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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.01.1999
Aktenzeichen: IV B 28/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 128
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 120
FGO § 142 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 1
ZPO § 114
AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist nichtselbständig tätig. Nachdem sie erklärungsgemäß mit 0 DM zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1991 veranlagt worden war, nahm der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Anschluß an eine Fahndungsprüfung eine Änderung der Steuerfestsetzung auf 6 984 DM wegen festgestellter sonstiger Einkünfte aus einem Schrottverkauf vor. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde durch Bescheid vom 11. August 1997 zurückgewiesen und am gleichen Tag zur Post gegeben. Am 22. September 1997 erkundigte sich die Antragstellerin beim FA nach einem von ihr am 17. September 1997 eingeworfenen Schreiben, mit dem sie die Aussetzung der Vollziehung beantragt haben wollte. Der Sachbearbeiter wies darauf hin, daß der Aussetzungsantrag mangels Klageerhebung abzulehnen sei. Nach diesem durch Telefonvermerk festgehaltenen Gespräch erhob die Antragstellerin am 24. September 1997 Klage gegen den Änderungsbescheid und beantragte am 22. Oktober 1997 die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren, über das noch nicht entschieden ist. Zur Klagebegründung führte die Antragstellerin aus, die Einspruchsentscheidung sei ihr erst am 29. August 1997 zugegangen. Auf Anforderung des Berichterstatters konnte die Antragstellerin weder die Einspruchsentscheidung noch den Briefumschlag im Original vorlegen. Sie erklärte, beide Unterlagen seien nicht mehr vorhanden.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Bewilligung von PKH mit der Begründung ab, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei summarischer Prüfung sei die Klage verspätet eingegangen und daher unzulässig.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das FG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, als einfache Arbeitnehmerin mit geringem Ausbildungsstand könne nicht von ihr erwartet werden, daß sie die Einspruchsentscheidung mit einem Eingangsvermerk versehe oder den Briefumschlag mit dem Poststempel aufhebe. Ihr sei indessen der Tag des verspäteten Zugangs am 29. August 1997 deshalb so gut in Erinnerung, weil es sich um einen Freitag gehandelt habe und ihr dadurch das Wochenende verdorben worden sei. Sie habe das Datum der Einspruchsentscheidung "nur untergeordnet zur Kenntnis genommen", sei aber davon ausgegangen, daß sie nach Erhalt der Entscheidung "einen Monat zur Klageerhebung habe". Das FG überziehe die Sorgfaltsforderungen an sie, die Antragstellerin, wenn es verlange, daß sie den Sachbearbeiter anläßlich des Telefonats auf den verspäteten Zugang hätte hinweisen müssen. Ihr sei es ausschließlich um die Bestätigung ihres Aussetzungsantrags gegangen. Wegen der überlangen Postlaufzeit werde auf die Klagebegründung verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und ihr PKH zu bewilligen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, daß sie weitgehend unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Klageverfahren begründet wurde. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Begründung der Beschwerde. Dadurch unterscheidet sich die Beschwerde nach § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von der Revision und der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 und § 120 FGO; Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar 1988 VII B 166/87, BFH/NV 1988, 579, m.w.N.).

2. Die danach zulässige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das FG hat den Antrag auf Bewilligung der PKH zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist PKH zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Eine Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Beschluß des Senats vom 3. Dezember 1996 IV S 2/96, BFH/NV 1997, 700, m.w.N.). Bei summarischer Prüfung und Würdigung der wesentlichen Tatumstände teilt der Senat die Auffassung des FG, daß die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage wahrscheinlich keinen Erfolg haben wird. Denn die Klage hätte nur dann Erfolg, wenn die Antragstellerin die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) des mit einfachem Brief zur Post gegebenen Einspruchsbescheids entkräften könnte. Dies ist unwahrscheinlich.

Die Antragstellerin bestreitet nicht, den Bescheid erhalten zu haben. Sie macht vielmehr geltend, ihn später als innerhalb von drei Tagen nach Aufgabe zur Post erhalten zu haben. Bestreitet der Steuerpflichtige nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt, sondern behauptet er lediglich, es nicht innerhalb der Dreitagesfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 erhalten zu haben, so hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel gegen die Dreitagesvermutung zu begründen. Das FG hat den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Vorbringens des Steuerpflichtigen über den Zugang des Bescheides aufzuklären (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 1989 II R 233/85, BFHE 158, 297, BStBl II 1990, 108) und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534) gegeneinander abzuwägen.

b) Im Streitfall ist es nicht zu beanstanden, daß das FG das Vorbringen der Antragstellerin über die Art und den Zeitpunkt des Zugangs des Einspruchsbescheids vom 11. August 1997 nicht für glaubhaft und mithin für unwahrscheinlich gehalten hat, daß es der Antragstellerin im beabsichtigten Klageverfahren gelingen wird, die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 zu erschüttern. Die Antragstellerin hat vorgetragen, daß sie sich an den von ihr behaupteten verspäteten Zugang des Einspruchsbescheids am Freitag den 29. August 1997 deshalb habe erinnern können, weil ihr dies das ganze Wochenende verdorben habe. Angesichts dieser nachhaltigen Empfindung hätte es --worauf das FG zutreffend hingewiesen hat-- nahegelegen, den verspäteten Zugang der Einspruchsentscheidung in dem Telefonat mit dem Sachbearbeiter des FA zumindest aber in ihrem Klageschriftsatz zu erwähnen. Dem beschließenden Senat erscheint es auch äußerst unwahrscheinlich, daß ein Steuerpflichtiger, gleich welchen Bildungsstandes, bei Empfang einer Einspruchsentscheidung zwar die Rechtsmittelbelehrung zur Kenntnis nimmt und davon ausgeht, einen Monat Zeit für die Klageerhebung zu haben, die Einspruchsentscheidung aber nicht verwahrt und daher auch nicht vorlegen kann. Auch den Briefumschlag wird man jedenfalls dann aufbewahren, wenn einem die Einspruchsentscheidung verspätet zugegangen ist. Auf die Unterlagen pflegt man sich bei Fertigung einer Klagebegründung zu stützen. Sie legt man einem Anwalt oder Steuerberater vor, den man mit der Prozeßführung betrauen will. Die behauptete Sorglosigkeit der Antragstellerin im Umgang mit diesen Unterlagen steht nicht zuletzt in offenkundigem Gegensatz zu ihrem Bemühen, am 22. September 1997 vom FA telefonisch eine Eingangsbestätigung für ihren nur fünf Tage zuvor gestellten Aussetzungsantrag zu erlangen.

Nach alledem hat das FG die begehrte PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage zu Recht abgelehnt.

Ende der Entscheidung

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