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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.03.2003
Aktenzeichen: IV B 33/03
Rechtsgebiete: ZPO, FGO, StBerG


Vorschriften:

ZPO § 78b
FGO § 56 Abs. 2
FGO § 62a
FGO § 62a Abs. 1
FGO § 62a Abs. 2
FGO § 65 Abs. 1
FGO § 65 Abs. 2
FGO § 79b
FGO § 155
StBerG § 3 Nr. 1
StBerG § 3 Nr. 2
StBerG § 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1988 vom 16. Mai 1994 Einspruch eingelegt. Nachdem während des Rechtsbehelfsverfahrens bereits ein Änderungsbescheid ergangen und zum Gegenstand des Verfahrens geworden war, erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) am 27. Juli 1999 eine Einspruchsentscheidung, die ausweislich der Postzustellungsurkunde am folgenden Tag zugestellt wurde.

Am 15. September 1999 erhob der Kläger Klage gegen Einspruchsentscheidungen des FA "v. 07/99 bzw. 08/99". Das Finanzgericht (FG) forderte den Kläger daraufhin unter Fristsetzung zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens und zur Begründung der Klage auf. Nachdem einem Fristverlängerungsantrag stattgegeben worden war, setzte der Berichterstatter nach Eingang eines weiteren Verlängerungsantrags am 15. Dezember 1999 eine Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 1 und 2 sowie § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 30. Januar 2000 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens, des angegriffenen Verwaltungsakts und der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf sowie zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sich der Kläger beschwert fühle. In einem Fax vom 29. Januar 2000 erklärte der Kläger, die Klage vom 15. September 1999 werde für die Steuerjahrgänge 1989 bis 1993 ohne Einschränkung zurückgenommen. Für den Steuerjahrgang 1988 könne angesichts des Zugangs bisheriger Informationen nur eine vorbehaltliche Zurücknahme erklärt werden. Diesem Schreiben war eine "Chronologie Steuerfall 1999" beigefügt.

Nach Abtrennung der Verfahren 1989 bis 1993 ergänzte der Kläger sein Vorbringen und beantragte für die versäumte Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Einspruchsentscheidung sei überraschend zugestellt worden und habe über keine Rechtsbehelfsbelehrung verfügt. Die Überraschung habe einerseits darin bestanden, dass das FA von seinem Umzug Kenntnis gehabt habe. Andererseits habe eine mündliche Absprache mit dem FA bestanden, vor jeder Vorentscheidung eine konfliktvermeidende Besprechung durchzuführen. Durch Krankheit, Umzug und Schwangerschaft seiner neuen Ehefrau, sei er, der Kläger, seinerzeit besonders belastet gewesen.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2002 kündigte das FG an, im März 2002 über die Klage verhandeln zu wollen. Daraufhin antwortete die Ehefrau des Klägers, ihr Ehemann sei im Januar wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung stationär behandelt worden und bedürfe noch der Schonung. Das Gericht beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24. April 2002 an, hob diesen jedoch wieder auf, nachdem die Ehefrau des Klägers unter Hinweis auf die fortdauernde Erkrankung des Klägers und ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren über eine Eingabe beim Finanzministerium Verlegung auf einen Termin ab Oktober 2002 beantragt hatte. Das FG kündigte zugleich an, eine nochmalige Terminsverlegung sei nicht möglich. Nach Aktenlage komme eine Vertretung durch die Ehefrau in Betracht. Im September 2002 teilte der Kläger mit, das Verfahren bei dem Ministerium sei noch nicht abgeschlossen; es werde gebeten, noch nicht zu terminieren. Darauf antwortete das FG, eine Terminierung sei noch im gleichen Jahr beabsichtigt. Da über die Wahrung der Klagefrist zu befinden sei, habe das Verfahren beim Finanzministerium keine Bedeutung. Es werde Klagerücknahme angeregt. Trotz erneuter Bitte des Klägers auf Nichtterminierung beraumte das FG unter dem 25. November 2002 Termin auf den Nachmittag des 11. Dezember 2002 an.

Mit am Vormittag des 11. Dezember 2002 per Fax übermittelten Schriftsätzen lehnte der Kläger den Vorsitzenden und den Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Das Gericht eröffnete in Abwesenheit des Klägers die mündliche Verhandlung ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter und verlas die von diesen verfassten dienstlichen Äußerungen. Nach Beratung wurde die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Der Senat verkündete den Beschluss, dass die Befangenheitsanträge abgelehnt würden. Nach erneuter Unterbrechung wurde die mündliche Verhandlung sodann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter fortgesetzt. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündete der Vorsitzende nach Beratung ein klageabweisendes Urteil.

Zur Begründung heißt es in den Entscheidungsgründen, die Klage sei unzulässig, weil das Klagebegehren nicht ausreichend bezeichnet worden sei. Mit Ablauf der Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens sei für das Gericht die Möglichkeit entfallen, in der Sache selbst über die Klage zu entscheiden. Außerdem sei die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden. Der Wiedereinsetzungsantrag sei einerseits nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO gestellt worden. Andererseits lägen auch keine Wiedereinsetzungsgründe vor. Das nachträgliche Vorbringen, den Einspruchsentscheidungen sei keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen, sei nicht durch Vorlage der Originale nachgewiesen worden. Die Revision hat das FG nicht zugelassen.

Hiergegen hat der Kläger persönlich "Revisionsbeschwerde" erhoben, in der es heißt, die Beschwerde werde fristwahrend eingelegt, weil mehrere Rechtsbeistände (namentlich genannt Rechtsanwalt X und Steuerberater Y) sich subjektiv nicht in der Lage gesehen hätten, die Beschwerde einzulegen. Angesichts seines Gesundheitszustands sei er, der Kläger, bis Fristablauf nicht in der Lage gewesen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu gewinnen. Eine Bevollmächtigung werde innerhalb der Begründungsfrist nachgeholt. Nach Hinweis der Geschäftsstelle des Senats auf den Vertretungszwang vor dem Bundesfinanzhof (BFH) übersandte der Kläger eine "Gegenvorstellung als Wiedereinsetzungsantrag zur Revisionsbeschwerde" und beantragte, das Verfahren in den vorigen Stand zu versetzen und einen neuen Fristablauf zu gewähren. Die Nichtzulässigkeit einer nachgereichten Rechtsvertretung verstoße grob gegen verfassungsgemäßes Prozessrecht. Sie verstoße gegen fundamentale Prinzipien freiheitlich-demokratischer Rechtspflege, weil eine lebensbedrohende, bis heute noch nicht überwundene Erkrankung vorliege (Beweis: Abrechnung über Krankenhausaufenthalt im Januar 2002; ärztliches Attest über Verhandlungsunfähigkeit bis 30. März 2003). Das nicht rechtzeitige Erlangen einer postulationsfähigen Rechtsvertretung sei ihm, dem Kläger, nicht anzulasten. In 16 Fällen (teils namentlich genannt) sei die Übernahme des Mandats abgelehnt worden. Inzwischen habe sich Rechtsanwalt Z grundsätzlich bereit erklärt, den Fall zu übernehmen, sofern Wiedereinsetzung gewährt werde.

Mit der Beschwerde werde ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gerügt, weil den Gesuchen um Nichtterminierung nicht stattgegeben worden sei (wird ausgeführt).

Das FA hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

Der beschließende Senat versteht das Rechtsmittel als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Als solche ist das Rechtsmittel zwar statthaft. Es hat aber keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht von einer postulationsfähigen Person erhoben worden ist. Der Kläger selbst ist nicht postulationsfähig. Nach § 62a Abs. 1 FGO muss sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), also einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind nach § 62a Abs. 2 FGO auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und Nr. 3 StBerG. Der Kläger konnte deshalb nicht selbst wirksam eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, keinen Prozessvertreter gefunden zu haben. Nach seinem eigenen Vorbringen im Schriftsatz vom 19. Februar 2003 hat sich ein Rechtsanwalt zur Übernahme des Mandats bereit erklärt, sofern Wiedereinsetzung gewährt werde. Bei dieser Sachlage könnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allenfalls dann gewährt werden, wenn der Rechtsanwalt erneut eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hätte. Dies ist nicht geschehen.

2. Auch wenn die Beschwerdeschrift zusätzlich als Antrag auf Bestellung eines Notanwalts zu verstehen sein sollte, könnte der Kläger damit keinen Erfolg haben.

Zwar wäre auch ein solches Gesuch statthaft. Nach § 155 FGO i.V.m. § 78b der Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Prozessgericht einem Beteiligten auf seinen Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, der Beteiligte einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (sog. Notanwalt). Diese Regelung findet für Verfahren vor dem BFH Anwendung, soweit dort Vertretungszwang nach § 62a FGO besteht.

Das Gesuch wäre jedoch unbegründet, weil die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint. Der gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Das FG hatte keinen Anlass, von einer Terminierung abzusehen. Das prozessuale Verhalten des Klägers ließ den Schluss darauf zu, dass Prozessverschleppungsabsicht bestand. Außerdem hat der Kläger auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 11. Dezember 2002 nicht mit einem Antrag auf Verlegung des Termins reagiert, sondern sich darauf beschränkt, wenige Stunden vor dem angesetzten Verhandlungstermin Ablehnungsgesuche gegen zwei Richter anzubringen. Damit hat der Kläger auf die Rüge eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör insoweit konkludent verzichtet.

Im Übrigen ist die Entscheidung des FG auch in der Sache nicht zu beanstanden. Es hat zu Recht die Zulässigkeit der Klage aus zwei Gründen verneint. Die Klage ist verspätet erhoben worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann insoweit nicht gewährt werden, weil einerseits der Antrag verspätet gestellt worden ist und andererseits auch keine durchgreifenden Gründe für eine Wiedereinsetzung geltend gemacht worden sind. Außerdem ist die Klage unzulässig, weil das Klagebegehren nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist. Dieser Mangel kann nach fruchtlosem Ablauf der vom FG ordnungsgemäß gesetzten Ausschlussfrist auch nicht mehr behoben werden.



Ende der Entscheidung

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