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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.07.2008
Aktenzeichen: III R 95/07
Rechtsgebiete: EStG 2005, EStG 2006, SGB III


Vorschriften:

EStG 2005 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
EStG 2005 § 62 Abs. 1
EStG 2005 § 63 Abs. 1 S. 2
EStG 2006 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
EStG 2006 § 62 Abs. 1
EStG 2006 § 63 Abs. 1 S. 2
SGB III § 38 Abs. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die im Jahr 1983 geborene Tochter (T) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beendete im Juni 2005 ihre Schulausbildung, nachdem sie die zweite Abiturprüfung nicht bestanden hatte. Die Klägerin gab in ihrem Antrag auf Kindergeld vom September 2005 an, T sei bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit gemeldet.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2006 hob die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für T ab August 2005 auf und forderte das für August und September 2005 gezahlte Kindergeld in Höhe von 308 EUR zurück. Zur Begründung führte die Familienkasse aus, T strebe keine Ausbildung an. Nach Mitteilung der Berufsberatung werde T dort nicht bzw. nicht mehr als Bewerberin um eine berufliche Ausbildungsstelle geführt.

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, T habe nach dem Schulabschluss am 1. Juli 2005 und am 11. Juli 2005 Beratungsgespräche im Berufsinformationszentrum der Agentur für Arbeit (BIZ) geführt. Anschließend habe sie einen Praktikumsplatz gesucht. Die Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück. T könne nicht als ausbildungsuchendes Kind berücksichtigt werden, da sie seit dem 11. Juli 2005 bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit nicht mehr als Bewerber um eine Ausbildungsstelle geführt werde. Andere Nachweise darüber, dass T sich seitdem ernsthaft um eine Berufsausbildung bemüht habe, seien nicht bzw. nicht in ausreichender Form vorgelegt worden. Aufgrund eines im Klageverfahren von der Klägerin vorgelegten Praktikumsnachweises für T setzte die Familienkasse mit Bescheid vom November 2006 Kindergeld für die Zeit ab April 2006 fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch Urteil vom 5. Juni 2007 14 K 2129/06 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 801) teilweise statt. Der Klägerin sei für die Monate August bis Oktober 2005 und März 2006 Kindergeld für T zu gewähren, weil das Kind in diesem Zeitraum eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht habe beginnen können. Für die Monate November und Dezember 2005 lägen die Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung dagegen nicht vor.

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, nach den zutreffenden Ausführungen des FG führe die Löschung der T aus dem Register nicht dazu, dass sie nicht mehr als ausbildungswillig anzusehen sei. Vielmehr wirke die Registrierung als Indiz für die Ausbildungsbemühungen fort. Entgegen der Auffassung des FG sei die Indizwirkung der Registrierung jedoch nicht in Anlehnung an die Frist des § 38 Abs. 4 Satz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auf die Dauer von drei Monaten beschränkt. Durch die rechtswidrige Löschung der Registrierung im Anschluss an den Beratungstermin vom 11. Juli 2005 dürfe kein Nachteil entstehen. Da die Indizwirkung der Registrierung fortgelte, sei sie, die Klägerin, nicht mehr beweispflichtig dafür, dass sich T um einen Praktikumsplatz bemüht habe. Wenn sie gewusst hätte, dass sie trotz der Registrierung die Bemühungen um einen Praktikumsplatz hätte nachweisen müssen, hätten sie und ihre Tochter selbstverständlich sämtliche Bemühungen dokumentiert. Sie, die Klägerin, sei jedoch erst durch den Bescheid der Familienkasse vom 14. Februar 2006 darüber unterrichtet worden, dass ihr das Kindergeld rückwirkend ab August 2005 nicht mehr zustehe.

Darüber hinaus habe das FG die Beweislastregeln falsch angewandt, da es die Indizwirkung der Registrierung unzulässigerweise auf drei Monate beschränkt habe und ihr dadurch die Beweislast für die Bemühungen ihrer Tochter um einen Praktikumsplatz aufgebürdet habe. Wenn T --wie das FG festgestellt habe-- zu Unrecht aus dem Register gelöscht worden sei, hätten Zweifel an den Bemühungen der T um einen Praktikumsplatz nicht zu ihren, der Klägerin, Lasten, sondern zu Lasten der Familienkasse gehen müssen. Das Urteil basiere somit auch auf einer mangelnden Sachaufklärung.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat und den Bescheid der Familienkasse vom 14. Februar 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27. April 2006 vollständig aufzuheben,

hilfsweise,

die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Familienkasse beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie wird nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen.

Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin kein weiterer Kindergeldanspruch für T zusteht, da sich diese im verbliebenen Streitzeitraum (November 2005 bis Februar 2006) nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat.

1.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes i.d.F. für das Jahr 2005 und 2006 (EStG) besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Der Senat hat bereits in seinem zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05 (BFH/NV 2008, 1740) dargelegt, wie diese Voraussetzungen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen sind.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).

b)

Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).

Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).

c)

Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Dabei misst der Senat der Bescheinigung keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Unterlässt die Agentur für Arbeit --wie im Streitfall-- eine Eintragung des Kindes als Ausbildungsuchender, obwohl es bei der Ausbildungsvermittlung der Agentur vorstellig geworden ist, so gilt diese Meldung aus kindergeldrechtlicher Sicht dennoch für drei Monate fort. Nach Ablauf dieser Frist muss sich das Kind jedoch erneut als Ausbildungsuchender melden, da sonst der Kindergeldanspruch ab dem Folgemonat entfällt. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf sein Urteil in BFH/NV 2008, 1740.

d)

Darauf, ob das Löschen aus der Bewerberliste und damit die Einstellung der Versuche, einen Ausbildungsplatz zu vermitteln, als Verwaltungsakt zu werten ist, der dem Kind bekannt gegeben werden muss, kommt es nicht an. Denn die Bezugnahme auf die Dreimonatsfrist in § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III und ihre entsprechende Anwendung auf Ausbildungsuchende (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740) gibt lediglich einen Anhalt für die Konkretisierung der kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten des Kindes, deren Verletzung den Verlust des Kindergeldanspruchs zur Folge hat.

e)

Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann außer durch Meldung bei der Ausbildungsvermittlung auch glaubhaft gemacht werden durch Suchanzeigen in der Zeitung, direkte schriftliche Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. darauf erhaltene Zwischennachrichten oder Absagen. Dabei können Bewerbungen und Absagen durch E-Mails ebenfalls zu berücksichtigen sein. Telefonische Anfragen können im Einzelfall als Nachweis ausreichen, wenn detailliert und glaubhaft dargelegt wird, mit welchen Firmen, Behörden usw. zu welchen Zeitpunkten (erfolglose) Gespräche geführt worden sind (siehe im Einzelnen Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).

f)

Das FG hat die Entscheidung, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, unter Berücksichtigung der dargelegten Beweisanzeichen zu treffen; ggf. ist das Kind anzuhören. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, die durch den Bundesfinanzhof (BFH) nur eingeschränkt überprüfbar ist.

2.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze hat die Klägerin im Streitzeitraum (November 2005 bis Februar 2006) keinen Anspruch auf Kindergeld für T. Hinsichtlich der drei vorangehenden Monate August bis Oktober 2005 hat das FG zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf Kindergeld angenommen. Zwar ist T nach dem Beratungsgespräch am 11. Juli 2005 ohne Angabe von Gründen aus der Bewerberliste gestrichen worden. Gleichwohl gilt die Registrierung bei der Ausbildungsvermittlung als Indiz für das Bemühen um einen Ausbildungsplatz drei Monate fort, so dass für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld weiterhin besteht. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn T --z.B. durch Versäumung eines Vorsprachetermins-- ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und deshalb vor Ablauf von drei Monaten aus der Bewerberliste gestrichen worden wäre.

Für den Streitzeitraum ist das FG nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalles unter Einbeziehung der Zeugeneinvernahme der T in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin ein ernsthaftes Bemühen der T um einen Ausbildungsplatz nicht nachgewiesen hat. Da die Würdigung des FG verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist sie für den BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488).

Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) greift nicht durch. Die Klägerin wendet sich im Ergebnis gegen die vom FG angenommene Beweislastregel, die der Klägerin zutreffend die Feststellungslast zum Nachweis der ernsthaften Bemühungen der T um einen Ausbildungsplatz zugewiesen hat. Diese Rüge betrifft die Anwendung materiellen Rechts. Im Übrigen hat das FG zutreffend entschieden, dass der Klägerin die Beibringung der entsprechenden Nachweise obliegt, für deren Erbringung sie ggf. hätte Vorsorge treffen müssen.

Ende der Entscheidung

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