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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: III S 11/06
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 155
ZPO § 78b Abs. 1
AO 1977 § 110 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) erhielt für ihre Tochter, die 1998 ein Studium aufgenommen hatte, Kindergeld. Da die Klägerin trotz zweimaliger Aufforderung der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) keine Unterlagen zum Nachweis des Studiums für das Wintersemester 2000/2001 und das Sommersemester 2001 eingereicht hatte, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung durch Bescheid vom 9. Oktober 2001 ab Oktober 2000 auf und forderte das im Zeitraum Oktober 2000 bis September 2001 gezahlte Kindergeld in Höhe von 3 240 DM zurück.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2002 übersandte die Klägerin die Studienbescheinigungen und bat, auf die Rückforderung des Kindergeldes zu verzichten. Daraufhin setzte die Familienkasse durch Bescheid vom 5. März 2002 ab Januar 2002 wieder Kindergeld fest. Durch weiteren Bescheid vom 8. April 2002 gewährte sie außerdem Kindergeld für die Monate Oktober bis Dezember 2001.

Der von der Familienkasse zurückgeforderte Betrag für den Zeitraum Oktober 2000 bis September 2001 ist inzwischen getilgt.

Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, das Studium ihrer Tochter sei mit dem 30. September 2004 beendet, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 18. Januar 2005 ab Oktober 2004 auf.

Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid, mit dem sie die Zahlung von Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2000 bis September 2001 begehrte, wies die Familienkasse als unbegründet zurück. Den am 1. Februar 2005 eingegangenen Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2001 verwarf die Familienkasse wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren auf "Nachzahlung" von Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2000 bis September 2001 weiter verfolgte, ab. Der Aufhebungsbescheid vom 9. Oktober 2001 sei wegen Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig. Die Familienkasse habe zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Eine Korrektur des Aufhebungsbescheids wegen nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen und Beweismitteln (§ 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 155 Abs. 4, § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) komme nicht in Betracht, weil die Klägerin ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden treffe. Die Revision ließ das FG nicht zu.

Die Klägerin legte Nichtzulassungsbeschwerde ein und beantragte, ihr eine vertretungsberechtigte Person beizuordnen, weil mehrere --namentlich benannte-- vertretungsberechtigte Personen die Übernahme des Mandats abgelehnt hätten.

II. 1. Da die Klägerin wegen des vor dem Bundesfinanzhof (BFH) geltenden Vertretungszwangs (§ 62a der Finanzgerichtsordnung --FGO--) persönlich keine wirksame Nichtzulassungsbeschwerde erheben kann, legt der Senat ihr Schreiben als Antrag auf Beiordnung einer vertretungsberechtigten Person zur Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde aus.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

a) Nach § 155 FGO i.V.m. § 78b Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat der BFH auf Antrag einem Beteiligten für ein Verfahren vor dem BFH eine zur Vertretung vor dem BFH berechtigte Person oder Gesellschaft beizuordnen, wenn der Beteiligte einen zu seiner Vertretung bereiten Prozessvertreter nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2002 VI B 105/02, BFH/NV 2003, 77, m.w.N.).

b) Die Beiordnung eines Prozessvertreters kommt im Streitfall aber nicht in Betracht, weil die von der Klägerin beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Denn ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Grund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich noch ist ein Verfahrensmangel, auf dem das FG-Urteil beruhen könnte, ersichtlich. Die Entscheidung des FG entspricht vielmehr der eindeutigen Rechtslage.

Der Bescheid der Familienkasse vom 18. Januar 2005 betrifft nur die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2004. Eine Anfechtung dieses Aufhebungsbescheids kann daher nicht zur Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2000 bis September 2001 führen.

Ihr Ziel hätte die Klägerin nur durch Anfechtung des Bescheids vom 9. Oktober 2001 erreichen können, mit dem die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Oktober 2000 aufgehoben hatte. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin aber innerhalb der Einspruchsfrist, die am 12. November 2001 ablief, keinen Einspruch eingelegt. Erst mit Schreiben vom 25. Januar 2002 reichte sie die von der Familienkasse verlangten Bescheinigungen über die Fortdauer des Studiums der Tochter ein. Auch wenn dieses Schreiben als Einspruch zu werten wäre, wäre der Einspruch verspätet und damit unzulässig gewesen, weil er erst ca. zweieinhalb Monate nach Ablauf der Einspruchsfrist bei der Familienkasse eingegangen war.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO 1977) hatte die Klägerin nicht beantragt. Da sie keine Gründe für die Versäumung vorgebracht hatte und solche für die Familienkasse auch nicht ersichtlich waren, wäre die Familienkasse zu einer Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht verpflichtet gewesen.

Der am 1. Februar 2005 bei der Familienkasse eingegangene Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 9. Oktober 2001 ist wegen Ablaufs der Einspruchsfrist ebenfalls unzulässig.

In der mündlichen Verhandlung brachte die Klägerin vor, Grund für die Versäumung der Einspruchsfrist sei ihre damalige psychische Verfassung gewesen. Aufgrund dieses Vortrags kommt eine Wiedereinsetzung schon deshalb nicht in Betracht, weil gemäß § 110 Abs. 3 AO 1977 nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden kann, außer wenn dies vor Ablauf des Jahres infolge höherer Gewalt unmöglich war.

Auch soweit das FG einen Anspruch der Klägerin auf Korrektur des bestandskräftigen Aufhebungsbescheids verneint hat, ist ein Zulassungsgrund nicht erkennbar.

3. Gerichtsgebühren entstehen nicht (z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2000 VII S 34/99, BFH/NV 2000, 870, und in BFH/NV 2003, 77).

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