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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: IV B 53/07
Rechtsgebiete: FGO, AO, GewStG, EStG


Vorschriften:

FGO § 73 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 121
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 35b Abs. 1
EStG § 4 Abs. 4a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IV B 53/07 IV B 54/07

Gründe:

Die Beschwerden, die der Senat gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 121 FGO analog zur gemeinsamen Entscheidung verbindet, sind unzulässig und deshalb zu verwerfen. Sie genügen nicht den Anforderungen an die Darlegung eines der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Dem Vorbringen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) kann allenfalls die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssachen entnommen werden.

Wird eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so setzt die Darlegung des Zulassungsgrundes schlüssige Ausführungen dazu voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf der Beantwortung einer Rechtsfrage beruht, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, die klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Dazu ist eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren. Deren Bedeutung für die Allgemeinheit muss substantiiert und konkret dargetan werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. aus jüngerer Zeit Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juni 2005 IV B 28/05, BFH/NV 2005, 2008, m.w.N.).

Diesen Anforderungen entsprechen die Beschwerden nicht. Die Klägerin hat keine hinreichend konkretisierte, abstrakte und allgemein bedeutsame Rechtsfrage, deren Beantwortung für die Entscheidung des Streitfalles rechtserheblich sein könnte, herausgearbeitet.

a) Das Finanzgericht (FG) hat die Auffassung vertreten, der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sei gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) berechtigt gewesen, die angefochtenen Änderungsbescheide über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung für die Streitjahre (1999 bis 2001) zu erlassen. Infolgedessen habe das FA auch die Gewerbesteuermessbescheide für 1999 und 2001 gemäß § 35b Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ändern dürfen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH hat das FG ausgeführt, die Änderung der Feststellungsbescheide sei insbesondere nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Zwar habe das FA seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Aber auch die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht hinreichend nachgekommen, weil sie absichtlich geschätzte Beträge bei den nach § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbaren Schuldzinsen angegeben habe, ohne diese Schätzung offen zu legen. Von einem deutlichen Überwiegen der Pflichtverletzung des FA könne nicht ausgegangen werden.

b) Durch die Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, unter welchen Voraussetzungen das FA gehindert ist, eine Steuerfestsetzung bzw. eine gesonderte Feststellung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglich bekannt gewordener steuererhöhender Umstände zu ändern.

Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Eine verbösernde Änderung der Steuerfestsetzung bzw. gesonderten Feststellung scheidet jedoch aus, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben sind. Eine solche Verletzung der Ermittlungspflicht liegt nur vor, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach der Sachlage aufdrängen mussten, nicht nachgeht. Ob derartige Zweifel anzunehmen sind, hat das FG jeweils unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu entscheiden; dabei kann sich der Steuerpflichtige auf eine Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht nicht berufen, wenn er selbst seine Mitwirkungspflicht nicht in zumutbarem Umfang erfüllt hat (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911; BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 2003 IX B 221/02, BFH/NV 2003, 1029, und vom 28. April 2006 VI B 131/05, BFH/NV 2006, 1445).

Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft nach ständiger Rechtsprechung des BFH in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293, und vom 17. Dezember 1997 III R 39/93, BFH/NV 1998, 812, 813). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verstoß des FA gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II.2.c aa der Gründe a.E., m.w.N.).

c) Die angefochtenen Entscheidungen des FG beruhen auf dieser Rechtsprechung; die Beschwerdebegründungen lassen keine Rechtsfragen erkennen, die durch die vorbezeichnete Rechtsprechung noch nicht geklärt sind.

2. Mit der von der Klägerin herausgestellten Frage, "ob zu dem Zeitpunkt, zu dem die Steuererklärungen den Finanzbehörden eingereicht wurden, überhaupt jemand in der Lage gewesen wäre, mit dem damaligen Kenntnisstand dieser Vorschrift (§ 4 Abs. 4a EStG) ... Herr zu werden und die steuerlich relevanten Sachverhalte im Zusammenhang mit dieser Rechtsnorm richtig, vollständig und deutlich darzustellen", wird keine im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftige und in einem zukünftigen Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage aufgeworfen. Vielmehr beanstandet die Klägerin letztlich die von der Vorinstanz vorgenommene Einzelfallwürdigung, indem sie die vom FG bejahte Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht in Abrede stellt. Die Rüge, die Vorentscheidung sei rechtswidrig, eröffnet nach ständiger Rechtsprechung des BFH aber nicht die Revision, wenn --wie im Streitfall-- eine willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Beurteilung nicht ersichtlich ist (vgl. aus neuerer Zeit z.B. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2007 IV B 121/06, BFH/NV 2007, 2241, unter 2.a. der Gründe, m.w.N.). Zudem ist die Würdigung des FG, die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht durch die Angabe lediglich geschätzter Beträge der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht hinreichend nachgekommen, von Rechts wegen im vorliegenden Fall auch nicht zu beanstanden.

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