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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.09.1999
Aktenzeichen: IV B 18/99
Rechtsgebiete: ZPO, FGO, BGB, AO 1977


Vorschriften:

ZPO § 114
FGO § 142
BGB § 716 Abs. 1
AO 1977 § 183 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 183 Abs. 2
AO 1977 § 183 Abs. 3
AO 1977 § 183 Abs. 2 Satz 1
AO 1977 § 183 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) gründete mit den Kaufleuten H und G durch Gesellschaftsvertrag vom 19. April 1991 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), um gemeinsam ein Unternehmen zu betreiben, das Trockenbau-, Decken- und Wandverkleidungs- sowie Schallschutz- und Wärmedämmarbeiten zum Gegenstand hatte. In § 4 des Gesellschaftsvertrages war vereinbart, daß alle Gesellschafter verpflichtet seien, ihre volle Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Gesellschafter sollten jeweils eine Kapitaleinlage in Höhe von 5 000 DM erbringen. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages sollte G allein geschäftsführungsbefugt und vertretungsberechtigt sein. Unter § 8 des Gesellschaftsvertrages hieß es, jeder Gesellschafter könne in Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft verlangen sowie Geschäftsbücher und -papiere der Gesellschaft einsehen und überprüfen. Nach § 11 des Gesellschaftsvertrages war eine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung von dem geschäftsführungsbefugten Gesellschafter jährlich binnen sechs Monaten seit Abschluß aufzustellen und alsdann von allen Gesellschaftern zu genehmigen. Unter § 12 des Gesellschaftsvertrages wurde festgelegt, daß die Gesellschafter zu je 33 1/3 v.H. am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft beteiligt seien.

Am 3. Januar 1993 faßten G und H den Beschluß, den Kläger mit Wirkung vom 31. Dezember 1992 aus der Gesellschaft auszuschließen. Der Kläger erhob gegen diesen Gesellschafterbeschluß Klage vor dem Amtsgericht. Er beantragte festzustellen, daß er Gesellschafter der GbR sei.

Am 30. Mai 1995 wurde beim Beklagten (Finanzamt --FA--) eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1993 nebst Jahresabschluß eingereicht. Der Jahresabschluß, der einen Gewinn in Höhe von 81 927 DM ausweist, wurde nur von H und G unterzeichnet. In der Feststellungserklärung sind der Kläger sowie H und G als Feststellungsbeteiligte aufgeführt; zugleich ist angegeben, daß die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu je 50 v.H. den Gesellschaftern H und G zuzurechnen seien. Die Erklärung ist von G unterzeichnet. Das FA folgte den Angaben der Erklärung im wesentlichen und erließ einen entsprechenden Feststellungsbescheid, gegen den Einspruch eingelegt wurde. Der Einspruch wurde nicht begründet und blieb ohne Erfolg. H und G erhoben daraufhin im Januar 1996 beim Finanzgericht (FG) Klage gegen den Feststellungsbescheid. H und G begehrten zum einen, daß Spenden in Höhe von insgesamt 1 000 DM berücksichtigt würden. Zum anderen vertraten sie die Ansicht, daß der Gewinn zu je 1/3 auf sie und den Kläger verteilt werden müsse, nachdem das Amtsgericht während des Klageverfahrens vor dem FG durch Urteil vom 15. März 1996 festgestellt hatte, daß der Kläger Gesellschafter der GbR sei.

Der Kläger ist inzwischen --mit Wirkung vom 31. Dezember 1996-- aus der GbR ausgeschieden. Nachdem H und G ordnungsgemäße Spendenbescheinigungen eingereicht hatten, erließ das FA --unter Berücksichtigung des Urteils des Amtsgerichts-- am 29. Oktober 1997 einen Feststellungsänderungsbescheid, in dem es erstens die nachträglich geltend gemachten Spenden berücksichtigte und den Gewinn zweitens zu gleichen Teilen auf den Kläger, H und G verteilte. Der Änderungsbescheid ist an die Steuerberaterin F adressiert, für die sich eine von allen drei Gesellschaftern unterzeichnete Vollmacht in den FA-Akten befindet. Der zu diesem Zeitpunkt steuerlich nicht beratene Kläger hat gegen den Änderungsbescheid beim FG "Einspruch" erhoben. Das FG hat dieses Schreiben des Antragstellers als (Sprung-)Klage gegen den Änderungsbescheid behandelt. Dieses Klageverfahren wird unter dem Az. ... geführt. Das FA hat der Sprungklage fristgerecht zugestimmt.

Der Kläger hat einen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten für dieses Verfahren gestellt. Er hat eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und macht geltend, die Rechtsverfolgung verspreche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung führt er aus: Für die GbR liege kein verbindlicher Jahresabschluß für das Streitjahr vor. Die Bilanz für das Streitjahr, die von der steuerlichen Beraterin der Gesellschafter H und G erstellt worden sei, sei nicht rechtsverbindlich. Sie sei nämlich nur von H und G und ihrer steuerlichen Beraterin unterzeichnet.

Zudem sei zu berücksichtigen, daß der Änderungsbescheid seiner, des Klägers, tatsächlichen Stellung innerhalb der GbR nicht gerecht werde. So habe er seit 1992 keine Zahlungen erhalten. Eine Gewinnverteilung nach Kapitaleinsatz scheide aus, da nach dem Gesellschaftsvertrag nicht der Kapitaleinsatz, sondern die persönliche Arbeitskraft im Vordergrund gestanden habe. Zudem sei er, der Kläger, im Streitjahr nicht Mitunternehmer gewesen. Er sei durch den Gesellschafterbeschluß vom 3. Januar 1993 faktisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden.

Das FG lehnte den Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht ab.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist unbegründet.

PKH kann nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 142 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid ist bei der gebotenen summarischen Prüfung (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 1998 III B 219/96, BFH/NV 1998, 1122, m.w.N.) rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß der Kläger Mitunternehmer der GbR war. Er war --wie nach Ergehen des Urteils des Amtsgerichts am 15. März 1996 feststeht-- im Streitjahr Gesellschafter der GbR. Zudem erfüllte er auch die Kriterien der Mitunternehmerschaft. Zum einen konnte er Mitunternehmerinitiative entfalten. Dazu reicht es aus, daß er die Kontrollrechte nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ausüben konnte (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 15 Rdnr. 262, m.w.N.). Derartige Kontrollrechte waren ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eingeräumt (§§ 6 und 8). Er trug auch Mitunternehmerrisiko, da er infolge seiner Beteiligung am Gewinn und Verlust (§ 12 des Gesellschaftsvertrages) sowie an den stillen Reserven der GbR beteiligt war. Lediglich bei Ausscheiden eines Gesellschafters vor Beendigung der Gesellschaft, war eine Abfindung zum Buchwert vorgesehen (§ 18). Mithin hatte der Kläger Anteil am Erfolg oder Mißerfolg der GbR (Schmidt, a.a.O., Rdnr. 262, m.w.N.).

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist es unerheblich, daß die beiden anderen Gesellschafter den Kläger während des Streitjahrs de facto von seinen Mitwirkungsrechten ausgeschlossen haben und daß er auch gehindert war, seinen Gewinnanteil zu entnehmen. Maßgebend sind grundsätzlich die Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende tatsächliche Handhabung steht der steuerlichen Anerkennung der Mitunternehmerschaft nur dann entgegen, wenn sie auf gegenseitigem Einverständnis der Beteiligten beruht (Senatsurteil vom 11. Dezember 1997 IV R 4/95, BFH/NV 1998, 947). Besteht hingegen zwischen den Gesellschaftern Streit über die Gesellschafterstellung eines Mitgesellschafters und wird dieser Streit durch Gerichtsurteil oder Vergleich beendet, so sind dem Gesellschafter, dessen Stellung ursprünglich umstritten war, die Gewinnanteile im Jahr ihrer Entstehung und nicht etwa erst im Jahr der Beendigung des Streits zuzurechnen (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1966 IV 61/64, BFHE 87, 387, BStBl III 1967, 175). Darauf, daß die anderen Gesellschafter ihn während dieses Jahres von der Ausübung seiner Kontroll- und Entnahmerechte ferngehalten haben, kommt es nicht an (Senatsurteil vom 18. Januar 1990 IV R 97/88, BFH/NV 1991, 21). Der Grund hierfür liegt darin, daß die Anteile am Gewinn einer Personengesellschaft das Kapitalkonto des Gesellschafters im Jahre der Gewinnentstehung erhöhen, ohne daß es auf eine "Ausschüttung" ankäme.

2. Auch die Einwendungen des Klägers gegen die Höhe des vom FA festgestellten Gewinns lassen keine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage erkennen.

Es kann dahinstehen, unter welchen Umständen der PKH-Antrag eines Gesellschafters Erfolg haben kann, wenn er die Höhe des von der Gesellschaft erklärten Gewinns mit Nichtwissen bestreitet, weil ihm die notwendigen Informationen verweigert werden. Mindestvoraussetzung ist jedenfalls, daß irgendwelche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Gesellschaft einen zu hohen Gewinn erklärt hat. An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.

Es ist nicht einsichtig, aus welchem Grund die Mitgesellschafter H und G einen zu hohen Gewinn erklärt haben sollten. Zum einen würde ein zu hoher Gewinn zu überhöhten Steuern führen. Zum anderen würde der Ausweis eines überhöhten Gewinns zur Folge haben, daß der Kläger einen Gewinnanteil beansprucht, der über seinen Anteil am realen Zuwachs des Gesellschaftsvermögens hinausgeht. Hieran können die Mitgesellschafter, die derzeit die tatsächliche Verfügungsmacht über das Gesellschaftsvermögen haben, nicht interessiert sein.

Hieraus folgt zugleich, daß im Verhältnis zu H und G ein hoher Gewinn im Interesse des Klägers liegt. Demgemäß hat der Kläger --wie sich aus den vom beschließenden Senat beigezogenen Akten des Landgerichts (LG) ... ergibt-- im Zivilgerichtsverfahren geltend gemacht, der Gewinn des Jahres 1996 sei mindestens so hoch wie vom FA angenommen. Dabei lag dem Gewinn dieses Jahres nicht etwa eine Bilanz der Gesellschaft, sondern eine Schätzung des FA zugrunde. Es kann daher nicht erwartet werden, daß sich der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren der Hauptsache um den Nachweis bemühen wird, daß der erklärte Gewinn des Streitjahres 1993 zu hoch sei.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß der Kläger gezwungen war, die Höhe seines Auseinandersetzungsguthabens zum 31. Dezember 1996 gerichtlich klären zu lassen. Zwar wäre es theoretisch möglich, daß sich in diesem Verfahren herausstellt, daß der Gewinn des Streitjahres fehlerhaft ermittelt worden ist. Selbst in diesem --kaum anzunehmenden-- Fall würde es der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs ermöglichen, steuerlich zu einem zutreffenden Gesamtergebnis für die Jahre 1993 bis 1996 zu gelangen.

Der Umstand, daß der Kläger die Bilanz des Streitjahres nicht unterschrieben hat, ist für die steuerliche Gewinnermittlung ohne Bedeutung. Hierauf hat das FG mit zutreffender Begründung hingewiesen.

3. Der Erfolg der in der Hauptsache erhobenen Klage läßt sich auch nicht darauf stützen, daß der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid dem Kläger nicht wirksam bekanntgegeben sei.

Die Bekanntgabe an F wirkte gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) auch für und gegen den Kläger. Der Kläger, H und G hatten F, indem sie sie bevollmächtigten, sie in allen steuerlichen Angelegenheiten vor den Finanzbehörden zu vertreten und rechtsverbindliche Erklärungen entgegenzunehmen, zur Empfangsbevollmächtigten bestellt. Zu Unrecht beruft sich der Kläger demgegenüber auf § 183 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, wonach § 183 Abs. 1 AO 1977 u.a. dann nicht anzuwenden ist, wenn der Finanzbehörde bekannt ist, daß ein Beteiligter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist oder daß zwischen den Beteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Gemäß § 183 Abs. 3 AO 1977 können Feststellungsbescheide gegenüber einem Empfangsbevollmächtigten auch dann mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten bekanntgegeben werden, wenn zwar die Voraussetzungen des § 183 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 vorliegen, der betroffene Beteiligte oder der Empfangsbevollmächtigte der Empfangsbefugnis der Finanzbehörde gegenüber aber nicht widersprechen. Es ist demnach neben dem Ausscheiden eines Gesellschafters oder dem Bestehen von Meinungsverschiedenheiten ein Tätigwerden erforderlich (BFH-Urteil vom 7. Februar 1995 IX R 3/93, BFHE 177, 22, BStBl II 1995, 357). Hieran fehlt es im Streitfall.

Ende der Entscheidung

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