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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.04.1999
Aktenzeichen: IV R 11/98
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 5
BUNDESFINANZHOF

Der mittelbar über eine Kapitalgesellschaft an einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft Beteiligte ist nicht "Gesellschafter" i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 15. Dezember 1998 VIII R 77/93, BFHE 187, 326, BStBl II 1999, 168).

GewStG § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 5

Urteil vom 15. April 1999 - IV R 11/98 -

Vorinstanz: FG Berlin


Gründe

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren einzige Kommanditistin eine GmbH ist. Alleinige Gesellschafterin der Kommanditistin und der Komplementär-GmbH war bis Ende 1988 die G; seit 1989 ist es eine hundertprozentige Tochter-GmbH der G. Die Tätigkeit der Klägerin beschränkte sich in den Streitjahren 1986 bis 1992 darauf, der G ein Geschäftshaus zu vermieten, das die Klägerin aufgrund eines Erbbaurechts errichtet hat.

Nach einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, der Klägerin könne die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht gewährt werden. Gegen die entsprechend geänderten Gewerbesteuermeßbescheide erhob die Klägerin erfolglos Einspruch.

Ihrer anschließenden Klage gab das Finanzgericht (FG) jedoch statt. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG aus, die erweiterte Kürzung sei nicht nach § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ausgeschlossen, denn das Grundstück diene nicht dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen. Die Vermietung an eine Kapitalgesellschaft führe niemals zur Anwendung dieser Vorschrift.

Mit der zugelassenen Revision macht das FA geltend, § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG sei weit auszulegen und bewirke auch dann den Ausschluß der erweiterten Kürzung, wenn das Grundstück einem mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafter für dessen Gewerbebetrieb überlassen werde.

Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend erkannt, daß die Klägerin die erweiterte Kürzung i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch nehmen kann.

1. Die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sind erfüllt.

a) Nach dieser Vorschrift wird bei bestimmten Unternehmen die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen anstelle der Kürzung um einen Hundertsatz vom Einheitswert auf Antrag um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Diese erweiterte Kürzung gilt u.a. für ein Unternehmen, das ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Mit der erweiterten Kürzung sollen vermögensverwaltende Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögensverwaltenden Einzel- und Personenunternehmen gleichgestellt werden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 IV R 35/94, BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76, m.w.N.).

b) Die Klägerin ist ein solches Unternehmen. Sie verwaltet ausschließlich eigenen Grundbesitz, indem sie ein von ihr als Erbbauberechtigte bebautes Grundstück der G zur Nutzung überläßt.

Ein Erbbaurecht einschließlich des vom Erbbauberechtigten errichteten Gebäudes ist "eigener Grundbesitz" im Sinne der Vorschrift. Das Erbbaurecht ist als dingliches Recht bürgerlich-rechtlich dem Grundstück gleichgestellt. Mit seiner Bestellung scheidet das Grundstück aus dem Grundbesitz des Eigentümers i.S. des § 9 Nr. 1 GewStG aus. Fortan ist es dem Grundbesitz des Erbbauberechtigten zuzurechnen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 1968 I 5/65, BFHE 91, 365, BStBl II 1968, 353, unter Fortführung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs durch Urteile vom 14. Oktober 1941 I 12/41, RStBl 1941, 884, und vom 12. Januar 1943 I 149/42, RStBl 1943, 283).

Die Tätigkeit der Klägerin besteht ausschließlich in der Verwaltung des Erbbaurechts. Die Vermietung des aufgrund des Erbbaurechts errichteten Bank- und Geschäftshauses ist nach den Feststellungen des FG die einzige Betätigung der Klägerin. Tätigkeiten anderer Gesellschaften sind ihr nicht zuzurechnen. Insbesondere ergibt sich eine solche Zurechnung nicht aus den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung. Es fehlt bereits an einer personellen Verflechtung zwischen der Klägerin und der G als Mieterin des Gebäudes. Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. August 1992 IV R 13/91 (BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134) entschieden hat, reicht es zur Annahme einer personellen Verflechtung nicht aus, wenn der Mehrheitsgesellschafter des als Personenhandelsgesellschaft organisierten Besitzunternehmens an der Betriebsgesellschaft nur über eine Kapitalgesellschaft mittelbar beteiligt ist. Insoweit entfaltet die Kapitalgesellschaft eine Abschirmwirkung, die zum Verbot des Durchgriffs auf ihre Gesellschafter führt (vgl. auch BFH-Urteile vom 1. August 1979 I R 111/78, BFHE 129, 57, BStBl II 1980, 77; vom 22. Oktober 1986 I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117; vom 20. Mai 1988 III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739). Diese Erwägung gilt auch in dem vorliegenden Fall, daß das Betriebsunternehmen an der als Personenhandelsgesellschaft organisierten Besitzgesellschaft mittelbar über eine bzw. ab 1989 sogar nur über zwei Kapitalgesellschaften beteiligt ist.

2. Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist nicht nach § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ausgeschlossen.

a) Nach dieser Vorschrift wird die erweiterte Kürzung nicht gewährt, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Der Gesetzgeber sieht in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Begünstigung des Grundstücksunternehmens nicht mehr als gegeben an, weil bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters ohne Zwischenschaltung eines Rechtsträgers die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag einfließen und damit der Gewerbesteuer unterliegen würden (vgl. Senatsurteil in BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76, m.w.N.).

b) Die G, deren Gewerbebetrieb das vermietete Gebäude dient, ist nicht Gesellschafterin der Klägerin. Daß sie über eine bzw. zwei Kapitalgesellschaften mittelbar beteiligt ist, reicht für die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG nicht aus. Gesellschafter ist nur derjenige, dem die Gesellschaftsrechte steuerlich zuzurechnen sind. Dies ist im Regelfall nur der unmittelbar Beteiligte, jedenfalls nicht der nur vermögensmäßig mittelbar Beteiligte. Zwar hat der BFH mit Urteil vom 15. Dezember 1998 VIII R 77/93 (BFHE 187, 326, BStBl II 1999, 168) entschieden, daß eine mittelbare Beteiligung über eine Personengesellschaft zum Ausschluß der erweiterten Kürzung führt. Die mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft hat eine solche Wirkung jedoch nicht. Insoweit ist das Durchgriffsverbot zu beachten (BFH-Urteil in BFHE 187, 326, BStBl II 1999, 168; gl.A. Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl. 1999, § 9 Nr. 1 Anm. 33; Lenski/ Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Anm. 149, 201; Meyer-Scharenberg in Meyer-Scharenberg/Popp/ Woring, Gewerbesteuer-Kommentar, 2. Aufl. 1996, § 9 Nr. 1 Anm. 41; Weßling, Deutsches Steuerrecht 1993, 266; a.A. FinVerw., vgl. Gewerbesteuer-Handausgabe 1997, 9 H 62/2; Weissenborn/Schaaf, GmbH-Rundschau 1968, 148). Davon, daß die mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft anders zu beurteilen ist als eine mittelbare Beteiligung über eine Personengesellschaft, ist auch der VIII. Senat ausgegangen (Urteil in BFHE 187, 326, BStBl II 1999, 168, unter 2. c).

Die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen den Ausdrücken "Gesellschafter" und "Beteiligung" entspricht auch dem übrigen Aufbau des § 9 GewStG. § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG verwendet den Ausdruck "Gesellschafter" nicht, wenn er eine mittelbare Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (Enkelgesellschaft) im Auge hat. Die Vorschrift spricht von einem "mittelbaren Beteiligtsein" an einer Kapitalgesellschaft (Enkelgesellschaft) über eine Tochtergesellschaft, die in § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG ebenfalls als Kapitalgesellschaft definiert wird.

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