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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: IV B 210/04
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 360
FGO § 48
FGO § 60 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger zu 3 des erstinstanzlichen Verfahrens, im Folgenden Kläger zu 3) war nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) als atypisch stiller Gesellschafter an einem von der Klägerin zu 2 im Jahr 1978 errichteten Handelsunternehmen beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb bestimmter Grundstücke sowie deren Erschließung, Bebauung mit Eigenheimen und Verkauf. An dem Unternehmen hatte sich neben dem Kläger zu 3, der im Übrigen als Grundstücksmakler unternehmerisch tätig war, der Architekt H (Kläger zu 1) als stiller Gesellschafter beteiligt.

Die noch im Jahr 1978 erworbenen Grundstücke wurden in der Folgezeit bis 1981 vermarktet. Einige Parzellen wurden für Angehörige der Gesellschafter bebaut und von diesen erworben.

Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin zu 2, die auch nur gegenüber der Klägerin zu 2 angeordnet worden war, kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu dem Ergebnis, Baukosten und Grundstückskaufpreise für Bauvorhaben von Angehörigen der Kläger seien zu niedrig ausgewiesen worden. In Höhe der Verbilligung ging das FA von Entnahmen der Kläger aus, die es ihnen --abweichend von der vertraglich vereinbarten Gewinnverteilung (je 1/3)-- personenbezogen zurechnete.

Gegen die entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre (1980 und 1981) legten die Kläger zu 1 und 2 fristgemäß Einspruch ein. Den Kläger zu 3 zog das FA nach § 360 der Abgabenordnung (AO) zu dem Einspruchsverfahren hinzu. Daraufhin legte der Kläger zu 3 "vorsorglich ebenfalls Einspruch" ein. Er machte geltend, nicht Mitunternehmer gewesen zu sein, und beanstandete die Gewinnverteilung und die Zurechnung einer Entnahme wegen verbilligter Veräußerung eines Grundstücks an seinen Sohn. Die Einsprüche hatten nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Alle drei Kläger erhoben danach Klage. In einem Erörterungstermin verständigten sich die Kläger zu 1 und 2 mit dem FA und erklärten den Rechtsstreit im Hinblick auf die zugesagten Änderungsbescheide für in der Hauptsache erledigt. Zwischen dem Kläger zu 3 und dem FA kam es nicht zu einer Verständigung. Das FA erließ unter dem 7. April 2004 die absprachegemäß geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre.

Das FG wies die Klage des Klägers zu 3 ab. Seine Klagebefugnis sei im Hinblick auf die Hinzuziehung im Einspruchsverfahren auf den von den Klägern zu 1 und 2 vorgegebenen Verfahrens- bzw. Streitgegenstand beschränkt gewesen. Eine Überprüfung des ausschließlich dem nur akzessorisch geschützten Kläger zu 3 zugerechneten Mehrgewinns sei ebenso wie die Berücksichtigung von Rückstellungen bzw. Verlusten in der Sonderbilanz des Klägers zu 3 ausgeschlossen. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Kläger zu 1 und 2 sowie des FA sei außerdem das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zu 3 für eine Klage gegen die geänderten Feststellungsbescheide entfallen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger zu 3 Verfahrensmängel und macht geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen. Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Schriftsätze vom 10. Februar 2005, 12. Februar 2005 und 18. Februar 2005 Bezug genommen.

Der Kläger zu 3 beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).

1. Mit der Beschwerde hat der Kläger zu 3 schlüssig gerügt, dass das FG den Umfang seiner Klagebefugnis verkannt und die Klage deshalb zu Unrecht ohne Sachprüfung abgewiesen hat.

a) Die Klagebefugnis des Klägers zu 3 war nicht durch die Anträge der Kläger zu 1 und 2 im Einspruchsverfahren begrenzt. Im Einspruchsverfahren ist die Finanzbehörde verpflichtet, die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO). Sie ist deshalb an die von dem Einspruchsführer gestellten Anträge nicht gebunden. Die Überprüfungs- und Entscheidungsbefugnis des FA findet ihre Grenze nur in dem angefochtenen Verwaltungsakt als dem formellen Gegenstand des Einspruchs (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. November 1985 II R 90/83, BFHE 145, 122, BStBl II 1986, 243, und vom 28. November 1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561, zu III.2.). Der Hinzugezogene kann dementsprechend Einwendungen gegen den angefochtenen Bescheid unabhängig von dem Vorbringen der Einspruchsführer geltend machen (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 360 AO Rz 7). Damit unterscheidet sich seine Stellung von der des nach § 60 Abs. 3 FGO im Klageverfahren notwendig Beigeladenen. Denn der Beigeladene kann abweichende Sachanträge nur innerhalb der Grenzen des durch das Klagebegehren bestimmten Verfahrens- und Streitgegenstandes stellen (BFH-Urteil vom 29. Mai 2001 VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl II 2001, 747, m.w.N.; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 104).

b) Das FG kann sich für seine abweichende Auffassung nicht auf das o.g. Urteil des BFH in BFHE 195, 486, BStBl II 2001, 747 berufen. Danach kann ein mangels Rechtsbehelfsbefugnis des Einspruchsführers unzulässiger Einspruch dem Hinzugezogenen grundsätzlich kein Klagerecht vermitteln (Grundsatz der Akzessorietät). Im Streitfall war der Einspruch der Kläger zu 1 und 2 jedoch zulässig. Die Hinzuziehung zu dem Einspruchsverfahren vermittelte damit dem Kläger zu 3 wie jedem Adressaten der Einspruchsentscheidung ein eigenes Klagerecht. Bei einer Klage gegen einen Feststellungsbescheid müssen außerdem die Voraussetzungen des § 48 FGO erfüllt sein. Davon war im Streitfall für den Kläger zu 3 auszugehen, weil die stille Gesellschaft beendet war und sich der Rechtsstreit zudem auf Fragen erstreckt, die den Kläger zu 3 persönlich angehen (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 FGO).

c) Aus der Erklärung der Hauptsacheerledigung durch die Kläger zu 1 und 2 in dem Erörterungstermin folgt für den Kläger zu 3 keine Einschränkung seiner Klagebefugnis. Zwar entfällt für einen Beigeladenen das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Hauptbeteiligten des Klageverfahrens den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklären (BFH-Beschluss vom 4. August 1988 IV B 165-166/87, BFH/NV 1989, 240). Im Streitfall waren die Kläger zu 1 bis 3 jedoch notwendige Streitgenossen (sog. unechte notwendige Streitgenossenschaft, vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSP--, § 59 FGO Rz 26 ff.). Für die Fälle der notwendigen Streitgenossenschaft gilt das Prinzip der Selbstständigkeit der Klagen mit der Folge, dass jeder Streitgenosse mit Wirkung für sich die Klage zurücknehmen oder die Hauptsache für erledigt erklären kann, während über die aufrechterhaltene Klage des anderen Streitgenossen-- allerdings unter Beiladung des ausgeschiedenen Streitgenossen-- sachlich zu entscheiden ist (Spindler in HHSP, § 59 FGO Rz 36).

2. Der Senat hält es für sachdienlich, entsprechend § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Bei dieser Sachlage bedürfen die weiteren Rügen des Klägers zu 3 keiner weiteren Erörterung.

Ende der Entscheidung

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