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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.05.2003
Aktenzeichen: IV B 150/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 62 Abs. 3 Satz 5
FGO § 116 Abs. 6
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 119 Nr. 4
FGO § 62 Abs. 3 Satz 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob mit Telefax vom 19. Februar 1996 Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1992 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) vom 5. Januar 1996. Mit der Klage begehrte er die Herabsetzung der Einkommensteuer 1992 auf 0 DM und die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs, da Verluste in Höhe von 13 018,50 DM aus einer früheren selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt bei der Einkommensteuerveranlagung 1992 unberücksichtigt geblieben seien.

Während des Klageverfahrens wies das Finanzgericht (FG) ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter und den Berichterstatter des zuständigen Senats durch Beschluss vom 12. April 2000 zurück. Mit der dagegen erhobenen Beschwerde legte der Kläger eine Vollmacht für seinen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt S, bei. Durch Beschluss vom 15. September 2000 IV B 59/00 (juris) wies der beschließende Senat die Beschwerde zurück.

Mit Verfügung vom 26. Februar 2001 bestimmte der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. März 2001 und lud den Kläger persönlich mit Postzustellungsurkunde. Mit einem durch Telekopie übermittelten Schriftsatz vom 26. März 2001 beantragte der Prozessbevollmächtigte, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, und begründete dies damit, dass er trotz Vorliegens einer Vollmacht zum Termin nicht geladen worden sei und deshalb ein gravierender Verfahrensmangel vorliege. Auf Anweisung des Vorsitzenden teilte der Leiter der Geschäftsstelle des FG-Senats darauf dem Prozessbevollmächtigten telefonisch mit, dass der Termin nicht aufgehoben werde.

Zur mündlichen Verhandlung an dem in der Ladung bestimmten Termin erschien niemand. Das FG verhandelte ohne die Beteiligten, wies ein inzwischen erhobenes weiteres Ablehnungsgesuch zurück und gab der Klage insoweit statt, als die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit einem Verlust in Höhe von 710 DM angesetzt wurden; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und rügt verschiedene Verfahrensmängel, auf denen die Vorentscheidung beruhen soll. Dazu trägt er u.a. vor, das FG habe gegen § 62 Abs. 3 Satz 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen, weil Rechtsanwalt S als Prozessbevollmächtigter nicht ordnungsgemäß geladen worden und er, der Kläger, daher nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Am Tage der (ersten) mündlichen Verhandlung am 12. April 2000 habe er einen von S unterzeichneten Beschwerdeschriftsatz und die Vollmacht nach Dienstschluss in den FG-Briefkasten eingeworfen. Die Originalvollmacht habe sich daher bei den FG-Akten befunden.

Der Kläger beantragt, die Revision gegen die Vorentscheidung zuzulassen.

Das FA hat auf eine Äußerung verzichtet.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO.

Das Urteil des FG beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. März 2001 mangels ordnungsgemäßer Ladung seines Prozessbevollmächtigten nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen und hat der Prozessführung auch nicht zugestimmt.

1. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 4 FGO gerügt. Unschädlich ist, dass er diese Vorschrift nicht ausdrücklich bezeichnet hat. Jedenfalls hat der Kläger einen Verstoß gegen § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO gerügt und geltend gemacht, dass er "im vorliegenden Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten" war, obwohl sein Prozessbevollmächtigter auf Grund der eingereichten Vollmacht zur mündlichen Verhandlung hätte geladen werden müssen. Damit hat der Kläger einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 119 Nr. 4 FGO ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war. Nicht nach den Vorschriften vertreten ist ein Beteiligter auch dann, wenn sein Prozessbevollmächtigter nicht geladen und deshalb zur mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht erschienen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Dezember 1971 VIII R 13/67, BFHE 104, 491, BStBl II 1972, 424, und vom 15. November 1974 VI R 107/74, BFHE 114, 457, BStBl II 1975, 335).

Zu Unrecht hat das FG den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht zur mündlichen Verhandlung geladen. Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO sind Zustellungen während des finanzgerichtlichen Verfahrens an den bestellten Bevollmächtigten zu richten (dazu BFH-Urteil vom 27. April 1994 XI R 29/93, BFHE 174, 304, BStBl II 1994, 661). Entgegen den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung lag vor der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung eine Vollmacht des Prozessbevollmächtigten vor. Diese hatte der Kläger zusammen mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss vom 12. April 2000 vorgelegt, mit dem das FG sein erstes Ablehnungsgesuch zurückgewiesen hatte. Die Beschwerdeschrift ging am 13. April 2000 beim FG ein und wurde von dem zuständigen Senat ausweislich des Nichtabhilfebeschlusses auf dem Original des Schriftsatzes auch zur Kenntnis genommen. Dass sich die Vollmacht im Zeitpunkt der Terminsverfügung nicht mehr bei den Akten des FG befand, weil sie mit der Beschwerdeschrift dem BFH vorgelegt worden war, vermag das FG nicht zu entlasten. Denn auch aus dem Beschluss des Senats vom 15. September 2000 IV B 59/00 ergibt sich, dass Rechtsanwalt S als Prozessbevollmächtigter in diesem Verfahren aufgetreten ist und nach § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO auch zur mündlichen Verhandlung vor dem FG hätte geladen werden müssen. Der Kläger war daher im Klageverfahren i.S. des § 119 Nr. 4 FGO nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten.

3. Da die Ursächlichkeit des Mangels für die Entscheidung bei dem in § 119 Nr. 4 FGO aufgeführten absoluten Revisionsgrund unwiderleglich vermutet wird, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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