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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.06.2004
Aktenzeichen: IV B 167/02
Rechtsgebiete: FGO, GKG, ZPO


Vorschriften:

FGO § 128 Abs. 4
GKG § 5 Abs. 2 Satz 3
GKG § 13 Abs. 1 Satz 2
GKG § 25 Abs. 1
GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG § 25 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2
ZPO § 321a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Gegen die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger), die beide Einkünfte aus selbständiger Arbeit bzw. Gewerbebetrieb erzielten, war jeweils eine Prüfungsanordnung betreffend die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 ergangen. Gegen diese Prüfungsanordnungen hatten die Kläger im Ergebnis erfolglos Klage erhoben (Senatsurteil vom 11. November 1993 IV R 119/92, BFH/NV 1994, 444). Nach Abschluss des Klageverfahrens ordnete der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 25. August 1994 die Durchführung der Prüfung an. Nach Abschluss der anschließend durchgeführten Außenprüfung machten die Kläger geltend, die Außenprüfung sei wegen der Bestimmung des Zeitpunkts und der Prüfer rechtswidrig gewesen, und beantragten eine dementsprechende Feststellung. Der Antrag wurde abgelehnt; auch die anschließende Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 7. Juni 2000 als unbegründet ab.

Die Gerichtskosten für das letztgenannte Verfahren berechnete das FG auf der Grundlage eines Streitwerts von 128 000 DM mit 4 042,50 DM und richtete an beide Kläger jeweils eine Kostenrechnung von 2 021,25 DM. Hiergegen legten die Kläger Erinnerung ein, mit der sie sich darauf beriefen, es sei entsprechend der Handhabung in dem ersten Verfahren gegen die Prüfungsanordnungen vom Regelstreitwert auszugehen. Der Erinnerung wurde entsprochen und es ergingen Kostenrechnungen auf der Grundlage eines Regelstreitwerts von 8 000 DM. Hiergegen wandte sich nun die Vertreterin der Staatskasse und vertrat die Auffassung, da zwei Prüfungsanordnungen (nämlich gegen beide Ehegatten) streitig gewesen seien, müsse der Regelstreitwert je Prüfungsanordnung berücksichtigt werden und betrage deshalb insgesamt 16 000 DM. Das FG setzte daraufhin durch Senatsbeschluss vom 20. November 2001 den Streitwert auf 16 000 DM fest. Es erging eine entsprechende Kostenrechnung.

Gegen die Streitwertfestsetzung erhoben die Kläger Gegenvorstellungen mit dem Antrag, den Streitwert auf 8 000 DM herabzusetzen. Außerdem machten sie geltend, über ihre Erinnerung sei noch nicht entschieden. Die Gegenvorstellungen wies das FG durch Senatsbeschluss zurück, weil eine Gegenvorstellung gegen Streitwertbeschlüsse nicht statthaft sei. Ebenfalls wies das FG die Kostenerinnerung der Kläger zurück, weil der Streitwert unanfechtbar auf 16 000 DM festgesetzt worden sei; Fehler seien weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen worden. Nach Ergehen des Beschlusses fragte die Geschäftsstelle des FG --offensichtlich in Unkenntnis des Beschlusses zur Kostenerinnerung bei den Klägern an, ob nun auch die Erinnerung zurückgenommen werde. Dem widersprachen die Kläger mit Schreiben vom 11. Juli 2002. Daraufhin teilte der Vorsitzende des FG-Senats mit Schreiben vom 16. Juli 2002 mit, durch die Beschlüsse sei unanfechtbar über die Gegenvorstellungen gegen die Festsetzung des Streitwerts, aber auch über die Kostenerinnerungen entschieden worden.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2002 beantragten die Kläger nunmehr, den Beschluss über die Streitwertfestsetzung wegen offensichtlicher Unrichtigkeit dahin zu berichtigen, dass der Streitwert auf 8 000 DM festgesetzt werde. Diesen Antrag lehnte das FG durch Beschluss des Senats vom 1. August 2002 ab, weil der Streitwert bewusst auf 16 000 DM festgesetzt worden sei. Den Beschluss kennzeichnete das FG als unanfechtbar.

Hiergegen haben die Kläger außerordentliche Beschwerde erhoben, der das FG nicht abgeholfen hat.

Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, die Beschwerde sei entgegen § 128 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausnahmsweise zulässig. Denn die Streitwertfestsetzung sei offensichtlich fehlerhaft und beruhe auf einem unerträglichen Rechtsverstoß. Das FG missachte die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seit dem Beschluss vom 23. April 1980 I B 45/78 (BFHE 130, 445, BStBl II 1980, 751). Sie, die Kläger, würden damit unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz anders behandelt als andere Steuerpflichtige. Die Beschwerde sei auch begründet. Das FG habe keine nachvollziehbare Begründung für die Verdoppelung des Streitwerts gegeben und könne die Ablehnung des Änderungsantrags deshalb nicht darauf stützen, die Verdoppelung sei bewusst vorgenommen worden. Angefochten worden sei nur der verspätete Vollzug einer Prüfungsanordnung. Der Streitwert des ersten Verfahrens gegen die Prüfungsanordnung selbst sei nach dem Regelstreitwert von seinerzeit 6 000 DM festgesetzt worden. Dem entspreche der neue Regelstreitwert von 8 000 DM, wenn nicht für den Streitfall sogar noch der alte Regelstreitwert hätte herangezogen werden müssen. Der verdoppelte Streitwert sei auch nicht mit erwarteten außerordentlichen Erfolgen bei der Prüfung zu rechtfertigen (wird ausgeführt).

Die Kläger beantragen, den Streitwert unter Abänderung des Beschlusses des FG vom 20. November 2001 auf 8 000 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die außerordentliche Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Es verweist darauf, dass die Streitwertfestsetzung durch das FG gemäß §§ 25 Abs. 1, 5 Abs. 2 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nicht beschwerdefähig sei.

Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.

1. Der Beschluss über die Ablehnung des Antrags auf Änderung der Streitwertfestsetzung mit Beschluss vom 20. November 2001 ist nicht mit ordentlichen Rechtsbehelfen anfechtbar. Gegen einen Beschluss, mit dem der Streitwert festgesetzt wird, kann nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG keine Beschwerde an den BFH erhoben werden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 13. Oktober 1994 VII B 115/94, BFH/NV 1995, 539). Demgemäß kommt erst Recht keine Beschwerde gegen einen Beschluss in Betracht, mit dem ein Antrag auf Änderung der Streitwertfestsetzung abgelehnt wird.

2. Die von den Klägern in Kenntnis dieser Rechtslage erhobene außerordentliche Beschwerde ist ebenfalls nicht statthaft.

Eine außerordentliche Beschwerde hat die Rechtsprechung ausnahmsweise in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit für statthaft gehalten; also dann, wenn die erstinstanzliche Entscheidung jeglicher Grundlage entbehrt und damit eine nicht hinnehmbare Gesetzeswidrigkeit zur Folge hat (Senatsbeschluss vom 26. August 1991 IV B 135/90, BFH/NV 1992, 509). Diese Voraussetzung ist etwa dann erfüllt, wenn die Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (BFH-Beschluss vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791, m.w.N.).

Der Anwendungsbereich für außerordentliche Beschwerden hat sich verringert, nachdem der BFH im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02 (BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269) mittlerweile in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass schweres Verfahrensunrecht im Finanzprozess mit einer Gegenvorstellung analog § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) bei dem Ausgangsgericht geltend gemacht werden kann (vgl. Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 128 FGO Rz. 136, m.w.N.). Davon sind --über die Verletzung des rechtlichen Gehörs hinaus-- alle schwerwiegenden Fehler umfasst, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die den materiellen Inhalt der Entscheidung beeinflusst haben können.

Es kann hier dahinstehen, ob danach überhaupt noch Raum für eine außerordentliche Beschwerde sein kann. Selbst wenn man annimmt, dass die außerordentliche Beschwerde von der Gegenvorstellung insoweit nicht verdrängt wird, als Verletzungen von Verfahrensvorschriften gerügt werden, deren Auslegung gerade den Gegenstand der angegriffenen Entscheidung bildet und deswegen eine Gegenvorstellung beim Ausgangsgericht in einem solchen Fall keinen wirksamen Rechtsschutz gewährleisten kann (s. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Mai 2004 IV B 230/02, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), wären die Voraussetzungen für eine außerordentliche Beschwerde hier nicht erfüllt. Aus dem Vorbringen der Kläger ergibt sich keine greifbare Gesetzwidrigkeit. Die Ablehnung einer Änderung der Streitwertfestsetzung bedeutet schon deshalb keine nicht hinnehmbare Gesetzwidrigkeit, weil die Streitwertfestsetzung, selbst wenn sie fehlerhaft gewesen sein sollte, nach dem Willen des Gesetzgebers nicht hätte angegriffen werden können. Ein Änderungsbegehren kann insoweit lediglich als Anregung auf Änderung der Festsetzung von Amts wegen nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG verstanden werden (vgl. Senatsbeschluss vom 19. November 1996 IV B 98/95, BFH/NV 1997, 432). Abgesehen davon erscheint die Verdoppelung des Streitwerts gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG von 8 000 DM auf 16 000 DM auch zutreffend, da zwei Prüfungsanordnungen Gegenstand des Verfahrens waren. Dementsprechend beruhte auch die Kostenrechnung des BFH zu dem Verfahren in BFH/NV 1994, 444 entgegen dem Vorbringen der Kläger auf dem Ansatz des doppelten Regelstreitwerts.

Ende der Entscheidung

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