Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: IV B 201/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 15a Abs. 1
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass § 15a EStG auf doppelstöckige Personengesellschaften Anwendung findet.

2. Die bloße Abgabe einer Verlustübernahmeerklärung zugunsten der Gesellschaft erhöht noch nicht das Kapitalkonto des Kommanditisten i.S. des § 15a EStG.


Gründe:

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH & Co. KG, an der als einzige Kommanditistin wiederum eine GmbH & Co. KG (H-KG) beteiligt ist. Die Hafteinlage der Kommanditistin betrug 100 000 DM und war in voller Höhe erbracht. Zu Nachschüssen war die Kommanditistin nach dem Gesellschaftsvertrag nicht verpflichtet.

In den Streitjahren (1997 und 1998) erwirtschaftete die Antragstellerin Verluste von 3 863 105 DM bzw. 3 102 940 DM. Jeweils im Dezember der Streitjahre vor Ablauf des mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahrs verpflichtete sich die Kommanditistin zur Übernahme der Verluste. Dazu heißt es in Protokollen zu den betreffenden Gesellschafterversammlungen:

"Die Gesellschafter (der Antragstellerin) halten hiermit unter Verzicht auf die Einhaltung von Form- und Fristvorschriften eine Gesellschafterversammlung ab und beschließen einstimmig folgendes:

Abweichend von § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages verpflichtet sich die alleinige Kommanditistin, die Firma (H-KG), einen sich aus dem Geschäftsjahr ... ergebenden Verlust zu übernehmen und auszugleichen. Die Firma (H-KG) hat diesem Verlustausgleich zugestimmt."

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ nach einer Außenprüfung Bescheide, mit denen verrechenbare Verluste der H-KG von 3 546 869 DM auf den 31. Dezember 1997 und von 5 204 230 DM auf den 31. Dezember 1998 festgestellt wurden. Dabei ging das FA davon aus, dass sich das Kapitalkonto der H-KG durch die Verlustübernahmeerklärungen nicht erhöht hatte.

Gegen diese Bescheide erhob die Antragstellerin Sprungklage, die wegen Versagung der Zustimmung durch das FA als Einspruch behandelt wurde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, so dass die Antragstellerin nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2003 Klage erhoben hat.

Zugleich mit der Sprungklage hatte die Antragstellerin auch Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide beantragt. Nach Ablehnung des Antrags durch das FA begehrte sie beim Finanzgericht (FG) AdV. Das FG lehnte den Antrag ab.

Mit der --vom FG zugelassenen-- Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, das FG lege den Begriff der geleisteten Einlage falsch aus. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Verpflichtung zur Übernahme von Verlusten durch Erbringung weiterer Einlagen erst mit Vollzug der Einlage erfüllt werde. Diese Rechtsprechung könne jedoch auf Sacheinlagen nicht angewendet werden, denn sie widerspreche dem Handelsrecht und der neueren steuerlichen Entwicklung. Der BFH stütze sich auf einen handelsrechtlichen Kapitalaufbringungsgrundsatz. Im Handelsrecht sei aber anerkannt, dass eine Einlage bei wertmäßiger Deckung auch durch Einbuchung geleistet werden könne. Eine Sacheinlage sei dann bewirkt, wenn sie so in die Einflusssphäre der Gesellschaft gelangt sei, dass ihr der wirtschaftliche Wert der Einlage nicht mehr einseitig durch die Gesellschafter entzogen werden könne. Bei einer Verlustübernahmeerklärung sei dies der Fall, wenn sie auch gegenüber Außenstehenden wie eine Forderung wirke, etwa im Fall einer Schuldübernahme. Ähnlich lege auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) den Begriff der geleisteten Einlage i.S. des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 aus.

Die Gutschrift einer Forderung behandele der BFH demgemäß als Einlage und differenziere bei einer Verlustübernahme danach, ob eine Geldzahlung (Bareinlage) oder die Zusage einer Geldzahlung (Sacheinlage) vereinbart sei. So wie der Leistungsverpflichtete die Sacheinlageverpflichtung passivieren müsse, habe sie der Berechtigte als Einlage auszuweisen, sobald der Vertrag zustande gekommen sei. Bei einer Verlustübernahme seien diese Voraussetzungen erfüllt, wenn der zu erwartende Jahresfehlbetrag der Höhe nach in etwa feststehe, der mindestens zu übernehmende Verlust in etwa bekannt sei und der betreffende Gesellschafter die Verlustübernahme ausdrücklich, bedingungslos und schriftlich erklärt habe. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt.

Soweit Finanzverwaltung und Finanzgerichte wie im Fall der Bareinlage auf den tatsächlichen Zufluss abstellten, widerspreche das der handelsrechtlichen Handhabung, nach der eine Erhöhung der Aktiva oder Minderung der Passiva ausreiche. Dazu komme es aber bereits mit Vollzug der Verlustübernahmevereinbarung.

Außerdem sei § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf doppelstöckige Personengesellschaften nicht anzuwenden. Denn die Rechtsfolge der Regelung (Verlustausgleichs- und -abzugsverbot) könne auf eine Personengesellschaft nicht angewendet werden, weil diese keine ausgleichsfähigen Einkünfte haben könne. Diese Möglichkeit hätten nur natürliche Personen, so dass auch nur diese von § 15a EStG erfasst würden.

Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Vollziehung der Bescheide über die Feststellung verrechenbarer Verluste 1997 und 1998 vom 17. Februar 2003 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die dagegen erhobene Klage mit der Maßgabe auszusetzen, dass ausgleichsfähige Verluste von 3 546 869 DM (1997) und 1 657 361 DM (1998) anerkannt werden.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, das FG habe zutreffend ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide verneint.

Die Beschwerde ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen. Auch nach Auffassung des beschließenden Senats bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Das FA hat zutreffend verrechenbare Verluste der Antragstellerin festgestellt.

1. Der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG darf nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mit anderen Einkünften des Kommanditisten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.

a) Den Begriff des Kapitalkontos definiert das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung ist das nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto des Kommanditisten in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft zuzüglich ggf. bestehender Ergänzungsbilanzen des Kommanditisten gemeint (BFH-Urteile vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167; vom 30. März 1993 VIII R 63/91, BFHE 171, 213, BStBl II 1993, 706). Das Kapitalkonto in der Gesamthandsbilanz wird durch Einlagen in das Gesellschaftsvermögen bzw. durch Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen bestimmt.

Einlage des Kommanditisten i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ist die tatsächlich geleistete sog. bedungene Einlage i.S. der §§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Denn Zweck des § 15a EStG ist es, dem Kommanditisten einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit zu gewähren, als er wirtschaftlich durch die Verluste belastet wird. Die Belastung kann insoweit nicht über den Betrag hinausgehen, mit dem der Kommanditist im Innenverhältnis für Schulden der Gesellschaft haftet. Wirtschaftlich belastet ist der Kommanditist allerdings nur in dem Umfang, in dem er bereits Einlageleistungen in das Gesellschaftsvermögen erbracht hat. Mit der Erschöpfung der geleisteten bedungenen Einlage durch ihm zugewiesene Verluste ist das Höchstmaß der wirtschaftlichen Belastung des Kommanditisten aus seiner Haftung im Innenverhältnis erreicht. Deshalb kommt ein Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nur in Betracht, soweit die bedungene Einlage durch Zuführung eines Vermögenswerts tatsächlich geleistet ist. Im Fall einer Sacheinlage ist deren Wert maßgeblich.

Neben der Haftung im Innenverhältnis berücksichtigt § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG aber auch eine weiter gehende Haftung im Außenverhältnis, soweit diese sich daraus ergibt, dass der Kommanditist seine Hafteinlage noch nicht vollständig erbracht hat. Die Hafteinlage wird durch die Eintragung im Handelsregister bestimmt (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB). Hafteinlage und bedungene Einlage können voneinander abweichen. Für den Verlustausgleich i.S. des § 15a EStG ist die Hafteinlage nur insoweit von Bedeutung, als sie noch nicht vollständig erbracht ist und deshalb eine Außenhaftung des Kommanditisten auslöst. Im Übrigen bestimmt sich das Verlustausgleichsvolumen allein nach der tatsächlich geleisteten bedungenen Einlage.

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Kommanditeinlage i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG erst dann "geleistet" ist, wenn sie tatsächlich erbracht ist. Die im Innenverhältnis gegenüber der KG bestehende Einlageverpflichtung, die "ausstehende Einlage" des Kommanditisten, reicht hierfür nicht aus. Dem Gesellschaftsvermögen muss etwas von außen zugeflossen sein, was den bilanziellen Unternehmenswert mehrt, also die Aktiva des Unternehmens erhöht oder die Passiva mindert und so Einfluss auf das "Kapitalkonto" nimmt (BFH-Beschlüsse vom 29. August 1996 VIII B 44/96, BFHE 182, 26, m.w.N., und vom 7. August 2002 VIII B 90/02, BFH/NV 2002, 1577; BFH-Urteile vom 10. Juli 2001 VIII R 45/98, BFHE 196, 103, BStBl II 2002, 339, und vom 3. Dezember 2002 IX R 24/00, BFH/NV 2003, 894).

Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Bestimmung der Außenhaftung wegen noch nicht voll erbrachter Hafteinlage nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG, sondern auch für die Bestimmung des Kapitalkontos i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG anhand der tatsächlich geleisteten bedungenen Einlage. Sie betreffen auch nicht nur Einlageverpflichtungen, die auf eine Bareinzahlung in das Gesellschaftsvermögen gerichtet sind und auf die im Wege einer Sacheinlage geleistet werden soll, sondern sie gelten auch für originäre Sacheinlageverpflichtungen.

2. Der Kommanditist kann eine bedungene Einlage je nach gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung u.U. auch durch Übernahme eines Verlustes der KG erbringen. Die Einlageverpflichtung kann dann als Erhöhung der bisherigen Einlage geschuldet sein oder als Sacheinlage an die Stelle einer anderen Einlageverpflichtung treten. In beiden Fällen stellt die bloße Erklärung der Verlustübernahme aber noch keine tatsächliche Leistung der Einlage dar, die eine Erhöhung des Kapitalkontos i.S. des § 15a EStG bewirken würde. Eine wirtschaftliche Belastung tritt bei dem zur Verlustübernahme Verpflichteten nämlich erst dann ein, wenn die Forderung geltend gemacht wird oder wenn der Verpflichtete zumindest ernsthaft mit ihrer Geltendmachung rechnen muss. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn die Forderung an einen Gesellschaftsgläubiger abgetreten wird. Solange die Forderung aber nur im Innenverhältnis besteht und nicht geltend gemacht wird, trifft den verpflichteten Kommanditisten noch keine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Kommanditist seinerseits eine mit beschränktem Haftungssubstrat ausgestattete Personengesellschaft ist.

3. Auf doppelstöckige Personengesellschaften ist § 15a EStG anzuwenden.

Als Rechtsfolge bestimmt § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, dass der dem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG nicht mit anderen Einkünften des Kommanditisten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden darf, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Ist Kommanditist eine Personengesellschaft, die ihrerseits --wie im Streitfall-- kraft gewerblicher Prägung oder aus anderen Gründen nur gewerbliche Einkünfte erzielt, kann es auf der Ebene der Kommanditistin nicht zu einem Ausgleich der Verluste mit anderen positiven Einkünften kommen. Die von § 15a Abs. 1 EStG ausgesprochene Rechtsfolge kann demgemäß unmittelbar nicht eintreten.

Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass auf der Ebene der Untergesellschaft § 15a EStG überhaupt nicht anzuwenden ist (so aber Autenrieth, Deutsche Steuer-Zeitung 1987, 121, 124; Seibold, Deutsches Steuerrecht 1998, 438, 440; Nickel/Bodden, Finanz-Rundschau 2003, 391, 392). Vielmehr tritt die Verlustausgleichsbeschränkung mittelbar über die Obergesellschaft ein. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf ggf. an der Obergesellschaft beteiligte unbeschränkt haftende Gesellschafter. Würde auf der Ebene der Untergesellschaft keine Ausgleichsbeschränkung eintreten, könnte ein solcher Obergesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil am Verlustanteil der Obergesellschaft zum Ausgleich mit anderen positiven Einkünften verwenden. Diese Möglichkeit entfällt, wenn der Obergesellschaft bereits keine ausgleichsfähigen Verluste zugewiesen werden. Indessen reflektiert die Ausgleichsbeschränkung in Bezug auf die Obergesellschaft, dass diese wegen Erschöpfung ihrer Einlage durch weitere Verluste einstweilen --bis zur erneuten Erzielung von Gewinnen durch die Untergesellschaft-- wirtschaftlich nicht belastet wird. Mittelbar fehlt es dann auch an einer wirtschaftlichen Belastung des Obergesellschafters, so dass der Zweck des § 15a EStG eine entsprechende Anwendung der Verlustausgleichsbeschränkung auf mehrstöckige Gesellschaften erfordert. Hiervon ist der erkennende Senat auch bereits in seinem Urteil vom 26. Januar 1995 IV R 23/93 (BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467) ausgegangen.

4. Im Streitfall haben die der Kommanditistin zugewiesenen Verluste die Entstehung eines negativen Kapitalkontos i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG bewirkt. In Höhe des betreffenden Betrags, der zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind die Verlustanteile der Kommanditistin mithin zutreffend als lediglich verrechenbar festgestellt worden.

Ende der Entscheidung

Zurück