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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.11.1999
Aktenzeichen: IV B 63/99
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 132
FGO § 51 Abs. 1
FGO § 79 Abs. 1 Nr. 5
FGO § 80 Abs. 1
ZPO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

In seiner Klageschrift vom 28. Juli 1998 betr. die Prüfungsanordnung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) rügte der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) unter anderem, dass seinem Antrag vom 6. Juli 1998 auf umfassende Akteneinsicht noch nicht entsprochen worden sei. Mit Schriftsatz vom 9. September 1998 erstreckte er die Klage auch auf die inzwischen ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. August 1998, wiederholte seinen Antrag auf Akteneinsicht und stellte eine Klageerweiterung in Aussicht. Die damalige Berichterstatterin forderte die Steuerakten am 8. Oktober 1998 an. Nach deren Eingang verfügte sie am 21. Oktober 1998, dass der Kläger sie in der Geschäftsstelle einsehen könne. Am 18. Dezember 1998 bat sie den Kläger um abschließende Stellungnahme binnen vier Wochen. Der Kläger äußerte sich mit dem Schriftsatz vom 17. Januar 1999 umfassend zur Sache.

Der Vorsitzende des inzwischen zuständig gewordenen ... Senats des Finanzgerichts (FG) und Berichterstatter, V, beraumte für den 22. Februar 1999 einen Erörterungstermin an. Das persönliche Erscheinen des Klägers wurde angeordnet. Die Ladung wurde dem Kläger am 6. Februar 1999 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 1999 --eingegangen am 12. Februar 1999-- teilte der Kläger mit, dass er eine Stellungnahme zu den Ausführungen des FA im Schriftsatz vom 1. Februar 1999 für notwendig erachte, er sich aber als "Laie" erst in die Komplexe einarbeiten müsse. Deshalb sei es ihm unmöglich, binnen zwei Wochen auf den letzten Schriftsatz des FA zu reagieren. Zugleich begehrte er Einsicht in die "nur für Gericht" beigefügten Anlagen, die das FA ihm offensichtlich vorenthalten wolle, in die ggf. beizuziehende Akte III 169/96 sowie einzelne Fundstellen, auf die sich das FA in seinen Schriftsätzen bezogen habe. Da nicht absehbar sei, ob er rechtzeitig die erforderliche Einsicht nehmen und die Stellungnahme abgeben könne, regte er eine Terminsaufhebung an. Er erhielt darauf die Mitteilung, dass er die Steuerakten in der Geschäftsstelle einsehen könne und eine schriftliche Äußerung vor dem angebraumten Termin nicht erforderlich sei.

Mit dem am 22. Februar 1999, 6.05 Uhr, abgesandten Telefax teilte der Kläger mit, dass er den anberaumten Termin wegen einer fieberhaften Gesundheitsstörung nicht wahrnehmen könne. In der Niederschrift über den Erörterungstermin heißt es: "Dem Beklagten wird Kopie des Faxes vom 22. 02. 1999 ausgehändigt, in dem der Kläger mitteilt, dass er aufgrund einer fieberhaften Gesundheitsstörung den anberaumten Termin nicht wahrnehmen kann. Der Vorsitzende weist darauf hin, dass er vor dem Termin mit dem Kläger telefoniert und um Vorlage eines ärztlichen Attestes gebeten hat. Davon soll abhängig gemacht werden, ob gegen den Kläger ein Ordnungsgeld ausgesprochen wird oder nicht.

Der Vertreter des Beklagten erklärt: Im Hinblick auf das zögerliche Taktieren des Klägers erkläre ich mich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden."

Der Kläger übersandte ein ärztliches Attest vom 23. Februar 1999. Darin wird bestätigt, dass er seit dem 22. Februar 1999 arbeitsunfähig sei.

V, dem der Rechtsstreit als Einzelrichter übertragen worden war, beraumte für den 22. März 1999 Termin zur mündlichen Verhandlung an.

Der Kläger lehnte darauf V als befangen ab. Dieser habe ihm im Rahmen des Telefongesprächs am 22. Februar 1999 unterstellt, "er verzögere absichtlich den Verfahrensablauf, indem er den anberautem Termin nicht wahrnehme, im übrigen ergebe sich das zögerliche Taktieren aus der Aktenlage". Weiter habe er ein Ordnungsgeld angedroht und dies von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig gemacht. Diese Behauptungen und Unterstellungen seien sachlich unhaltbar. Die Aussage des Vertreters des FA lasse eine "unzulässige Absprache zur tendenziösen Darstellung des vorbezeichneten Sachverhalts" vermuten. Auf das eingereichte Attest habe V nicht reagiert, sondern zur mündlichen Verhandlung geladen und dabei unterschwellig ihm erneut eine Verzögerungstaktik (Hinweis auf Verzögerungsgebühr) unterstellt. Nach alledem bestünden Zweifel, inwieweit V in diesem Verfahren unvoreingenommen, unparteiisch und objektiv tätig werden könne.

In seiner dienstlichen Äußerung vom 15. März 1999 (Bl. 80 FG-Akte) wies V darauf hin, dass er den Kläger am 22. Februar 1999 um Vorlage eines ärztlichen Attestes gebeten habe. Er habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass bei unentschuldigtem Fernbleiben die Möglichkeit bestünde, ein Ordnungsgeld festzusetzen. Sinngemäß habe er sich dahin geäußert, dass die angebliche Verhinderung nach dem bisherigen Gang des Verfahrens nicht überrasche. Deshalb sei die Vorlage des ärztlichen Attestes umgehend erforderlich. Aus seiner Sicht sei es erforderlich gewesen, den wesentlichen Inhalt des Telefonats im Erörterungstermin darzustellen.

Das FG wies das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurück. Die vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Abgelehnten zu rechtfertigen. Die Besorgnis der Befangenheit sei nicht gerechtfertigt, wenn ein Richter von der ihm nach der Verfahrensordnung zustehenden Befugnis in einem dem Gesetzeszweck entsprechenden Maße Gebrauch mache (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Juli 1996 VIII B 22/96, BFH/NV 1997, 126). Das habe V mit seiner Aufforderung getan, die krankheitsbedingte Verhinderung des Klägers durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft zu machen. Das persönliche Erscheinen des Klägers sei angeordnet und die Verhängung eines Ordnungsgeldes angedroht gewesen. Es sei deshalb kein Zeichen von Voreingenommenheit, wenn diese Konsequenzen deutlich gemacht würden.

Auch die Äußerung, die Verhinderung des Klägers überrasche nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht, begründe den Vorwurf der Befangenheit nicht. Selbst wenn die Annahme unzutreffend gewesen wäre und der Kläger sie als kränkend empfunden haben könnte, müsse einerseits hinzukommen, dass der von V gezogene Schluss auf unsachlichen Erwägungen oder einer unsachlichen Einstellung gegenüber dem Kläger beruhe (BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112; vom 24. November 1994 X B 146-149/94, BFH/NV 1995, 692), und andererseits, dass der Kläger zu diesen Erwägungen keinen Anlass gegeben habe. Anhaltspunkte für sachfremde Erwägungen oder eine voreingenommene Einstellung seien nicht ersichtlich. Angesichts der wiederholten Angebote an den Kläger, er könne die Akten einsehen, könne sich der Eindruck aufdrängen, der Kläger sei an einer zügigen Durchführung des Verfahrens nicht interessiert. Wenn dieser dann vortrage, er müsse sich in diese --seine Sphäre betreffenden-- Komplexe erst einarbeiten, könne sich diese Einschätzung erhärten. Wenn dann wenige Stunden vor dem Termin "eine fieberhafte Erkrankung" vorgetragen werde, sei ein Misstrauen jedenfalls nachvollziehbar. Zudem habe der Kläger selbst durch sein Verhalten Anlass zu kritischen Fragen und Bemerkungen gegeben. Inhaltlich sei der Vorhalt der Verfahrensverzögerung nicht verletzend oder herabsetzend, der zum Ausdruck kommende Unmut überschreite nicht das Maß dessen, was ein Beteiligter in einer derartigen Situation hinnehmen müsse (vgl. Oberlandesgericht --OLG-- Hamburg, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1992, 2036).

Die Vermutung, zwischen V und dem Vertreter des FA sei es zu unzulässigen Absprachen gekommen, entbehre nach der dienstlichen Äußerung jeder Grundlage.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde. Er macht u.a. geltend, er habe die Akten in der Geschäftsstelle eingesehen. Aus der dienstlichen Äußerung von V ergäben sich folgende wesentliche Umstände: 1. Der Kläger habe sich abschließend am 17. Januar 1999 geäußert, ohne zuvor die Akten eingesehen zu haben. 2. V habe es für erforderlich gehalten, den wesentlichen Inhalt des Telefonats im Erörterungstermin darzustellen. 3. Am 22. Februar 1999 habe der Kläger in der Geschäftsstelle angerufen und mitgeteilt, er sei auch telefonisch zu erreichen. Zwar sei es möglich, dass ein Richter einen Beteiligten über die Konsequenzen eines unentschuldigten Fernbleibens belehre. V sei aber über den insoweit sachlich gerechtfertigten Rahmen weit hinausgegangen. Die Äußerung, dass die "angebliche" Verhinderung nicht überrasche, bedeute den Vorwurf, der Kläger habe die Unwahrheit gesagt. Für eine solche negative charakterliche Beurteilung gebe es keinen Anlass. Die Einschätzung beruhe auf einer sachfremden Erwägung.

Der Kläger habe durch sein Telefax und die Mitteilung, er sei telefonisch erreichbar, sein Interesse an einem geordneten Verfahren gezeigt. Auch der Vorwurf der Prozessverzögerung sei nicht gerechtfertigt. Der Wunsch des Klägers nach Einsicht in die Anlagen zum Schriftsatz des FA vom 1. Februar 1999 sei verständlich und für eine ordentliche Prozessvorbereitung erforderlich. Es sei auch erkennbar gewesen, dass es dem Kläger nur um diese nachträglich vom FA vorgelegten Anlagen gegangen sei.

Die Voreingenommenheit zeige sich darin, das V die sachlich nicht gerechtfertigten Vorwürfe im Erörterungstermin wiederholt habe.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist nicht begründet; das FG hat den Ablehnungsantrag zu Recht zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Ein Richter kann von den Beteiligten als befangen abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Gründe für ein derartiges Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden wird. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (BFH-Beschluss vom 27. Mai 1997 VII B 253/96, BFH/NV 1997, 872). Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Beteiligte bei Anlegung des angeführten objektiven Maßstabes von seinem Standpunkt aus Anlass hat, eine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zu befürchten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, und vom 11. Januar 1995 IV B 104/93, BFH/NV 1995, 629). Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters bilden --selbst wenn sie vorliegen-- grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (BFH-Beschlüsse vom 22. Juni 1998 VI B 228/97, BFH/NV 1999, 58, und vom 25. März 1999 IV B 82/98, BFH/NV 1999, 1466, m.w.N.). Anders verhält es sich, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. März 1997 XI B 190/96, BFH/NV 1997, 780, und in BFH/NV 1995, 629).

2. Bei vernünftiger objektiver Betrachtung rechtfertigen die vom Kläger vorgebrachten Gründe nicht die Besorgnis, der Vorsitzende Richter V werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Allerdings hat dieser eine Äußerung dahingehend eingeräumt, dass ihn nach dem bisherigen Gang des Verfahrens "die angebliche Verhinderung des Klägers nicht überrasche". Selbst wenn man mit dem Wort "angeblich" eine negative Charakterisierung der angegebenen Verhinderung und damit auch des Verhaltens des Klägers verbinden will, so rechtfertigt diese Äußerung von V doch keine Besorgnis der Befangenheit. Die Formulierung "angebliche Verhinderung" lässt objektiv nicht erkennen, V habe sich bereits eine abschließende Meinung über einen anderen als den behaupteten Grund der Verhinderung des Klägers am Erscheinen im anberaumten Erörterungstermin gebildet. Diese Äußerung ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass V das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet (§ 79 Abs. 1 Nr. 5 FGO) und für den Fall des unentschuldigten Fernbleibens ein Ordnungsgeld angedroht (§ 80 Abs. 1 FGO) hatte. V hatte daher auch über die Festsetzung des Ordnungsgeldes --und damit über die Frage eines unentschuldigten Fernbleibens-- zu befinden. Diese Entscheidung und damit die endgültige Würdigung des Verhaltens hatte V jedoch noch nicht vorgenommen, sondern ausdrücklich von der umgehenden Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig gemacht.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine besonders freimütige Ausdrucksweise nicht Anlass für eine objektiv begründete Besorgnis der Befangenheit sein muss; etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sich der Richter dabei einer evident unsachlichen, unangemessenen oder beleidigenden Sprache bedient hat (BFH-Beschluss vom 8. Dezember 1998 VII B 227/98, BFH/NV 1999, 661, m.w.N.). Da ein Richter gezwungen ist, sich bereits vor Abschluss des Verfahrens eine vorläufige Meinung über die Sach- und Rechtslage zu bilden und diese vorläufige Ansicht --bezogen auf den Stand des Verfahrens-- häufig auch schon kundzutun, ist grundsätzlich selbst die mögliche Fehlerhaftigkeit einer Äußerung kein Grund zur Besorgnis der Befangenheit. Das Ablehnungsverfahren darf nämlich nicht dazu dienen, die Beteiligten gegen tatsächlich unrichtige --materiell- oder verfahrensrechtliche-- Rechtsauffassungen des Richters zu schützen (BFH-Beschluss vom 24. März 1997 IX B 93/96, BFH/NV 1997, 687, m.w.N.). Vielmehr ist eine Besorgnis der Befangenheit erst begründet, wenn die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 687, m.w.N.).

Der erkennende Senat hat den Verdacht einer unsachlichen Einstellung bei Verfahrensverstößen bejaht, die in der Verfassung wurzelnde elementare Regeln zum Schutz der Grundrechte, insbesondere das Persönlichkeitsrecht, verletzen, bei der Häufung von Verfahrensfehlern oder bei solchen "Missgriffen", die das Vertrauensverhältnis zu den Beteiligten zerstören (Beschluss in BFH/NV 1995, 629; s. auch BFH-Beschlüsse vom 27. September 1994 VIII B 64-76/94, BFH/NV 1995, 526, und vom 29. Oktober 1993 XI B 95/92, BFH/NV 1994, 565). Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Der Kläger hatte nämlich selbst im Schriftsatz vom 9. Feburar 1999 bereits angekündigt, dass ihm abschließende Erklärungen unmöglich wären, wenn ihm die Akteneinsicht erst im Termin gewährt würde. Da der Rechtsstreit in dem anberaumten Termin nur erörtert und nicht abschließend entschieden werden sollte, hätte der Kläger die ihm nach seinen Angaben vom FA vorenthaltene Anlage, nämlich seinen eigenen Schriftsatz vom 25. Juni 1996, noch im Erörterungstermin einsehen können, ohne einen besonderen Nachteil fürchten zu müssen. V konnte zudem aufgrund der Aktenlage davon ausgehen, dass der Kläger --bereits mit Verfügung vom 18. Dezember 1998 zu einer abschließenden Stellungnahme aufgefordert-- wiederholt auf die Möglichkeit zur Akteneinsicht in der Geschäftsstelle hingewiesen worden war. Nachdem der Kläger angeregt hatte, den Erörterungstermin wegen fehlender Einsicht in die ihm --nach seinen Angaben offensichtlich vom FA-- vorenthaltenen Unterlagen aufzuheben, hatte V ihn nochmals auf die Möglichkeit der Akteneinsicht in der Geschäftsstelle aufmerksam gemacht. Er konnte daher erwarten, dass der Kläger diese Möglichkeit jedenfalls jetzt wahrnehmen würde. Nach Aktenlage hatte der Kläger dies jedoch unterlassen. Erfahrungsgemäß gehen in solchen Fällen häufig unmittelbar vor dem anberaumten Termin Vertagungsanträge ein, die mit einer plötzlichen Erkrankung begründet werden.

Dass die Äußerungen von V am Telefon barsch, unhöflich, absurd oder ähnlich unangemessen im Ton gewesen wären (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Januar 1997 I B 79/96, BFH/NV 1997, 671), behauptet der Kläger nicht. Die Besorgnis der Befangenheit ist aber objektiv jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn das Gericht in einer angemessenen Weise auf das Verhalten eines Prozessbeteiligten reagiert. Da der Kläger selbst mitgeteilt hatte, dass er trotz der von ihm als Grund für seine Verhinderung angegebenen fieberhaften Gesundheitsstörung telefonisch erreichbar sei, war es durchaus vertretbar, dass V von dieser Möglichkeit Gebrauch machte und den Kläger aufforderte, den Grund für die angegebene Verhinderung durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft zu machen. Dass er mit der Verwendung des Begriffs "angeblich" offen ließ, ob er die Angaben des Klägers für glaubhaft hielt, ist angesichts der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 1998 III B 32/84, BFH/NV 1985, 43).

Ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit ist auch nicht darin zu erblicken, dass V den Vertreter des FA über den wesentlichen Inhalt des Telefonats mit dem Kläger unterrichtete. Das war vielmehr sogar seine Pflicht (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Mai 1989 IX B 238/88, BFH/NV 1990, 240).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger mit der Beschwerde vorbringt, er habe nach der Mitteilung des FG vom 21. Oktober 1998, die Akten könnten in der Geschäftsstelle eingesehen werden, diese Einsicht tatsächlich am vorgesehenen Tag genommen. Aus den Akten ist weder ersichtlich, dass dies geschehen ist, noch gibt der Kläger detailliert an, wann dies geschehen sein soll. Es lässt sich daher auch nicht feststellen, dass V den Sachverhalt in seiner dienstlichen Äußerung vom 15. März 1999 aufgrund einer Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger unrichtig dargestellt hätte, wenn er dort wiedergibt, dass dessen Stellungnahme vom 17. Januar 1999 --ohne vorherige Einsicht in die Akten-- erfolgt sei.

Ende der Entscheidung

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