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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.09.2009
Aktenzeichen: IV B 133/08
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 81 Abs. 1
FGO § 82
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 S. 3
ZPO §§ 450 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist bei erheblichen Bedenken gegen die Zulässigkeit jedenfalls nicht begründet. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Das Finanzgericht (FG) hat die Sachaufklärungspflicht nicht verletzt.

1.

Die Klägerin macht Verfahrensmängel durch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) im Wesentlichen unter folgenden Gesichtspunkten geltend:

a)

Das FG habe die für die Frage des Vorliegens einer atypischen stillen Gesellschaft entscheidungserhebliche Tatsache nicht festgestellt, ob § 14 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages, wonach "ein selbstgeschaffener Firmenwert außer Ansatz zu lassen" sei, im Verhältnis zu § 14 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages, wonach sich die Abfindung des stillen Gesellschafters "aus dem Anteil an den stillen Reserven" errechne, eine Einschränkung sei oder ob damit ein weiterer Anspruch des stillen Gesellschafters generiert werden sollte oder ob von den Beteiligten ein "Markenwert" gemeint gewesen sei. Tatsächlich erhöhe sich nach den getroffenen Vereinbarungen das Abfindungsguthaben um die Beteiligung des stillen Gesellschafters an den stillen Reserven an den Aktiven des Inhabers. Außerdem hätten die Vertragschließenden den "Firmenwert" als einen "Markenwert" im zivilrechtlichen Sinne verstanden, wie durch Zeugnis des Rechtsanwalts, der den Gesellschaftsvertragsentwurf gefertigt habe, bewiesen werde.

b)

Der Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vom 20. August 2000, dass der atypische stille Gesellschafter am Firmenwert beteiligt sei, habe keine steuerliche "Neuregelung" ab diesem Zeitpunkt bewirkt, sondern lediglich schriftlich konkretisieren sollen, was die Parteien in dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag vom 18. August 2000 vereinbart hätten. Geringe Abweichungen bei den Unterschriften auf dem per Fax übersandten und dem im Original vorgelegten Exemplar beruhten darauf, dass es mehrere Exemplare des Nachtrags gebe. Es sei üblich, mehrere Exemplare im Original für diverse unterschiedliche Empfänger zu unterschreiben. Bei Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit der Unterschriften hätte das FG einen Gutachter zur Prüfung einschalten müssen.

c)

Wenn das FG Zweifel an dem Vorliegen einer (atypischen) stillen Beteiligung gehabt habe, hätte es diese Zweifel durch Beweiserhebung ausräumen und sich mit der Vertragsauslegung beschäftigen müssen. Eine Anhörung der Gesellschafter --entweder als Partei oder als Zeugen-- wäre notwendig gewesen. Insgesamt hätte sich dem FG die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme über die Auslegung des Gesellschaftsvertrages aufdrängen müssen.

d)

Auf die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht sei weder konkludent noch ausdrücklich verzichtet worden. Denn das FG hätte in der mündlichen Verhandlung Rechtsausführungen über den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag machen müssen, damit die Klägerin überhaupt in der Lage sei, diesen Verfahrensmangel zu rügen. Nur dann wäre den Beteiligten bewusst geworden, dass die gerichtliche Entscheidung im Wesentlichen auf dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag beruhte. Die kritischen Ausführungen des FG zu dem Nachtrag vom 20. August 2000 hätten sich auf die verspätete Vorlage beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) sowie gewisse "Ungereimtheiten" bei den Unterschriften und Datumsangaben bezogen. Zweifel an der Eindeutigkeit des Gesellschaftsvertrages habe das FG nicht geäußert, so dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, entsprechende Beweisanträge zu stellen. Dadurch sei es zu einer "Überraschungsentscheidung" gekommen.

2.

Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Voraussetzungen müssen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Begründung der Beschwerde dargelegt werden.

a)

Die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO erfordert, dass das FG Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls hätten aufdrängen müssen (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Rz 41, m.w.N.). Es darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen (Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 26). Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das Gericht jedoch nur das aufzuklären, was aus seiner Sicht entscheidungserheblich ist (Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 14, m.w.N.).

b)

Wird gerügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht durch Übergehen von Beweisanträgen verletzt, ist in der Beschwerdebegründung substantiiert darzulegen, welche Tatfragen aufklärungsbedürftig sind und welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben hat. Weiter sind die Fundstelle des Beweisantrags und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme anzugeben und ist auszuführen, inwiefern das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 69, m.w.N.).

c)

In der Beschwerde ist außerdem darzulegen, dass nicht auf die Geltendmachung des Verfahrensmangels verzichtet worden ist. Denn das Übergehen eines Beweisantrags stellt einen verzichtbaren Verfahrensmangel dar (BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372, m.w.N.). Wenn der Beschwerdeführer im Klageverfahren sachkundig vertreten war, sind mit der Beschwerde deshalb Ausführungen dazu zu machen, dass entweder die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aber warum die Rüge nicht rechtzeitig erhoben werden konnte (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 67, 69).

3.

Die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

a)

Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt, weil es eine ausreichende Beteiligung der Beigeladenen an den stillen Reserven verneint habe, fehlt es bereits an einer ausreichenden Darlegung eines Verfahrensmangels. Das FG hat sich ausführlich mit den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages auseinandergesetzt (unter 3.c der Entscheidungsgründe). Dabei ist es zwar zu einer anderen --nach Auffassung des erkennenden Senats im Übrigen nahe liegenden-- Auslegung gekommen als die Klägerin. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht hat die Klägerin damit jedoch weder dargelegt noch ist sie sonst erkennbar. Soweit die Klägerin zusätzlich geltend macht, das FG hätte den Rechtsanwalt, der den Gesellschaftsvertrag entworfen habe, als Zeuge zu der Frage hören müssen, dass der Begriff "Firmenwert" im Gesellschaftsvertrag als "Markenwert" zu verstehen sei, wird bereits nicht deutlich, welche Konsequenzen sich daraus nach Auffassung der Klägerin hinsichtlich der Beteiligung am Firmenwert ergeben sollen. Im Übrigen hat sich das FG mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt, die von der Klägerin geltend gemachte Auslegung jedoch im Hinblick auf den vom 20. August 2000 datierten Nachtrag, demzufolge der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert wurde, dass der atypische stille Gesellschafter am Firmenwert beteiligt sei, abgelehnt, was ebenfalls nahe liegt.

b)

Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht ergibt sich auch nicht aus der Behauptung, die unterschiedlichen Unterschriften auf dem per Fax übersandten und dem im Original vorgelegten Nachtrag vom 20. August 2000 erlaubten nicht die Schlussfolgerung, die Beteiligten hätten eine derartige Vereinbarung nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen, weil es --wie es üblich sei-- mehrere Exemplare des Nachtrags mit den Unterschriften der Beteiligten gebe; bei Zweifeln hätte das FG einen Gutachter mit der Prüfung der Unterschriften beauftragen müssen. Denn zum einen hat das FG seine Auffassung maßgeblich auf das Telefax des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin vom 9. November 2000 gestützt, dem zu entnehmen war, dass zu diesem Zeitpunkt der auf den 18. August 2000 datierte Gesellschaftsvertrag noch nicht existierte. Die unterschiedlichen Unterschriften hat das FG lediglich als weiteres Indiz angesehen (unter 4.a der Entscheidungsgründe). Zum anderen hat die Klägerin nicht dargelegt, inwieweit das FG zu einer anderen Auffassung gelangt wäre, hätte es ein Sachverständigengutachten zu den Unterschriften eingeholt. Im Übrigen war dieser Gesichtspunkt bereits im Betriebsprüfungsbericht angesprochen worden. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, warum sie nicht bereits früher einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, wenn sie die Beweiserhebung für erforderlich hielt.

c)

Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ergibt sich auch nicht aus der Behauptung, dem FG hätte sich die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme über die Auslegung des Gesellschaftsvertrages durch Vernehmung des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin und der Beigeladenen aufdrängen müssen. Es fehlt bereits an der Darlegung der Tatsachen, die sich dabei zusätzlich zu dem Vorbringen der Klägerin ergeben hätten.

Hinzu kommt, dass die Beteiligtenvernehmung (§§ 81 Abs. 1, 82 FGO, §§ 450 ff. der Zivilprozessordnung) nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur ein letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts ist. Sie dient nicht dazu, dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, seine eigenen Behauptungen zu bestätigen und ggf. zu beeiden. Sie kann unterbleiben, wenn sich das Gericht mit Hilfe anderer Beweismittel eine Überzeugung bilden kann oder wenn keine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens spricht (BFH-Urteil vom 2. Juli 1998 IV R 39/97, BFHE 186, 299, BStBl II 1999, 28, unter 5.b der Gründe, m.w.N.). Vorliegend hat das FG seine Auffassung durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages und der zusätzlich aufgeführten Umstände gebildet; das ist nicht zu beanstanden.

d)

Schließlich ist vorliegend von einem Rügeverzicht auszugehen, weil die Klägerin die unterlassene Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat. Sie war fachkundig --ausweislich der Niederschrift durch einen Rechtsanwalt und zwei Steuerberater-- vertreten und konnte erkennen, dass das FG von der Möglichkeit der Parteivernehmung keinen Gebrauch machen wollte. Gleichwohl hat sie in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt. Soweit sie dagegen vorbringt, sie habe mit der Auslegung des Gesellschaftsvertrages durch das Gericht nicht rechnen müssen, so dass eine Überraschungsentscheidung vorliege, kann sie damit nicht durchdringen. Denn die Frage der Beteiligung der stillen Gesellschafterin am Firmenwert stand im Zentrum des vorliegenden Rechtsstreits. Dass dafür die Auslegung des Gesellschaftsvertrages eine maßgebliche Rolle spielte, lag auf der Hand.

4.

Im Grunde wendet sich die Klägerin gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung und die vom FG vorgenommene Einzelfallwürdigung. Das reicht jedoch zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes nicht aus (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234).

Ende der Entscheidung

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