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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: IV R 23/05
Rechtsgebiete: EStG, HGB, FGO


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
HGB § 255 Abs. 1 Satz 3
FGO § 135 Abs. 2
FGO § 139 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Dezember 1989 errichtete GmbH & Co. KG, die aufgrund eines ihr für den Zeitraum von 75 Jahren bestellten Erbbaurechts auf einem Grundstück in den Jahren 1990 bis 1991 im Rahmen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus ein Wohnhaus mit 19 Wohnungen sowie einer Tiefgarage mit 9 Stellplätzen errichtete. Die Kapitalgeber (Kommanditisten) waren auf der Grundlage eines von der Klägerin herausgegebenen Prospektes von einem Kapitalvermittlungsunternehmen angeworben worden. Zu den Kommanditisten gehören die Beigeladenen X und Y. Y ist Rechtsnachfolger seiner im April 1991 verstorbenen Mutter Z.

Die Klägerin erlitt in den Streitjahren (1989 und 1990) Verluste, die X und Z anteilig zugerechnet wurden. Ein Teil der Verluste des Streitjahres 1989 beruht darauf, dass die Klägerin die an das Kapitalvertriebsunternehmen gezahlten Vermittlungsprovisionen im Einvernehmen mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als sofort absetzbare Betriebsausgaben behandelte. In beiden Streitjahren erhielten X und Z Provisionsnachlässe, die das FA im Anschluss an eine Betriebsprüfung als Sonderbetriebseinnahmen behandelte.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin ausschließlich geltend, die Provisionsnachlässe minderten die Anschaffungskosten der Immobilie; sie stellten keine Sonderbetriebseinnahmen dar.

Während des Klageverfahrens erging das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Februar 2002 IX R 20/98 (BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796), das die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung bestätigte.

Das FA machte daraufhin geltend, zumindest für das Jahr 1989 erweise sich der angefochtene Bescheid im Ergebnis als rechtmäßig. Anders als bei der Veranlagung angenommen, handle es sich bei den Aufwendungen für Eigenkapitalvermittlungsprovisionen nicht um sofort abziehbare Betriebsausgaben, sondern um aktivierungspflichtige Aufwendungen (Senatsurteil vom 28. Juni 2001 IV R 40/97, BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717). In Höhe der den Beigeladenen im Jahr 1989 gewährten Provisionsnachlässe seien daher die bisher als Betriebsausgaben behandelten Eigenkapitalvermittlungsprovisionen zu kürzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die angefochtenen Feststellungsbescheide seien nicht rechtswidrig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, da eine gesonderte und einheitliche Feststellung mangels Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin nicht vorzunehmen sei.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Feststellungsbescheide für 1989 und 1990 vom 24. Oktober 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 1996 dahin gehend zu ändern, dass für die Beigeladene X für das Jahr 1989 85 000 DM und für das Jahr 1990 40 000 DM sowie für den Beigeladenen Y für das Jahr 1989 22 000 DM und für das Jahr 1990 10 000 DM nicht als Sonderbetriebseinnahmen berücksichtigt werden, sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--):

Die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1989 und 1990 sind entgegen der Auffassung des FG rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

1. Unzutreffend hat das FA die den Beigeladenen gewährten Provisionsnachlässe in Höhe von 85 000 DM und 22 000 DM im Jahr 1989 sowie in Höhe von 40 000 DM und 10 000 DM im Jahr 1990 als Sonderbetriebseinnahmen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beurteilt; denn der zurückgezahlte Betrag ist nach § 255 Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) von den Anschaffungskosten abzusetzen.

a) Wie der IX. Senat in seiner Grundsatzentscheidung in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796) entschieden hat, mindern Provisionsnachlässe, die der Eigenkapitalvermittler Fondsgesellschaftern gewährt und die keine besonderen, über die Beteiligung am geschlossenen Fonds hinausgehenden Leistungen der Gesellschafter abgelten, die Anschaffungskosten der Immobilie i.S. von § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB. Dem schließt sich der erkennende Senat an und verweist auf die Gründe dieser Entscheidung.

b) Nach diesen Maßstäben richtet sich auch die steuerliche Einordnung der den Gesellschafterinnen X und Z gewährten Provisionsnachlässe. Bei der Klägerin handelt es sich um einen geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer gewerblich geprägten Personengesellschaft. Ihre Gesellschafter haben sich in modelltypischer Weise zusammengeschlossen, um die Fondsimmobilie zu errichten, zu vermieten und zu verwalten. Dementsprechend werden alle Aufwendungen, die von den Anlegern geleistet werden, als Anschaffungskosten und nicht als sofort abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben behandelt (inzwischen ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile in BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717, und vom 8. Mai 2001 IX R 10/96, BFHE 195, 310, BStBl II 2001, 720). Zu diesen Anschaffungskosten rechnen auch Provisionen für die Vermittlung des Eigenkapitals (vgl. BFH-Urteil in BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717), die aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen an den Kapitalvermittler gezahlt werden müssen. Unerheblich ist, dass die Klägerin Provisionen zahlen musste, während der Kapitalvermittler an die Gesellschafterinnen zurückzahlte. Denn bei einem geschlossenen Immobilienfonds sind alle dem Fonds zugrunde liegenden Verträge als einheitliches Vertragswerk zu würdigen (vgl. dazu näher das Grundsatzurteil in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796).

2. Zu Unrecht hat das FG die Abweisung der Klage darauf gestützt, dass eine gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung mangels Gewinnerzielungsabsicht überhaupt nicht vorzunehmen sei. Die Gewinnerzielungsabsicht war nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Rechtsstreits. Sie ist vielmehr mit dem Feststellungsgegenstand "Bestehen einer Mitunternehmerschaft" bestandskräftig festgestellt worden, weil die Klägerin ihre Klage auf die Höhe des Gewinns im Bereich der Sonderbetriebseinnahmen beschränkt hat.

a) Nach ständiger Rechtsprechung stellt sich ein Feststellungsbescheid als Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen dar, die --soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung beinhalten und eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind-- auch als selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen. Zu diesen trennbaren Regelungsgegenständen gehört u.a. auch die Mitunternehmerschaft (BFH-Urteile vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544; vom 4. November 2003 VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372). Die verfahrensrechtliche Selbständigkeit einer Besteuerungsgrundlage wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie vom Vorhandensein einer anderen Besteuerungsgrundlage abhängt (BFH-Urteil in BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544). So ist beispielsweise der Senat im Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75 (BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509) von der selbständigen Anfechtbarkeit der Verteilung des Bilanz- oder Veräußerungsgewinns auf die einzelnen Gesellschafter ausgegangen, obwohl die Verteilung nur vorgenommen werden kann, wenn die Höhe des Gewinns feststeht.

b) Deshalb konnte das FG seine Entscheidungsbefugnis über die Mitunternehmerschaft nicht damit begründen, dass die durch die Provisionsnachlässe bedingte Minderung der Anschaffungskosten nur dann eintreten könne, wenn zuvor die Frage der Mitunternehmerschaft geklärt sei. Die Frage der Mitunternehmerschaft war durch Eintritt der Teilbestandskraft der Gewinnfeststellungsbescheide 1989 und 1990 geklärt, ohne dass das FG hierüber noch zu befinden hatte. Denn wie das FG --insoweit zutreffend-- erkannt hat, beschränkte sich die Klage der Klägerin auf die erstatteten Vermittlungsprovisionen. Deshalb ist auch der Hinweis des FG, die Rechte der Klägerin würden nur durch das sog. Verböserungsverbot gewahrt, unzutreffend. Das Verböserungsverbot gilt nur innerhalb des durch den Klageantrag bestimmten Streitgegenstandes.

3. Ein anderes Ergebnis --zumindest für das Streitjahr 1989-- lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die in der Feststellung des Gesellschaftsgewinns unzutreffend als Betriebsausgaben berücksichtigten Kapitalvermittlungsprovisionen mit den hier streitigen gesondert festgestellten Sonderbetriebseinnahmen der Beigeladenen saldiert werden. Auch dem steht die Teilrechtskraft des Gewinnfeststellungsbescheides 1989 entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 33/98, BFH/NV 2002, 1024 zu II.3.).

Dem lässt sich entgegen der Auffassung des FA nicht entgegen halten, dass es sich bei der Klägerin --anders als in dem Fall, der der Entscheidung in BFH/NV 2002, 1024 zugrunde lag,-- um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft handelt. Allerdings hat der BFH den Grundsatz, dass die Höhe von Sonderbetriebseinnahmen für sich genommen Streitgegenstand im Klageverfahren gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid sein kann, dahin gehend eingeschränkt, dass dies "jedenfalls dann" gilt, wenn der Rechtsstreit keine Auswirkungen auf den Gewinn oder Verlust der Gesellschaft hat. Das FA sieht eine solche Auswirkung darin, dass sich die Anschaffungskosten der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Immobilie gemindert haben. Indes berührt die Verminderung der Anschaffungskosten in Ergänzungsbilanzen der Beigeladenen den Gewinn der Gesellschaft nicht. Erst wenn es tatsächlich zu Abschreibungen kommt, berührt die Verminderung des Abschreibungsvolumens das Gesellschaftsvermögen und die Kapitalanteile der Gesellschafter. Welche Rechtsfolgen sich im Falle einer solchen, zumindest formellen Auswirkung auf den Gesellschaftsgewinn für die Frage der Teilbestandskraft ergeben, braucht nicht entschieden zu werden, weil im Gründungsjahr 1989 keine Abschreibungen vorgenommen wurden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

5. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszugs, im Streitfall das FG (ständige Rechtsprechung, aus jüngerer Zeit BFH-Urteil vom 27. Oktober 2004 VIII R 35/04, BFHE 207, 318; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 139 Rz. 32, a.E.).

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