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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.09.2008
Aktenzeichen: IV B 110/07
Rechtsgebiete: FGO, EStG, VermG


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
EStG § 15 Abs. 1
VermG § 3 Abs. 3
VermG § 30 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe schon nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.

a) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, "ob allgemein, hilfsweise ab dem 1.7.1994, bei einem Besitzunternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit eine Betriebsaufspaltung bei Bestehen eines Rückübertragungsanspruchs nach dem Vermögensgesetz (VermG) an dem einem Betriebsunternehmen zur Nutzung überlassenen Grundstück vorliegen können, weiter hilfsweise vorliegen können, wenn der Teil der Personengruppe, deren Anteil mit dem Restitutionsanspruch belastet ist, zeitlich vor der Einstufung des Besitzunternehmens als Gewerbebetrieb ihre Anteile in Höhe von 50 % auf Dritte übertragen wollte".

b) Der erste Teil der Rechtsfrage ist --auch soweit (hilfsweise) der Zeitraum ab dem 1. Juli 1994 betroffen ist-- im Streitfall schon nicht klärungsfähig, wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu Recht geltend macht. Denn das Finanzgericht (FG) hat nicht festgestellt, dass hinsichtlich des Grundstücks W-Straße in D ein Rückübertragungsanspruch nach dem VermG bestand. Vielmehr ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin und den vorliegenden Akten, dass Rückübertragungsansprüche bezüglich zweier Miteigentumsanteile an dem Grundstück W-Straße in Höhe von je 1/4 zwar geltend gemacht, letztlich aber rechtskräftig abgewiesen worden waren. Damit ist im Streitfall die Frage nicht klärbar, ob ein Rückübertragungsanspruch nach dem VermG an einem Grundstück, das dem Betriebsunternehmen als wesentliche Betriebsgrundlage überlassen wurde, einer Betriebsaufspaltung entgegensteht.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BFH für den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bereits geklärt ist, dass bis zur Bestandskraft eines Rückübertragungsbescheids allein der Verfügungsberechtigte (§ 2 Abs. 3 VermG) die Rechtsstellung als Vermieter innehat und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 50/03, BFHE 209, 83, BStBl II 2005, 456, und BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2005 IX B 157/04, BFH/NV 2006, 727). Auch der Anspruch des (Restitutions-)Berechtigten auf Herausgabe der ab dem 1. Juli 1994 vereinnahmten Mietentgelte (§ 7 Abs. 7 Satz 2 VermG) macht die Vermietungstätigkeit der Verfügungsberechtigten nicht ungeschehen. Bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsanspruchs ist es allein der Verfügungsberechtigte und nicht der Berechtigte, der das Restitutionsobjekt nutzt und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (BFH-Urteil in BFHE 209, 83, BStBl II 2005, 456). Er und nicht der Berechtigte ist nach den Wertungen des VermG bis dahin Träger der Rechte und Pflichten, die sich aus der Rechtsstellung als Vermieter ergeben (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. April 1999 V ZR 142/98, BGHZ 141, 232, unter III.2.a der Gründe).

Diese Rechtsprechung des BFH, mit der sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt hat, spricht dafür, auch bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zumindest bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids von einer (gewerblichen) Vermietung des Grundstücks durch das (verfügungsberechtigte) Besitzunternehmen auszugehen.

Hinsichtlich des hilfsweise vorgebrachten zweiten Teils der Rechtsfrage fehlt es ebenfalls an der Klärungsfähigkeit, wenn man die Frage so versteht, dass der betreffende Grundstücksanteil tatsächlich mit einem "Restitutionsanspruch belastet ist". Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, dass die Frage einen lediglich geltend gemachten Restitutionsanspruch betrifft, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung, dass die Klärung der Frage im Interesse der Allgemeinheit erforderlich ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übt ein sog. Besitzunternehmen, dessen Tätigkeit in der Hauptsache darin besteht, sein Vermögen an eine Betriebsgesellschaft (Betriebsunternehmen) zu verpachten, keine bloße Vermögensverwaltung aus, sondern betreibt eine gewerbliche Tätigkeit. Voraussetzung hierfür ist in persönlicher Hinsicht eine enge personelle Verflechtung zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen; die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen müssen "einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben". In sachlicher Beziehung setzt die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit voraus, dass der Betriebsgesellschaft Wirtschaftsgüter miet- oder pachtweise überlassen werden, die für deren Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage bilden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, und BFH-Urteil vom 21. August 1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, m.w.N.).

Soweit die Klägerin meint, der einheitliche geschäftliche Betätigungswille fehle im Falle der Geltendmachung eines Restitutionsanspruchs wegen der sich aus § 3 Abs. 3 VermG ergebenden Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, den Abschluss dinglicher Rechtsgeschäfte oder die Eingehung langfristiger vertraglicher Verpflichtungen ohne Zustimmung des Berechtigten zu unterlassen, legt sie nach Art einer Revisionsbegründung lediglich ihre Rechtsauffassung dar. Sie trägt jedoch nicht vor, aus welchen Gründen die von ihr herausgestellte Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren soll.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage ist auch nicht offenkundig (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Neben den oben bereits dargelegten Erwägungen zum Fortbestand einer Betriebsaufspaltung zumindest bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BFH die für das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung erforderliche Beherrschungsidentität auf die Geschäfte des täglichen Lebens beschränkt ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, unter 3. der Gründe; vgl. auch Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 825). Der Beherrschungswille muss sich insbesondere auf das Nutzungsverhältnis hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlage beziehen. Dieses soll nicht gegen den Willen der Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, aufgelöst werden können (BFH-Urteile vom 27. August 1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134, unter II.2.b der Gründe, und in BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, unter 3. der Gründe).

Die Auflösung des Nutzungsverhältnisses kann der (Restitutions-)Berechtigte nach § 3 Abs. 3 VermG jedoch nicht verlangen, da § 3 Abs. 3 VermG unter den in der Vorschrift im Einzelnen geregelten Voraussetzungen nur eine schuldrechtlich wirkende Unterlassungspflicht des Verfügungsberechtigten begründet (Redeker/Hirtschulz/Tank in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/ Neuhaus, VermG, § 3 Rz 195).

Der Umstand, dass die Auflassung eines Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber bei Vorliegen eines Antrags auf Rückübertragung nach § 30 Abs. 1 VermG unter bestimmten Voraussetzungen einer Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung bedürfen und bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam sind, steht der personellen Verflechtung --entgegen der nicht näher begründeten Ansicht der Klägerin-- ebenfalls nicht entgegen. Denn das Genehmigungserfordernis beeinträchtigt die Beherrschung der Geschäfte des täglichen Lebens nicht.

Im Übrigen folgt aus der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem VermG schon deshalb nicht zugleich eine Beeinträchtigung der Bildung oder Durchsetzung des geschäftlichen Betätigungswillens, weil der Anspruchsgegner im Falle der Erfolglosigkeit des Antrags im Ergebnis keinen Beschränkungen und Herausgabepflichten unterliegt. Eine Beeinträchtigung des geschäftlichen Betätigungswillens könnte deshalb nur unter besonderen, hier aber nicht festgestellten oder geltend gemachten Umständen in Betracht kommen.

2. Einen Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht schlüssig gerügt.

Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt, dass die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ergeben (BFH-Beschluss vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin nicht gerecht.

a) Zur schlüssigen Rüge, das FG habe das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, muss der Beteiligte darlegen, inwiefern ihm das Gericht das rechtliche Gehör versagt hat, zu welchen der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen oder Rechtsfragen er sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des Rechts auf Gehör noch vorgetragen hätte, dass er keine Möglichkeit besessen hat, die Gehörsverletzung bereits vor Ergehen der Entscheidung zu beanstanden, bzw. dass er den Verfahrensverstoß beim FG gerügt hat und inwiefern durch sein --lediglich infolge des Verfahrensfehlers-- unterbliebenes Vorbringen die Entscheidung auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG anders hätte ausfallen können (z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196, und vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974).

Gemessen daran ist die Rüge, das FG habe das Recht der Klägerin auf Gehör verletzt, unschlüssig.

Zwar verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör von dem erkennenden Gericht, dass es die Ausführungen und Anträge der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4. August 2004 1 BvR 1557/01, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2005, 81; BFH-Beschluss vom 6. November 2007 IX B 64/07, BFH/NV 2008, 242). Dazu gehört auch, dass das Gericht die wesentlichen, der Rechtsverfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet, sofern sie nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert sind (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. April 1980 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43, und vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; BFH-Urteil vom 5. September 2001 I R 101/99, BFH/NV 2002, 493; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a, jeweils m.w.N.). Das Recht auf Gehör verlangt aber nicht, dass sich das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich befassen müsste (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. Dezember 1995 1 BvR 1463/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 153, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 III B 5/03, BFH/NV 2004, 164, und vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, m.w.N.).

Im Streitfall hat das FG den Vortrag der Klägerin, es seien hinsichtlich des Grundstücks W-Straße Restitutionsansprüche geltend gemacht worden, zur Kenntnis genommen. Dies ergibt sich schon aus der Wiedergabe des entsprechenden Vortrags im Tatbestand des angefochtenen Urteils (vgl. Bl. 3 der Urteilsreinschrift). Das FG hat sich mit dem Vortrag der Klägerin zu den Restitutionsansprüchen auch in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auseinandergesetzt (Bl. 10 der Urteilsreinschrift, Nr. 2.4). Selbst wenn das FG diesem Vortrag nicht die richtige Bedeutung beigemessen oder ihn in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft gewürdigt hätte, läge hierin keine Verletzung des Rechts auf Gehör (vgl. BFH-Beschluss vom 2. März 1994 I B 219/93, BFH/NV 1994, 878, unter 2.b der Gründe, m.w.N.).

b) Die Rüge, das FG habe seine richterliche Überzeugung fehlerhaft gebildet, ist ebenfalls nicht schlüssig.

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO muss das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden. Das Gesamtergebnis des Verfahrens bilden alle rechtserheblichen Umstände tatsächlicher Art, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483, unter II.1.d der Gründe). Wird gerügt, das FG habe seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt, so müssen die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt hat, genau bezeichnet werden. Darzulegen ist ferner, inwiefern der Verfahrensfehler für das angefochtene Urteil auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG ursächlich war (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 72, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Vielmehr wendet sich die Klägerin nach Art einer Revisionsbegründung im Wesentlichen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Damit wird aber kein Revisionszulassungsgrund dargetan (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234, m.w.N.).

Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe bei der Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung verstoßen, handelt es sich nicht um eine Verfahrensrüge, sondern um die Rüge der Verletzung materiellen Rechts (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82).

Ende der Entscheidung

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