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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.10.1998
Aktenzeichen: IV R 10/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, BGB, VwZG


Vorschriften:

FGO § 124 Abs. 1 Satz 2
FGO § 126 Abs. 1
FGO § 54 Abs. 2
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 53 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 1
FGO § 104 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz
FGO § 155
ZPO § 222 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
VwZG § 5 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger erzielt u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb.

Im Jahre 1987 beantragte der Kläger die wasserrechtliche Genehmigung zum Aufbau einer Teichwirtschaft auf zwei in seinem Eigentum stehenden und zum Teil zu seinem Privatvermögen, zum Teil zu seinem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken. Die Genehmigung wurde im Februar 1989 erteilt.

Der Kläger, der mit der Genehmigung die Voraussetzung für eine Ausbeutung der auf den Grundstücken vorhandenen Sandvorkommen schaffen wollte, beutete das Vorkommen selbst aus. Die aus dieser Betätigung erzielten Einkünfte ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich. In der Eröffnungsbilanz 1989 des "Gewerbebetriebes Sandabbau" setzte der Kläger die Bodenschätze "Muttererde" und "Sand" mit den Teilwerten an und nahm bei der Ermittlung des Gewinns der Jahre 1989 bis 1992 Absetzungen für Substanzverringerung (AfS) vor.

Im Anschluß an eine Außenprüfung für die Jahre 1985 bis 1989 vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, daß bei der Ermittlung des Gewinns aus dem Abbaubetrieb AfS nicht zu berücksichtigen seien, da der ausgebeutete Bodenschatz nicht entgeltlich erworben worden sei. Er legte der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für die Streitjahre 1990 und 1991 ebenso wie der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für diese Jahre die um die AfS erhöhten Gewinne aus dem Abbauunternehmen zugrunde.

Die Einsprüche gegen die gesonderten Verlustfeststellungen blieben im Streitpunkt ohne Erfolg.

Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 357).

Die Revision hat das Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Das Urteil des FG wurde den Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 6. Dezember 1997 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 1998, eingegangen am gleichen Tag beim FG, legten die Kläger Revision ein. Revisionsantrag und -begründung behielten sie einem gesonderten Schriftsatz vor. Gleichzeitig beantragten sie Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist.

Nach dem Hinweis der Geschäftsstelle des erkennenden Senats auf die Versäumung der Revisionsfrist und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung vom 5. Februar 1998, den Klägern zugegangen am 6. Februar 1998, trugen die Kläger mit Schriftsatz vom 10. Februar 1998 vor, die Revision sei fristgerecht eingelegt worden, denn die Entscheidung des FG sei erst am 8. Dezember 1997 zugestellt worden. An diesem Tag sei der Eingang im Posteingangsbuch vermerkt. Eine Zustellung am 6. Dezember 1997, einem Sonnabend, sei nicht möglich gewesen, da die Kanzlei an Sonnabenden nicht besetzt sei. Vorsorglich stellten die Kläger --ohne weitere Begründung-- Antrag auf Wiedereinsetzung.

Mit Schreiben vom 25. Februar 1998 trugen die Prozeßbevollmächtigten vor, der Zugang des Urteils am 8. Dezember 1997 ergebe sich aus dem Postein- und -ausgangsbuch, dem Fristenkontrollbuch sowie aufgrund des Eingangsstempels auf dem Urteil. Fotokopien von Auszügen dieser Unterlagen waren beigefügt. Aus unerklärlichen Gründen habe der für die Fristsachen zuständige Mitarbeiter auf dem Empfangsbekenntnis den 6. Januar 1998 notiert, obwohl es sich bei diesem Tag um einen Sonnabend gehandelt habe, an dem das Büro generell nicht besetzt und somit eine Zustellung gar nicht möglich sei. Dieser Mitarbeiter sei ansonsten äußerst sorgfältig und erledige die Aufgaben des Postein- und -ausgangs sowie der Fristenkontrolle bereits seit 1976. Während dieser langjährigen Tätigkeit sei ihm bislang noch kein Fehler unterlaufen. Aus diesem Grund sei das Datum bei Unterschrift des Empfangsbekenntnisses nicht ausdrücklich überprüft worden, da er, der unterzeichnende Prozeßbevollmächtigte X, nicht habe davon ausgehen können, daß das Datum des Empfangsbekenntnisses von dem mit dem Datum des 8. Dezember 1997 versehenen Posteingangsstempel abweiche.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1 Satz 2, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Für das am 6. Dezember 1997 zugestellte Urteil des FG ist die Revision am 7. Januar 1998 beim FG verspätet eingegangen (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung --ZPO--, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Klägern nicht zu gewähren.

1. Ist die Revision im Urteil des FG zugelassen, so ist sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Auch in den Fällen, in denen, wie im Streitfall, das Urteil verkündet wird, ist für den Beginn der Revisionsfrist die Zustellung des vollständigen Urteils maßgeblich (§§ 53 Abs. 1, 104 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz FGO).

Wird die angefochtene Entscheidung, wie im Streitfall, nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit einfachem Brief gegen Empfangsbekenntnis an die Prozeßbevollmächtigten zugestellt, so liefert das Empfangsbekenntnis grundsätzlich den vollen Beweis für die Richtigkeit des auf ihm angegebenen Empfangsdatums (vgl. § 155 FGO, § 418 Abs. 1 ZPO; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1995 I R 87, 169/94, BFHE 178, 303, BStBl II 1996, 19). Der auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelltag ist ausnahmsweise nur dann nicht maßgebend, wenn seine Unrichtigkeit nachgewiesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1989 III R 91/85, BFH/NV 1989, 646, m.w.N.). Die bloße Erschütterung der Zugangsvermutung in dem Sinne, daß ein anderer Geschehensablauf, auch ernsthaft, möglich ist, reicht hierfür nicht aus (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 7. Oktober 1993 4 B 166.93, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 535).

Diesen Nachweis haben die Kläger nicht erbracht. Das Empfangsbekenntnis ist unmißverständlich mit dem Datum des 6. Dezember 1997 und nach Vortrag des Prozeßbevollmächtigten X mit dessen Unterschrift versehen. Damit erbringt das Empfangsbekenntnis den Beweis dafür, daß das FG-Urteil den Prozeßbevollmächtigten auch an diesem Tag zugegangen ist. Dagegen ist mit dem bloßen Vortrag, die Kanzlei sei an Sonnabenden nicht besetzt, dieser Beweis nicht widerlegt. Denn hierfür wäre nachzuweisen gewesen, daß auch die beiden Prozeßbevollmächtigten unter keinen Umständen an dem 6. Dezember 1997 in der Kanzlei anwesend sein konnten, weil sie sich z.B. im Urlaub etc. befunden haben. Nach Kenntnis des Senats ist es nicht unüblich, daß Steuerberater und Anwälte auch an Sonnabenden in ihren Kanzleien tätig sind. Daher scheint es auch im Streitfall zumindest nicht ausgeschlossen, daß der das Empfangsbekenntnis unterzeichnende Prozeßbevollmächtigte am Sonnabend, den 6. Dezember 1997, in der Kanzlei tätig war und das Empfangsbekenntnis an diesem Tag auch unterschrieben hat.

Der Hinweis auf das Posteingangs- und -ausgangsbuch sowie auf den Eingangsstempel des FG-Urteils vermag den Nachweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses ebenfalls nicht zu erbringen. Denn zum einen haben die Prozeßbevollmächtigten lediglich fotokopierte Auszüge dieser Unterlagen vorgelegt, mit denen ein Beweis der Richtigkeit und Vollständigkeit der Unterlagen nicht erbracht werden kann. Glaubhaftmachung reicht hierbei nicht aus. Zum anderen haben die Prozeßbevollmächtigten nicht vorgetragen, daß und wie in der Kanzlei ein Auseinanderfallen von Eintragungen im Posteingangsbuch und auf Empfangsbekenntnissen organisatorisch ausgeschlossen wird.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann den Klägern nicht gewährt werden.

Nach § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der unverschuldet verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren. Die Kläger machen nicht geltend, daß sie gehindert gewesen seien, die Revisionsfrist einzuhalten. Sie tragen lediglich vor, die Revisionsschrift habe dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils vorgelegen. Ein Versehen soll nach ihrem Vorbringen nur insoweit unterlaufen sein, als das Empfangsbekenntnis unzutreffend ausgefüllt worden sein soll.



Ende der Entscheidung

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