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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: IV B 40/03
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 6
FGO § 107
FGO § 107 Abs. 1
FGO § 135 Abs. 2
AO 1977 § 129
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte gegen die X-GbR Gewerbesteuermessbescheide 1983 und 1984 erlassen. Hiergegen erhob die GbR schließlich Klage beim Finanzgericht (FG), das die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolger der GbR als Kläger ansah. Nach mündlicher Verhandlung erließ das FG durch den nach § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestellten Einzelrichter ein klageabweisendes Urteil. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde das Urteil mit dem Kostentenor verkündet: "Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt." In der schriftlichen Fassung des Urteils lautete der Kostentenor demgegenüber, die Kosten würden "dem Kläger" auferlegt.

Im Rahmen einer Erinnerung gegen die Kostenrechnung machten die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend, sie könnten nicht in Anspruch genommen werden, da der Tenor sich auf "den Kläger", also die GbR beziehe.

Daraufhin erließ das FG durch den Einzelrichter den Beschluss, Nr. 2 des Urteilstenors in der schriftlichen Urteilsfassung werde dahin gehend berichtigt, dass die Wörter "dem Kläger" durch die Wörter "den Klägern" ersetzt werden. Zur Begründung bezog sich das FG auf § 107 Abs. 1 FGO. Es handele sich um ein offensichtliches Versehen. Aus der Sitzungsniederschrift ergebe sich, dass die Kosten "den Klägern" auferlegt worden seien. Dies stimme auch mit dem Rubrum des Urteils überein, in dem die Kläger aufgeführt seien. Für eine Kostenentscheidung zu Lasten der nicht mehr existierenden GbR gebe es keine Anhaltspunkte. Außerdem hätten die Kosten dann "der Klägerin" auferlegt werden müssen. Hinzu komme, dass die Klage wegen der Rechtskraft eines früheren Urteils unzulässig sei. In jenem Urteil seien die Kosten auch den Klägern auferlegt worden.

Mit der dagegen erhobenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, tragen die Kläger vor, die Berichtigung sei unzulässig, weil das gesamte Verfahren ausschließlich durch die GbR geführt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei die GbR aktiv und passiv parteifähig. Außerdem habe sich der angefochtene Bescheid ausschließlich gegen die GbR gerichtet.

Die Kläger beantragen, den Beschluss vom 17. Januar 2003 aufzuheben.

Das FA hat sich zu dem Verfahren nicht geäußert.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. "Ähnliche" offenbare Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar im Widerspruch stehen; sie sind "offenbar", wenn sie auf der Hand liegen, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig sind (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834; vom 17. März 2000 IX B 111/99, BFH/NV 2000, 1127; vom 20. März 2002 IV B 140/00, BFH/NV 2002, 1306). Eine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 Abs. 1 FGO liegt daher nur vor, wenn es sich um ein Versehen handelt, durch das es, wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler, dazu kommt, dass das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt (BFH-Beschlüsse vom 6. Juli 1972 VIII B 11/68, BFHE 107, 4, BStBl II 1972, 954; vom 21. Januar 1998 III B 65/96, BFH/NV 1998, 980). Wie bei dem vergleichbaren § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) schließt die ernstliche Möglichkeit eines Fehlers in der Sachverhaltsermittlung, Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung die Berichtigung nach § 107 FGO aus (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 107 Rz. 4, m.w.N.).

2. Danach hat das FG zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 107 Abs. 1 FGO vorliegen.

a) Die schriftliche Urteilsfassung war fehlerhaft. Welchen Inhalt die Kostenentscheidung haben sollte, kommt in dem verkündeten Kostentenor zum Ausdruck. Dass das Urteil mit dem dortigen Inhalt verkündet worden ist, folgt aus der Wiedergabe in der Sitzungsniederschrift, die als öffentliche Urkunde vollen Beweis für die Richtigkeit ihres Inhalts erbringt (vgl. § 418 der Zivilprozessordnung). Demgemäß enthielt die schriftliche Urteilsfassung einen fehlerhaften Kostentenor.

Darauf, ob das FG die Gesellschafter der GbR zu Recht als Kläger behandelt hat, kommt es im Verfahren über den Berichtigungsbeschluss nicht an.

b) Der Fehler in der schriftlichen Urteilsfassung war offenbar. Jeder Beteiligte konnte die Abweichung von der in der Sitzungsniederschrift wiedergegebenen Fassung des Tenors erkennen.

c) Ursache des Fehlers kann nur ein mechanisches Versehen gewesen sein. Dafür, dass die Abweichung von verkündeter und schriftlicher Urteilsfassung auf rechtlichen Überlegungen des Gerichts beruhen könnte, gibt es keine Hinweise. Mit der Verkündung des Urteils war die Fassung des Tenors bindend und musste in die schriftliche Fassung übernommen werden. Im Übrigen entsprach der verkündete Tenor auch der im Rubrum zum Ausdruck gebrachten Behandlung der Gesellschafter als Kläger.

3. Die Berichtigung ist zutreffend vom Einzelrichter vorgenommen worden. Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gemäß § 6 FGO umfasst den gesamten Rechtsstreit. Dazu gehören auch unselbständige Nebenverfahren, wie etwa die Berichtigung des Urteils gemäß § 107 FGO (BFH-Beschluss vom 21. August 2003 XI B 239/02, BFH/NV 2004, 67; Gräber/Koch, a.a.O., § 6 Rz. 19). Der Einzelrichter war daher zur Entscheidung über die Urteilsberichtigung berechtigt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Anders als für das zur jeweiligen Instanz gehörende Berichtigungsverfahren selbst besteht für das Beschwerdeverfahren keine Kostenfreiheit (BFH-Beschlüsse vom 24. November 1993 IV B 35/93, BFH/NV 1994, 730; vom 26. Juli 1999 V B 71/99, BFH/NV 2000, 66).

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