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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.03.2001
Aktenzeichen: IV B 96/00
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 22 Nr. 1 Satz 1
EStG § 22 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war zusammen mit ihrem Bruder (dem Beigeladenen des Verfahrens des Finanzgerichts --FG--) an einer Besitz-GbR beteiligt. Dritter Gesellschafter der GbR war der verstorbene Vater der Geschwister gewesen. Dieser Anteil gehörte den Geschwistern in ungeteilter Erbengemeinschaft.

Mit notariellem Vertrag vom 5. Februar 1992 übertrug der Bruder seine Anteile an der GbR und an der Erbengemeinschaft auf die Klägerin. Als Gegenleistung erhielt er eine Barzahlung von 90 000 DM und den hälftigen Anteil der Klägerin an einem den Geschwistern bis dahin gemeinsam gehörenden Grundstück.

Mit einem weiteren notariellen Vertrag gleichen Datums verzichtete die Klägerin gegenüber der gemeinsamen Mutter auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht unter Beibehaltung ihres gesetzlichen Erbrechts.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ zunächst einen Gewinnfeststellungsbescheid, in dem erklärungsgemäß der Pflichtteilsverzicht mit 400 000 DM als Teil der Gegenleistung für die Anteilsveräußerung erfasst war. Auf den Einspruch des Bruders hin änderte das FA seine Auffassung und ließ den Pflichtteilsverzicht außer Ansatz.

Einspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig.

Die Gründe, auf die eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässigerweise gestützt werden kann, ergeben sich im Streitfall noch aus der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Das Urteil des FG ist am 17. Juli 2000 zugestellt worden.

1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in zulässiger Weise dargelegt.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Zu ihrer Darlegung sind Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. November 1989 VII S 10/89, BFH/NV 1990, 585, 586; ständige Rechtsprechung; aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 25. Mai 1999 V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497).

Das FG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) nicht als entgeltliches Geschäft angesehen werden kann und deshalb auch als Gegenleistung nicht in Betracht kommt. Das FG hat sich für seine Auffassung zutreffend auf das BFH-Urteil vom 7. April 1992 VIII R 59/89 (BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809) berufen. In diesem Urteil hat der VIII. Senat des BFH Rentenzahlungen, die als Abfindung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht geleistet wurden, nicht als entgeltliche Veräußerungsrente, sondern als Versorgungsrente und mithin beim Empfänger als regelmäßig wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesehen. Er hat ausdrücklich festgestellt, dass weder der künftige Erb- noch der Pflichtteil eine Vermögensposition darstellten, die für eine Wertverrechnung in Betracht komme (unter 1. a bb bbb und ccc). Ging es in jenem Fall um die Wertverrechnung mit der vom Verzichtenden bezogenen Zeitrente (Kapitalanteil der Rente), so geht es im Streitfall um die Wertverrechnung mit den von der Klägerin erworbenen Anteilen (Erhöhung der Anschaffungskosten). Der einzige wesentliche Unterschied besteht darin, dass im Streitfall nach der Vorstellung der Klägerin der Pflichtteilsverzicht nicht von der künftigen Erblasserin, sondern von einem künftigen Miterben (durch Übertragung der Anteile) vergütet worden sein soll. Offenbar sollte eine Erbauseinandersetzung (Nachlass des Vaters) mit einer vorweggenommenen Erbfolge bezüglich des Vermögens der noch lebenden Mutter verbunden werden. Ist aber der Erb- und Pflichtteilsverzicht --wie der BFH im Urteil in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809 entschieden hat-- im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge als unentgeltliches Geschäft anzusehen, so kann er allein durch die Verbindung mit einer Erbauseinandersetzung nicht zu einem entgeltlichen Geschäft werden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die im Urteil in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809 vertretene Auffassung, dass es sich beim Erb- und Pflichtteilsverzicht um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft handle, durch das Urteil des X. Senats des BFH vom 20. Oktober 1999 X R 132/95 (BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82) nicht aufgegeben worden. Allerdings hat der X. Senat des BFH in dieser Entscheidung laufende Zahlungen, die der Empfänger für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht erhalten hatte, in Abweichung vom Urteil des VIII. Senats in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809 nicht mehr als wiederkehrende Zahlungen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 EStG angesehen. Er konnte dies aber nur, nachdem der VIII. Senat der Abweichung zugestimmt hatte. Diese Zustimmung hatte der VIII. Senat allerdings unter dem Vorbehalt erteilt, dass der Erbverzicht weiterhin als unentgeltliche Zuwendung zu qualifizieren sei. Der X. Senat hat daraufhin in seiner Entscheidung offen gelassen, ob er sich dieser Qualifizierung anschließen könne (unter II. 3. vor a der Gründe).

Ist eine Rechtsfrage --wie hier durch den VIII. Senat des BFH im Urteil in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809-- entschieden, so muss der Beschwerdeführer darlegen, weshalb es gleichwohl einer erneuten Entscheidung des BFH zu dieser Frage bedarf. In einem solchen Fall ist die grundsätzliche Bedeutung nur dann schlüssig dargetan, wenn die Beschwerdebegründung eine eingehende Auseinandersetzung mit dem betreffenden Rechtsproblem enthält und darlegt, worin der Beschwerdeführer noch eine ungeklärte Frage sieht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 62, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall.

2. Auch der Hinweis der Klägerin auf verschiedene Entscheidungen des BFH kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, noch unter dem der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.).

a) Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung findet sich im BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) nicht die Aussage, dass der Pflichtteilsverzicht Teil der Gegenleistung für den Erwerb von Erb- und Gesellschaftsanteilen sei und damit zu Anschaffungskosten führe. Vielmehr ist von einem Pflichtteilsverzicht --geschweige von dessen Einordnung als entgeltliches oder unentgeltliches Rechtsgeschäft-- in der Entscheidung an keiner Stelle die Rede.

b) Ist der Pflichtteilsverzicht kein entgeltliches Rechtsgeschäft, so stellt sich auch nicht die Frage, ob die ursprünglich geschätzte Höhe des Entgelts zu korrigieren ist, wenn sie sich später als unrichtig erweist. Aus diesem Grund sind die von der Klägerin zitierten BFH-Entscheidungen vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) und vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88 (BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648) für den Streitfall unmaßgeblich.



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