Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: IV R 26/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 7g
Für Tiere des Anlagevermögens kann die Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG ohne Ansatz eines Schlachtwerts gebildet werden. Sobald für die begünstigten Tiere Abschreibungen vorgenommen werden dürfen, ist die Rücklage nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG in vollem Umfang auch insoweit aufzulösen, als der Rücklagenbetrag das spätere Abschreibungsvolumen übersteigt.
Gründe:

I.

Streitig ist, ob bei Bildung einer Ansparrücklage für die Aufzucht von Milchkühen gemäß § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein Schlachtwert anzusetzen ist.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr (1998) als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit der Aufzucht von Rindern und Schweinen. Den Gewinn seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG für das Normalwirtschaftsjahr der Land- und Forstwirte.

In der Bilanz des Wirtschaftsjahres 1998/99 wies der Kläger eine Ansparrücklage in Höhe von 54 900 DM aus. In diesem Betrag war auch eine gewinnmindernde Rücklage für die geplante Aufzucht von 15 Kühen enthalten, die der Kläger --bei Herstellungskosten pro Tier von 1 600 DM-- mit 12 000 DM ermittelt hatte (15 x 1 600 DM x 50 v.H.). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) minderte die Herstellungskosten pro Kuh um den Schlachtwert von 1 100 DM, errechnete vom verbleibenden Wert von 500 DM eine Ansparrücklage gemäß § 7g EStG in Höhe von 3 750 DM, so dass sich der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft um 8 250 DM auf 51 218 DM erhöhte, und erließ den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1998.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, dem Wortlaut des § 7g Abs. 3 EStG lasse sich eine Einschränkung, wonach die Rücklage um den Schlachtwert von Tieren zu kürzen sei, nicht entnehmen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1851 veröffentlicht.

Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor: Zu Unrecht habe das FG eine Beschränkung der Rücklage auf die höchstmögliche Absetzung für Abnutzung (AfA) unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut abgelehnt. Durch den die Rücklage in § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG umschreibenden Klammerzusatz "Ansparabschreibung" habe der Gesetzgeber einen deutlichen Hinweis auf die AfA gegeben, die häufig auch als Abschreibung bezeichnet würden. Jedenfalls widerspreche die Auslegung des FG dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich eindeutig, dass man beabsichtigt habe, mit der Regelung des § 7g Abs. 3 EStG kleinen und mittleren Unternehmen zur Erleichterung von Investitionen eine Steuerstundung zu gewähren (BTDrucks 12/4158, S. 33). Lasse man aber bei Tieren des Anlagevermögens, bei denen der Schlachtwert regelmäßig mehr als 50 v.H. der "Herstellungskosten" ausmache, eine Rücklage in Höhe von 50 v.H. der "Herstellungskosten" zu, so führe die Rücklagebildung zwingend zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Steuernachzahlung, weil die Ansparabschreibung im Zeitpunkt der "Herstellung" der Tiere mit einem höheren Betrag aufgelöst werden müsse, als Abschreibungsvolumen für die Tiere zur Verfügung stehe. Denn AfA komme bei derartigen Tieren nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur vom Differenzbetrag zwischen den Herstellungskosten und dem Schlachtwert in Betracht (Urteile vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91, BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284, und vom 15. Februar 2001 IV R 43/99, BFH/NV 2001, 1021).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend auf den Ansatz eines Schlachtwerts für die Milchkühe des Klägers bei Bildung der sog. Ansparrücklage verzichtet.

1. Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf dabei 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird". Spätestens am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs ist die Ansparrücklage gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g Abs. 4 EStG).

2. a) Im Streitfall haben die Voraussetzungen für die Bildung einer Ansparrücklage dem Grunde nach unstreitig vorgelegen. Die Milchkühe sind Tiere des Anlagevermögens im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats berechtigte ihre künftige Herstellung im Streitjahr auch dann zur Einstellung einer Rücklage, wenn die Tiere --wie im Streitfall-- nach Richtwerten (Gruppenwerten) bilanziert werden sollen (Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1021).

b) Zu Unrecht hat das FA jedoch die Rücklage der Höhe nach durch Ansatz eines Schlachtwerts begrenzt. Nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ist der Betrag der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlageguts Bemessungsgrundlage für die Rücklage. Eine weitere Einschränkung sieht das Gesetz --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- nicht vor (gleicher Ansicht Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7g EStG Anm. 93, und konkret bezogen auf den Schlachtwert: Heins, HLBS-Report 2002, 7, 9).

Allerdings wird im Schrifttum auch die Auffassung vertreten, die Rücklage könne höchstens 50 v.H. des Unterschiedsbetrags von Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Schlachtwert betragen, weil sie nach ihrem Zweck die spätere Abschreibung lediglich vorwegnehme (so Felsmann/König, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Anm. A 1391h, 1393, 1393a, und Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 31 Rz. 195c). Tatsächlich wird in der Begründung zum Entwurf eines Standortsicherungsgesetzes vom 20. Januar 1993 auch ausgeführt, man schaffe die Möglichkeit, "im Vorgriff auf spätere Abschreibungsmöglichkeiten zur Finanzierung künftiger Investitionen eine Rücklage zu bilden" (BTDrucks 12/4158, S. 33 li.Sp.). Bis auf den vom FA erwähnten Klammerzusatz in § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG und den in der Gesetzesüberschrift verwendeten Begriff der Ansparabschreibung hat dieser Gedanke einer Vorwegnahme der späteren AfA in der Gesetzesfassung jedoch keinen Ausdruck gefunden. Ob dieser --nach Auffassung des Senats-- eher missverständlichen Bezeichnung der Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG als Ansparabschreibung normative Bedeutung zukommt, kann im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls bezieht sich das Gesetz zum Umfang der Rücklage allein auf den § 6 Abs. 1 EStG zuzuordnenden Bewertungsmaßstab der Anschaffungs- oder Herstellungskosten und vermeidet jeden Hinweis auf die in § 7 Abs. 1 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale der "Nutzung" und "Abnutzung". Diese Begriffe aber waren nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH entscheidend für den Ansatz eines Schrottwerts bei Bemessung der AfA auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter von großem Gewicht oder aus wertvollem Material (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. Dezember 1967 GrS 1/67, BFHE 91, 93, BStBl II 1968, 268) und für die Übertragung dieser Grundsätze des Großen Senats durch den erkennenden Senat auf die Viehbewertung (Urteil vom 4. Juni 1992 IV R 101/90, BFHE 169, 397, BStBl II 1993, 276, Nr. 3 der Gründe).

Auch der Gesetzeszweck widerspricht nicht der Auffassung des Senats. Im Unterschied zu § 7 Abs. 1 EStG, der den Ansatz eines Schlachtwerts dann gebietet, wenn Tieren ein erheblicher Restwert zukommt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 169, 397, BStBl II 1993, 276, zu 3. der Gründe) ist § 7g EStG eine wirtschaftslenkende Norm, die die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch verbessern soll, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden (BTDrucks 10/336, S. 13, 25, 26; BTDrucks 11/257, S. 8 f.). Dies gilt insbesondere für die Rücklage nach Abs. 3 dieser Vorschrift, die das vom Gesetzgeber erkannte Bedürfnis nach einer Steuerstundung bei Investitionsvorhaben kleiner und mittlerer Betriebe erfüllen soll (BTDrucks 12/4158, S. 33 li.Sp.). Dieser beabsichtigte Stundungseffekt kommt bei der hier vertretenen wörtlichen Auslegung des § 7g Abs. 3 EStG am wirksamsten zur Geltung.

c) Allerdings hat das FA zutreffend darauf hingewiesen, dass bei hohen Schlachtwerten der Rücklagebetrag das spätere Abschreibungsvolumen überschreiten kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Rücklage in vollem Umfang von 50 v.H. der prognostizierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten gebildet wird, der Schlachtwert diesen Rücklagebetrag aber --wie im Streitfall-- überschreitet. Dadurch erlangt der Steuerpflichtige jedoch keinen unangemessenen Steuervorteil. Denn soweit die Rücklage wegen des Ansatzes eines Schlachtwerts nicht auf die hergestellten Tiere "übertragen" werden kann, ist sie erfolgswirksam aufzulösen (§ 7g Abs. 4 EStG). Will der Steuerpflichtige diesen Nachteil vermeiden, so muss er sein Wahlrecht so ausüben, dass der Rücklagebetrag dem späteren AfA-Volumen entspricht.

Ende der Entscheidung

Zurück