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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: IV B 137/01
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 155
ZPO § 227 Abs. 1
ZPO § 227 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 227 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrte beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) den teilweisen Erlass der mit bestandskräftigen Schätzungsbescheiden festgesetzten Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1973 bis 1983 nebst steuerlicher Nebenleistungen.

Nach Ablehnung des Erlassantrages und erfolglosem Beschwerdeverfahren erhob der Kläger durch seinen (auch nunmehrigen) Prozessbevollmächtigten (P) Klage, mit der er sein Erlassbegehren weiter verfolgte.

Während des Verfahrens legte P das Mandat nieder. Der Kläger beauftragte daraufhin Rechtsanwalt L mit seiner Vertretung. Nachdem zuvor wiederholt die vom Finanzgericht (FG) anberaumten Termine zur mündlichen Verhandlung auf Anträge von P und L aufgehoben bzw. verlegt worden waren, bestimmte das FG mit Verfügung vom 7. Februar 2001 den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22. März 2001.

Mit Schriftsatz vom 19. März 2001 teilte P mit, dass er nunmehr wieder mit der Prozessvertretung des Klägers beauftragt und L das Mandat entzogen worden sei. Gleichzeitig beantragte er, den auf den 22. März 2001 anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung abzusetzen und ihn auf einen Zeitpunkt in frühestens zwei Monaten zu verlegen. Auf Grund des langen Zeitablaufs sei ihm, P, eine kurzfristige Wiedereinarbeitung nicht möglich; auch lägen ihm die Akten noch nicht vor.

Der Vorsitzende des FG-Senats lehnte den Verlegungsantrag am 20. März 2001 ab, weil ein erheblicher Grund i.S. des § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hierfür nicht erkennbar sei. Ein Wechsel des Prozessbevollmächtigten kurz vor der mündlichen Verhandlung könne nur dann ein solcher erheblicher Grund sein, wenn der Kläger den Wechsel nicht verschuldet habe. Da die Gründe der Mandatskündigung nicht vorgetragen seien, könne nicht beurteilt werden, ob den Kläger ein Verschulden an dem Wechsel des Prozessbevollmächtigten treffe.

Unter Bezugnahme auf den Ablehnungsbeschluss beantragte P am 21. März 2001 erneut die Verlegung des Termins. Zur Begründung führte er in Ergänzung seines vorherigen Antrags aus, der Wechsel des Prozessbevollmächtigten sei nicht leichtfertig erfolgt. Vielmehr sei das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt L aufgrund der Vertretung in einer anderen Angelegenheit grundlegend gestört, was allein auf dem Verhalten des L beruhe. Er, P, könne wegen anderweitiger Termine nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen; ebenso wenig stehe ein anderer Kollege seiner Kanzlei zur Verfügung. Er versichere, dass der Wechsel des Prozessbevollmächtigten keinesfalls in der Absicht der Prozessverschleppung erfolgt sei.

Die Berichterstatterin des FG-Senats nahm daraufhin telefonisch Kontakt zu Rechtsanwalt L auf. Dieser teilte mit, dass der Kläger ihn am 19. März 2001 aufgefordert habe, sein Mandat niederzulegen, da er mit dem FA in Verhandlungen über seine Steuerrückstände stehe. Von einem Zerwürfnis des Verhältnisses sei ihm nichts bekannt. Wenn das Mandat nicht entzogen worden wäre, wäre er zu dem Termin erschienen.

Unter Hinweis auf die Ausführungen des L und Beifügung der von der Berichterstatterin über das o.g. Telefongespräch mit L gefertigten Gesprächsnotiz lehnte der Vorsitzende des Senats die Verlegung des Termins mit Beschluss vom 21. März 2001, zugestellt am selben Tag per Fax, erneut ab. Unter Zugrundelegung der Ausführungen des L könne von einer Störung des Vertrauensverhältnisses nicht die Rede sein. Ein Grund, der eine Terminsverlegung rechtfertigen könnte, sei somit nicht ersichtlich.

Das FG führte die anberaumte Verhandlung in Abwesenheit des Klägers und des P durch und wies die Klage ab.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, er sei in seinem Recht auf Gehör verletzt worden und das FG habe das Gebot der Chancengleichheit verletzt. Der Prozessbevollmächtigte P habe am 21. März 2001 keine Möglichkeiten gehabt, die unrichtigen Auskünfte des Rechtsanwalts L zu widerlegen, da die Berichterstatterin telefonisch nicht mehr erreichbar gewesen sei. Tatsächlich habe L durch die ultimative Forderung, er werde den Verhandlungstermin ohne Bezahlung seiner zuvor gestellten Rechnung nicht wahrnehmen, das Vertrauensverhältnis zerstört. Da er, der Kläger, nicht habe zahlen können, habe er sich um einen anderen Prozessbevollmächtigten bemühen müssen. Das Gericht habe eine fehlerhafte Information, ohne deren Aussagewert zu überprüfen und ohne seine, des Klägers, Anhörung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rüge des Verfahrensmangels der Verletzung rechtlichen Gehörs (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist jedenfalls unbegründet.

1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG-- i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) darstellen, wenn einem vor dem Termin gestellten Antrag auf Terminverlegung nicht stattgegeben worden ist. Die schlüssige Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs erfordert insoweit auch keine Ausführungen darüber, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag die Entscheidung des Gerichts hätte beeinflussen können, wenn das Gericht verfahrensfehlerhaft in Abwesenheit des Rechtsmittelführers aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802).

2. Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt jedoch nicht vor.

Das FG hat die Verlegungsanträge vom 19. und 21. März 2001 zu Recht abgelehnt, weil ein die Verlegung rechtfertigender Grund vom Kläger nicht ordnungsgemäß dargelegt worden war. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen einen Termin aufheben oder verlegen. Ob erhebliche Gründe für eine Verlegung vorliegen, hängt von den Verhältnissen des Einzelfalls ab (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1990 III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240), die der Beteiligte dem FG mitzuteilen hat. Zwar sind die erheblichen Gründe nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO grundsätzlich erst auf Verlangen glaubhaft zu machen. Das berührt aber nicht die Pflicht des Beteiligten, selbst die Gründe so genau anzugeben, dass sich das Gericht aufgrund ihrer Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann (BFH-Beschluss vom 26. August 1999 X B 58/99, BFH/NV 2000, 441). Deshalb rechtfertigen formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen eine Terminsverlegung nicht (BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228).

a) Der Verlegungsantrag vom 19. März 2001 wird den Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Zur Begründung hat der Kläger lediglich vorgetragen, dass ein Prozessbevollmächtigtenwechsel stattgefunden habe und der neu bestellte Prozessbevollmächtigte sich kurzfristig nicht in den Rechtsfall einarbeiten könne. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH der Wechsel des Prozessvertreters während des gerichtlichen Verfahrens ein erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO sein. Voraussetzung ist aber, dass es sich um eine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierige Sache handelt, der Wechsel kurz vor der mündlichen Verhandlung stattfindet und vom Kläger nicht verschuldet ist (BFH-Beschluss vom 30. Oktober 1997 X B 12/97, BFH/NV 1998, 599, m.w.N.). Der Antragsbegründung im Streitfall war nicht zu entnehmen, warum der Wechsel des Prozessbevollmächtigten stattfand. Dem FG war damit die Beurteilung verwehrt, ob der Wechsel durch den Kläger verschuldet war.

b) Ebenso hat das FG ohne Rechtsfehler eine Terminverlegung auf Grund des erneuten Antrags vom 21. März 2001 abgelehnt. Denn auch die mit diesem Antrag geltend gemachten Gründe gaben dem FG nicht die Möglichkeit, die Frage des Verschuldens an dem Wechsel des Prozessbevollmächtigten und somit die Erheblichkeit i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO zu beurteilen. So hat der Kläger zur Begründung des Antrags lediglich vorgetragen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Rechtsanwalt L wegen der Vertretung in einer anderen Angelegenheit grundlegend gestört gewesen, die Störung ausschließlich von L ausgegangen sei und er hieran keine Schuld trage. Seine Antragsbegründung erschöpfte sich damit in der bloßen Behauptung des Verschuldens des L. Um dem FG eine Beurteilung des Verschuldens zu ermöglichen, hätte es jedoch zumindest der Darlegung bedurft, welches Verhalten dem L im Zusammenhang mit der Vertretung in der anderen Rechtsangelegenheit vorzuwerfen und inwieweit dadurch das Vertrauensverhältnis grundlegend gestört worden ist. Unsubstantiiert ist auch der Vortrag, ein anderer Kollege der Kanzlei stehe für die Wahrnehmung des Termins nicht zur Verfügung. Substantiierter Darlegungen hätte es insbesondere auch deshalb bedurft, weil der (zweite) Verlegungsantrag kurzfristig vor dem Termin gestellt worden ist. Dem Vorsitzenden war damit jede Möglichkeit genommen, Maßnahmen zur Glaubhaftmachung gemäß § 227 Abs. 2 ZPO zu fordern. Deshalb hätte der Kläger von sich aus alles unternehmen müssen, damit seinem Vortrag auch in tatsächlicher Hinsicht hätte gefolgt werden können (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 441).

c) Das Gericht war auch nicht verpflichtet, von sich aus eigene Ermittlungen anzustellen. Vielmehr oblag es allein dem Kläger, die für eine Terminverlegung erheblichen Gründe im Einzelnen vorzutragen. Soweit das FG gleichwohl bei L nachfragte, um das Vorliegen eines erheblichen Grundes zu ermitteln, war das FG daher nicht gehalten, dem Kläger vor seiner Entscheidung das Ergebnis der Ermittlungen mitzuteilen. Erst recht war das FG angesichts des unmittelbar bevorstehenden Termins nicht verpflichtet, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ausführungen des L zu geben oder die von diesem mitgeteilten Umstände der Mandatsauflösung auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

3. Der Kläger kann schließlich auch nicht mit dem Einwand durchdringen, das FG habe das Gebot der Chancengleichheit verletzt, weil sein Prozessbevollmächtigter keine Gelegenheit erhalten habe, zu den Auskünften des Rechtsanwalts L Stellung zu nehmen. Diesen Vortrag versteht der Senat ebenfalls als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs. Denn abgesehen davon, dass ein allgemeiner, aus Art. 3 GG abzuleitender Grundsatz verfassungsrechtlicher Chancengleichheit außer im Bereich der politischen Willensbildung und in Prüfungsverfahren nicht anerkannt ist (s. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1963 I C 77.60, BVerwGE 17, 306, m.w.N.), könnte damit auch kein Verfahrensmangel begründet werden. Der Vorsitzende des Senats des FG hat nämlich dem Prozessbevollmächtigten P des Klägers unverzüglich (per Fax am 21. März 2001 um 15.20 Uhr) mitgeteilt, welche Auskünfte man von dem früheren Prozessbevollmächtigten, L, erhalten habe. Damit hat das Gericht angesichts des kurzfristigen und unsubstantiierten Antrags auf Verlegung des Verhandlungstermins alles getan, um dem Kläger auch noch vor dem auf den 22. März 2001 um 10.00 Uhr anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

4. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren an einem schlüssigen und glaubhaften Vorbringen der den Prozessvertreterwechsel auslösenden Gründe fehlt. Denn die von dem Kläger in der Beschwerdeschrift mitgeteilten Gründe stehen im Widerspruch zu den Ausführungen in dem Verlegungsantrag vom 21. März 2001. In Letzterem hatte der Kläger den Wechsel damit begründet, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Rechtsanwalt L auf Grund der Vertretung in einer anderen Angelegenheit grundlegend gestört gewesen sei. Nach dem Beschwerdevorbringen soll L hingegen die weitere Prozessvertretung von der Zahlung eines Verfahrensvorschusses abhängig gemacht haben. Da der Kläger den Vorschuss nicht habe zahlen können, habe er sich erneut an P gewandt.

Ende der Entscheidung

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