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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.05.1999
Aktenzeichen: IV B 60/98
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, ZPO


Vorschriften:

AO 1977 § 173
FGO § 51 Abs. 1
FGO § 92
FGO § 93 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 44 Abs. 2
ZPO § 294 Abs. 1
ZPO § 294 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Beteiligten stritten im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) um zwei Fragen. Zum einen ging es darum, ob die Umstände des Streitfalles den Schluß zulassen, daß die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in den Streitjahren (1989 bis 1991) trotz Abschluß eines Vertrages über die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nicht als Mitunternehmer anzusehen waren. Zum anderen war streitig, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berechtigt war, die die "X-GbR" betreffenden Bescheide nach § 173 der Abgabenordnung (AO 1977) aufzuheben, weil die gegen die Mitunternehmerschaft sprechenden Umstände erst nachträglich bekannt geworden waren.

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG trug zunächst der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor. Sodann äußerte sich der Prozeßbevollmächtigte der Kläger zum Sachverhalt. Nach seiner Darstellung hatte er lediglich drei der acht im Vortrag des Berichterstatters seiner Meinung nach unrichtig wiedergegebenen Punkte zur Sprache gebracht, als der Vorsitzende ankündigte, nunmehr in das Rechtsgespräch eintreten zu wollen. Zunächst erörterte der Vorsitzende Fragen über das Bestehen einer Mitunternehmerschaft. Etwa eine Stunde nach Sitzungsbeginn unterbrach der Vorsitzende den Prozeßbevollmächtigten. Nach Darstellung im angefochtenen Beschluß war Grund hierfür die nicht bestrittene Äußerung des Prozeßbevollmächtigten, den Berufsrichtern fehle es offenbar an kaufmännischem Verständnis, so daß er sich nunmehr an die ehrenamtlichen Richter wenden werde. Der Vorsitzende erklärte, der Senat trete nunmehr in die Erörterung der Voraussetzungen des § 173 AO 1977 ein. Daraufhin wandte der Prozeßbevollmächtigte ein, er habe zur ersten Frage noch weitere Ausführungen zu machen und rügte die Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Vorsitzende entgegnete sinngemäß: "Ja, dann aber bitte kurz".

Der Prozeßbevollmächtigte lehnte sodann den Vorsitzenden als befangen ab. Das FG unterbrach die Sitzung. Es hörte die vom Vorsitzenden mündlich abgegebene dienstliche Äußerung und lehnte anschließend ohne dessen Mitwirkung den Befangenheitsantrag ab.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Vermerk über die dienstliche Äußerung des Senatsvorsitzenden des FG ist den Beteiligten auf Veranlassung des Berichterstatters des beschließenden Senats zur Kenntnis gegeben worden.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden wird.

Daß im Streitfall die Kläger davon ausgehen konnten, der Senatsvorsitzende des FG werde nicht unvoreingenommen entscheiden, ist zumindest nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 44 Abs. 2 ZPO ist das Ablehnungsgesuch glaubhaft zu machen. Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen (§ 294 Abs. 1 ZPO), wobei allerdings im Falle des Ablehnungsgesuchs die eidesstattliche Versicherung der Partei ausgenommen ist (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft (§ 294 Abs. 2 ZPO). Deshalb entfällt insbesondere die vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger angestrebte Möglichkeit, die ehrenamtlichen Richter und die Terminsvertreterin des FA als Zeugen zu hören. Der Senat kann sich seine Überzeugung nur aus den ihm vorliegenden Unterlagen bilden.

Diese Unterlagen einschließlich der dienstlichen Äußerung lassen eine Befangenheit des Senatsvorsitzenden des FG nicht erkennen. Erkennbar ist lediglich, daß der Vorsitzende bemüht war, den Ablauf der Sitzung zu straffen und gezielte Fragen zu den aus seiner Sicht maßgeblichen Umständen zu stellen. Erkennbar ist auch, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit dieser Verhandlungsführung nicht einverstanden war. Das genügt indessen nicht, um Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu begründen.

Nach § 92 FGO leitet der Vorsitzende die mündliche Verhandlung. Nach § 93 Abs. 1 FGO hat er die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern. Dazu gehört, daß er auf die rechtliche Sicht der Berufsrichter hinweist und Fragen stellt, die unter diesem Aspekt bedeutsam sind. Das liegt auch im Interesse der Beteiligten (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 51 FGO Tz. 28).

Bei derartigen Erörterungen ist es denkbar, daß die Grenze zur Befangenheit überschritten wird, wenn beispielsweise der Richter seine Meinung in einer Weise darstellt, daß der Eindruck entsteht, er werde sich von ihr keinesfalls mehr abbringen lassen. Nach Aktenlage ist jedoch nicht erkennbar, daß der Senatsvorsitzende des FG diese Grenze überschritten hat. Das gilt auch dann, wenn man den Klägervortrag als richtig unterstellt, der Vorsitzende habe sinngemäß geäußert: "Wir wissen besser als Sie, was für die Beurteilung der Angelegenheit von Bedeutung ist" und "Zu einer rechtlichen Beurteilung des Rückgewähranspruchs (im Zusammenhang mit dem Verkauf des beweglichen Anlagevermögens aus dem Gesamthandsvermögen der GbR ...) sind wir eher als Sie in der Lage". Eine derartige Äußerung enthält naheliegenderweise lediglich den Hinweis darauf, daß letztlich die Sicht des Gerichts den Ausschlag über den Ausgang des Rechtsstreits geben werde und daß es daher sinnvoll sei, die von den Berufsrichtern für wesentlich gehaltenen Fragen zu beantworten. Solange der Wortlaut der Äußerung und der Zusammenhang, in dem sie gefallen ist, nicht bekannt ist, kann ihr nicht entnommen werden, daß sie von den Beteiligten dahingehend verstanden werden mußte, die Berufsrichter würden sich anderen Argumenten gegenüber verschließen.

Der Vorsitzende hat seine Befangenheit auch nicht dadurch gezeigt, daß er dem Klägervertreter das Wort abgeschnitten hätte. Die Kläger räumen selbst ein, daß der Vorsitzende ihrem Prozeßbevollmächtigten die Möglichkeit eingeräumt hat, sein Begehren vorzutragen. Dafür, daß er dies in einer Weise getan hätte, die durch Wortwahl oder Körpersprache verriet, daß sein diesbezügliches Anerbieten nicht ernst gemeint sei, läßt sich den Akten nichts entnehmen. Die von den Klägern für erforderlich gehaltene Zeugenvernehmung ist, wie eingangs erwähnt, nicht statthaft. Es spricht auch nicht für die Befangenheit des Vorsitzenden, daß er dem Prozeßbevollmächtigten Gelegenheit zu weiteren (nicht durch Fragen des Gerichts veranlaßten) Äußerungen erst gab, nachdem sich der Prozeßbevollmächtigte über mangelndes rechtliches Gehör beschwert hatte. Denn es ist durchaus möglich und naheliegend, daß dem Vorsitzenden erst in diesem Moment bewußt wurde, daß der Klägervertreter das Recht der Kläger auf Gehör als verletzt ansah.

Ende der Entscheidung

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