751).

Bauantrag i.S. von § 19 Abs. 4 EigZulG ist nach der Rechtsprechung der an die zuständige Baugenehmigungsbehörde gerichtete Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein bestimmtes Bauvorhaben (BFH-Urteil vom 30. September 2003 III R 52/00, BFHE 203, 550, BStBl II 2004, 262).

Im Streitfall haben die Kläger unbestritten für den baurechtlich genehmigungsbedürftigen Anbau einen Bauantrag bereits am 11. Januar 1994 gestellt und somit vor dem nach § 19 Abs. 1 EigZulG für die Anwendbarkeit dieses Gesetzes maßgebenden Stichtag.

2. § 19 Abs. 1 EigZulG regelt allerdings nicht ausdrücklich die im Streitfall zu entscheidenden Fragen, auf welchen Antrag abzustellen ist, wenn nach dem Stichtag eine Verlängerung der Geltungsdauer der erteilten Baugenehmigung beantragt oder der ursprüngliche Bauantrag geändert wird.

a) Die Baugenehmigung erlischt, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Zustellung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen oder die Ausführung zwei Jahre unterbrochen worden ist (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 BauORP).

Nach § 71 Abs. 2 Satz 1 BauORP kann diese Frist auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu zwei Jahren verlängert werden. Die Verlängerung kann mit neuen Auflagen und Bedingungen verbunden werden.

Sinn und Zweck der Anwendungsregelungen für die Anwendbarkeit des EigZulG einerseits (§ 19 EigZulG) und des § 10e EStG in der insoweit spiegelbildlichen Regelung in § 52 Abs. 14 Sätze 6 und 7 EStG in der für das Jahr 1998 maßgebenden Fassung ist es, die Abgrenzung zur Eigenheimzulage klar und eindeutig festzulegen. Um bestimmen zu können, ob --wie es die Anwendungsregelungen verlangen-- die Investitionsentscheidung vor dem maßgeblichen Stichtag getroffen wurde, ist es erforderlich, dass das errichtete Objekt mit demjenigen identisch ist, das dem vor dem Stichtag eingereichten Bauantrag zugrunde liegt (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 44/02, BFH/NV 2004, 1407).

b) Die bloße zweimalige Verlängerung der am 19. April 1994 erteilten Baugenehmigung für den Hausanbau berührt die Identität dieses Bauvorhabens nicht (s. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1407; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. November 1986 5 K 150/86, EFG 1987, 200, rkr.; Anm. in Der Betrieb 1973, 996, unter Ziff. 3., m.w.N.; Besprechung von Henninger in Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Einkommensteuergesetz, § 7b, Rechtsspruch 123, unter Ziff. 2.; Erhard in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 19 EigZulG Rz. 33). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und im verwaltungsrechtlichen Schrifttum werden die rechtliche Bedeutung einer Verlängerungsgenehmigung und die bei ihrer Erteilung bzw. Ablehnung von der Baubehörde durchzuführende Prüfung demgegenüber unterschiedlich beurteilt. Überwiegend wird die Entscheidung über eine rechtzeitig beantragte Verlängerung der Geltungsdauer einer Baugenehmigung als vereinfachte Form der Erteilung einer Baugenehmigung und als gebundene Entscheidung verstanden. Die Vereinfachung wird darin gesehen, dass die Baubehörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage kein neues Genehmigungsverfahren durchführen muss und bei tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen das Verfahren darauf beschränken darf (Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs --VGH-- vom 17. Oktober 2003 2 B 99.2667, BayVBl 2004, 216; VGH Bayern, Urteil vom 9. April 1975 Nr. II 181/71, BRS Bd. 29, Nr. 125; Oberverwaltungsgericht --OVG-- Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Dezember 1987 11 A 1942/76, BRS Bd. 47, Nr. 140; Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 1998, S. 127; Bauer in Busse/Simon, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Bd. I, Art. 77 Rz. 8; a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. November 1975 III 91/75, BRS Bd. 29, Nr. 124; Thiel/Rößler/Schumacher, Baurecht in Nordrhein-Westfalen, Bd. 2, § 72 LBO Rz. 9, m.w.N. und Rz. 11; Koch/Molodovsky/Famers, Bayerische Bauordnung, Ordner I, 2004, Art. 77 Ziff. 4.3, wonach für das Verfahren davon auszugehen sei, dass die gesetzlich vorgesehene Verlängerung einer gesetzlichen Ausschlussfrist etwas anderes sei als die Erteilung einer neuen Baugenehmigung).

Entscheidend ist, dass baurechtlich mit Ablauf der Geltungsdauer die Baugenehmigung erlischt und das ihr zugrunde liegende Baugesuch sowie das sich anschließende Genehmigungsverfahren gegenstandslos wird, hingegen der ursprüngliche Bauantrag bei einem fristgerecht gestellten Verlängerungsantrag fortbesteht und lediglich, soweit die ursprüngliche Baugenehmigung rechtswidrig gewesen ist oder sich zwischenzeitlich tatsächliche und/oder rechtliche Änderungen ergeben haben, eine Verlängerung abzulehnen oder eine geänderte Baugenehmigung zu erteilen ist.

Zulagenrechtlich maßgebend ist der urspüngliche, fortwirkende Bauantrag, der die --für die Anwendungsregelung in § 19 EigZulG bestimmte verobjektivierte-- Investitionsentscheidung zuverlässig dokumentieren soll (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 12/88, BFHE 160, 383, BStBl II 1990, 754, zur Bedeutung des Bauantrags in § 4b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982; ebenfalls bereits BFH-Urteil vom 28. März 1966 VI 281/64, BFHE 85, 425, BStBl III 1966, 454, 456, zu § 7b Abs. 7 EStG 1963). In gleicher Weise knüpft das EigZulG an diese äußerliche, sicher feststellbare Verfahrenshandlung des Investors an und vermeidet die Schwierigkeiten, die für eine Verzögerung ausschlaggebenden inneren Beweggründe ermitteln und feststellen zu müssen (ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 160, 383, BStBl II 1990, 754; Urteil des FG Rheinland-Pfalz in EFG 1987, 200).

Die Verlängerung wirkt auf den ursprünglichen Antrag zurück (Erhard in Blümich, a.a.O., § 19 EigZulG Rz. 33).

3. Auch der Nachtragsantrag der Kläger vom 14. Mai 1998 kann --entgegen der Auffassung des FG-- zulagenrechtlich nicht als neuer Bauantrag gewertet werden, aufgrund dessen die Identität zwischen dem 1998 tatsächlich errichteten Anbau und dem Objekt, für welches die Kläger Anfang 1994 eine Baugenehmigung beantragt hatten, entfallen wäre.

a) § 19 Abs. 4 EigZulG enthält weder für den Fall einer Antragsrücknahme und einer späteren Wiederholung des Bauantrags noch für den hier gegebenen Sachverhalt eines sog. Nachtragsantrags eine ausdrückliche Regelung.

aa) In Fällen, in denen der ursprüngliche Antrag zurückgenommen und ein neuer Bauantrag eingereicht wird, stellen die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 10. Februar 1998, BStBl I 1998, 190, Tz. 120) und das ihr überwiegend folgende Schrifttum (vgl. Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl., § 19 Rz. 11, m.w.N.; ferner Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Juni 2002 5 K 2595/01, EFG 2002, 1211, rkr.) auf den ersten Bauantrag ab, sofern der spätere Antrag nicht auf sinnvollen wirtschaftlichen, d.h. außersteuerlichen, Erwägungen, wie insbesondere bei einer Änderung der ursprünglichen Bauplanung, beruht. Je größer die Zeitspanne zwischen Rücknahme und erneuter Antragstellung ist (s. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1407, zu § 52 Abs. 14 Sätze 6 und 7 EStG; a.A. Urteil des FG Thüringen vom 24. Februar 1999 III 125/98, EFG 1999, 538, rkr.), desto weniger soll nach Tz. 120 Satz 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 1998, 190 eine Vermutung für ausschließlich steuerliche Gründe und gegen wirtschaftlich sinnvolle Erwägungen für den erneuten Antrag sprechen.

bb) Hingegen berührt nach überwiegender Ansicht ein bloßer Nachtragsantrag auf der Grundlage sog. Tekturpläne nicht die Existenz des ursprünglich gestellten formellen Bauantrags und ebenso wenig die planerische Identität zwischen dem zunächst genehmigten und dem später verwirklichten Bauvorhaben (Urteile des FG Rheinland-Pfalz in EFG 2002, 1211, rkr.; des FG Nürnberg vom 13. April 1999 I 92/98, EFG 1999, 759, rkr.; des FG München vom 17. Mai 2001 10 K 3741/00, juris).

b) Der Beginn der Herstellung eines Gebäudes ist in verschiedenen steuerrechtlichen Vorschriften von Bedeutung. Er wird nicht durchweg einheitlich verwendet. Dementsprechend ist der Begriff entsprechend der Zielsetzung der jeweiligen steuerrechtlichen Vorschriften auszulegen (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1998 X R 153/95, BFH/NV 1999, 782, und vom 25. Juni 2003 X R 66/00, BFH/NV 2004, 19, zur Übergangsregelung in § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG im Falle der Anschaffung eines Objekts).

Das EigZulG knüpft mit dem Tatbestandsmerkmal "Bauantrag" in § 19 Abs. 4 EigZulG bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben an den Begriff im Bauordnungsrecht an (BFH-Urteil in BFHE 203, 550, BStBl II 2004, 262).

Die Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975/1982 für die Errichtung eines Gebäudes knüpfte ebenfalls an den Bauantrag als Beginn der Herstellung an. Die Errichtung eines genehmigungspflichtigen Gebäudes war nur begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte den Bauantrag innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellt hatte. Im Hinblick auf die Zielsetzung der sog. Konjunkturzulage, die Wirtschaftstätigkeit zu beleben, sah der BFH den Bauantrag nur dann für den Beginn der Herstellung als maßgebend an, wenn das beantragte Bauvorhaben mit dem tatsächlich errichteten identisch war. Unterschied es sich in wesentlichen baurechtlichen Merkmalen von dem beantragten und genehmigten Gebäude, stellte der BFH auf den Zeitpunkt des Bauantrags für das tatsächlich errichtete Gebäude ab, und zwar unabhängig davon, wie die Baubehörde die Planungsänderung formal und kostenmäßig behandelt hatte (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1990 III R 88/88, BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378, m.w.N.). Trotz der im Einzelnen unterschiedlichen Zielsetzung hat der Senat diese zu § 4b InvZulG entwickelten Grundsätze auch auf § 8 InvZulG 1982/1986 angewendet (BFH-Urteile vom 7. Juni 2000 III R 50/99, BFH/NV 2000, 1500, und vom 10. Mai 2001 III R 10/97, BFH/NV 2001, 1450).

Als Änderung wesentlicher baurechtlicher Merkmale hat der BFH die Erweiterung der Nutzfläche und des umbauten Raums (BFH-Urteil vom 12. Mai 1989 III R 109/84, BFH/NV 1990, 62), die Aufstockung des Gebäudes (BFH-Beschluss vom 2. September 1988 III B 63/87, BFH/NV 1989, 194, m.w.N.) und den Dachgeschossausbau (BFH-Urteil vom 22. April 1994 III R 65/92, BFH/NV 1994, 904) beurteilt. Zusätzlich hat er die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes, z.B. durch den Neigungswinkel des Daches oder die Zahl der Fenster, bei der Gesamtwürdigung des Bauvorhabens berücksichtigt (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454; in BFH/NV 1990, 62, und in BFH/NV 1994, 904).

Der BFH hat im Urteil vom 30. September 1988 III R 34/87 (BFH/NV 1989, 457) ferner die zur Selbstverbrauchsteuer ergangene Rechtsprechung auf die Investitionszulage nicht für anwendbar gehalten.

c) Zwar sind die Zielsetzungen beider Fördergesetze --EigZulG einerseits und InvZulG andererseits-- nicht deckungsgleich. Während die Herstellung von Gebäuden nach dem InvZulG 1975/1982 nur gezielt zeitraumbezogen gefördert werden sollte (zum Charakter der Konjunkturzulage als Wirtschaftslenkungsmaßnahme BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1450), außerhalb des Begünstigungszeitraums also keinerlei Zulagenförderung für die Errichtung von Gebäuden gewährt werden sollte, handelt es sich bei der Eigenheimzulage lediglich um eine in anderer Form prinzipiell fortgeführte Wohnraumförderung. Das EigZulG dient nicht primär der aktuellen Konjunkturbelebung, sondern der Vermögensbildung durch Wohneigentum und der Förderung der privaten Altersvorsorge (BTDrucks 13/2235, Begründung I. Allgemeiner Teil, S. 14).

Dennoch sind die vom BFH zum InvZulG entwickelten Kriterien für die Beurteilung des maßgebenden Bauantrags auch geeignet, für § 19 Abs. 4 EigZulG als Abgrenzungsmerkmale zu dienen.

Die Finanzverwaltung (R 42a Abs. 4 Satz 3 und H 42a "Bauantrag" der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 2002, betreffend erhöhte Absetzung für Abnutzung --AfA-- nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) und das Schrifttum (vgl. Clausen in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 21a EStG Anm. 234 "Änderung des Bauantrags", Anm. 300 "Tekturpläne" zu § 21a Abs. 7 Satz 1 EStG i.d.F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981; ebenfalls Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 7 Anm. 388 zu § 7 Abs. 5 EStG) haben zu zahlreichen anderen Regelungen, die für den Beginn der Herstellung baugenehmigungspflichtiger Bauvorhaben auf den Bauantrag abstellen, ebenfalls an die baurechtliche Qualität eines Nachtragsantrags angeknüpft. Änderungen im Rahmen bloßer sog. Tekturpläne berühren nicht die Weitergeltung des ursprünglich gestellten förmlichen Bauantrags und lösen insbesondere kein neues Baugenehmigungsverfahren aus.

Das Einreichen sog. Tekturpläne bezüglich der beabsichtigten Änderungen reicht nur aus, wenn diese das Gesamtvorhaben unerheblich berühren und nicht in seinem Wesen verändern. Mit einer Nachtragsgenehmigung werden (nur) solche kleineren Änderungen eines bereits genehmigten, aber noch nicht vollständig ausgeführten Vorhabens genehmigt, die das Gesamtvorhaben nur unwesentlich berühren (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Oktober 1995 3 S 2295/94, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungs-Report --NVwZ-RR-- 1996, 485; Thiel/Rößler/Schumacher, a.a.O., § 72 LBO Rz. 7). Die Nachtragsgenehmigung stellt keine eigenständige Baugenehmigung dar, sondern ist ein unselbständiger Bestandteil der für das Bauvorhaben erteilten Genehmigung, deren Regelungsinhalt sie nur geringfügig abändert (Bauer, a.a.O., Art. 77 Rz. 4 a). Bei wesentlichen Änderungen liegt dagegen ein neues Bauvorhaben vor, für das auf der Grundlage eines notwendigen neuen Bauantrags ein erneutes Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1982 V R 120/81, BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158, zu § 27 Abs. 15 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1973 --Selbstverbrauchsteuer--; vom 27. Oktober 1988 V R 177/84, BFH/NV 1990, 200).

Auch für den Bereich des EigZulG wird dieser Auslegung überwiegend gefolgt (Urteile des FG Rheinland-Pfalz in EFG 2002, 1211; des FG München in 10 K 3741/00, juris; des FG Nürnberg in EFG 1999, 759; zustimmend Wacker, a.a.O., § 19 Rz. 11; Boeker in Lademann, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 19 EigZulG Rz. 6, unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158; Erhard in Blümich, a.a.O., § 19 EigZulG Rz. 31; Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, 2. Aufl., § 19 EigZulG Rz. 634; Handzik/Meyer, Die Eigenheimzulage, 4. Aufl., Rz. 660).

Selbst wenn die bauordnungsrechtliche Behandlung für die Festsetzung der Eigenheimzulage nicht rechtsverbindlich ist (s. auch BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2001 IX B 97/01, BFH/NV 2002, 163, wonach es unerheblich sei, dass der Bauherr nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erst bei Vorlage einer Baugenehmigung bauen dürfe, da § 19 EigZulG ausdrücklich auf den Zeitpunkt des Bauantrags abstelle), so kommt ihr zumindest eine entscheidende indizielle Bedeutung in dem Sinne zu, dass der tatsächlich errichtete Anbau nicht in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen ein anderes Gebäude als das ursprünglich beantragte darstellt. Eine derartige Auslegung und Anwendung des § 19 Abs. 4 Satz 1 EigZulG gewährleistet die mit der Regelung beabsichtigte Verfahrensvereinfachung und vermeidet dieser Zielsetzung zuwiderlaufende aufwendige Ermittlungen hinsichtlich der Ursachen für die Verzögerung und evtl. Umplanungen. Sie trägt auch der Übergangsregelung in § 19 Abs. 4 EigZulG sachgerecht Rechnung. Danach ist für genehmigungspflichtige Bauvorhaben klar auf den Zeitpunkt des leicht feststellbaren Bauantrags abzustellen, bei nicht genehmigungspflichtigen Objekten auf den Zeitpunkt der Einreichung der Bauunterlagen.

d) Schließlich sind die vom FG festgestellten Veränderungen des Anbaus aufgrund des Nachtragsantrags offensichtlich mit den Sachverhalten nicht vergleichbar, die den Entscheidungen des BFH zum InvZulG zugrunde lagen und in denen der BFH ein anderes Gebäude als ursprünglich beantragt bejaht hat.

Weder das Bauvolumen noch die Nutzfläche ist im Streitfall wesentlich verändert worden. Allein die an das bestehende Einfamilienhaus angepasste Dachneigung und die größere Anzahl von Fenstern, die sicherlich das äußere Erscheinungsbild des Anbaus beeinflusst haben, können indes noch nicht eine Bewertung des tatsächlich fertig gestellten Anbaus als gegenüber dem ursprünglichen Bauantrag "anderes Bauwerk" rechtfertigen.



Ende der Entscheidung

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