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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: IV R 41/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3
Eine selbständige und eigenverantwortliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG übt nur derjenige aus, der unmittelbar zur Verwaltung fremden Vermögens berechtigt und verpflichtet ist. Ein Subunternehmer erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren (1992 und 1993) als freier Mitarbeiter für Steuerberater D tätig. Zuvor war er nach Abschluss einer Banklehre und einigen Jahren einer Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter von zwei GmbH mit dem Aufbau eines bundesweiten Vertriebssystems für ein Softwarehaus betraut gewesen.

D führte im Auftrag der Treuhandanstalt (THA) die Privatisierung und Liquidation ehemaliger volkseigener DDR-Betriebe durch. Für 17 Betriebe übertrug D mit Einverständnis der THA dem Kläger die Vorbereitung der Unternehmensveräußerung zur selbständigen Erledigung. Dies geschah durch telefonische Absprachen; schriftliche Vereinbarungen wurden nicht geschlossen. Über sein Honorar rechnete der Kläger mit D nach Zeitaufwand ab und wies in den Rechungen Umsatzsteuer aus. Nach seinen Angaben bezog der Kläger weder ein festes Gehalt noch Leistungen im Urlaubs- und Krankheitsfall.

In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre bezeichnete sich der Kläger als Unternehmensberater und erklärte Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Das damals zuständige Finanzamt behandelte die Einkünfte jedoch als solche aus Gewerbebetrieb und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide. Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger mit der Klage geltend, er habe keine gewerblichen Einkünfte bezogen. Die Einkünfte seien vielmehr solche i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG), und zwar nach Abs. 1 Nr. 1 oder nach Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

Die Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Recht von einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers ausgegangen.

1. Der Kläger erzielte in den Streitjahren keine Einkünfte i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Weder übte er einen der in Satz 2 der Vorschrift genannten Berufe (sog. Katalogberufe) aus noch war seine Tätigkeit einem der dort genannten Berufe ähnlich. Insbesondere war die Tätigkeit des Klägers nicht der eines beratenden Betriebswirts ähnlich, weil der Kläger nach den Feststellungen des FG und seinem eigenen Vorbringen nicht über die einem Betriebswirt vergleichbare breite fachliche Vorbildung verfügte (vgl. zu den Anforderungen Senatsurteil vom 28. August 2003 IV R 21/02, BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919, m.w.N.).

2. Die Tätigkeit des Klägers kann auch nicht als sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen werden.

a) Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören nach dieser Vorschrift auch die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG reicht es danach aus, ist andererseits aber auch erforderlich, dass die Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten ähnlich ist, denn die dort angeführten Beispiele sollen den Begriff der sonstigen selbständigen Tätigkeit charakterisieren (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteile vom 4. November 2004 IV R 26/03, BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288; vom 28. August 2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112, und vom 16. März 1951 IV 197/50 U, BFHE 55, 255, BStBl III 1951, 97).

Aus den exemplarisch aufgezählten Aktivitäten folgt, dass es sich um vermögensverwaltende Tätigkeiten handeln muss (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112, und vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24). Eine Tätigkeit ist den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG beispielhaft genannten Tätigkeiten ähnlich, wenn sie im Kern die Verwaltung fremden Vermögens betrifft; es ist nicht erforderlich, dass sie einer bestimmten der im Gesetz konkret genannten Tätigkeiten ähnlich ist (sog. Gruppenähnlichkeit; vgl. Senatsurteil in BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288).

b) Die vermögensverwaltende Tätigkeit muss vom Steuerpflichtigen in eigener Person ausgeübt werden. Die Einschaltung qualifizierten Personals oder die Beauftragung von Subunternehmern ist nach der sog. Vervielfältigungstheorie schädlich und hat zur Folge, dass die Tätigkeit als gewerblich beurteilt wird.

Nach der von Reichsfinanzhof (RFH) und BFH entwickelten Vervielfältigungstheorie, die für vermögensverwaltende Tätigkeiten nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nach wie vor gilt (Umkehrschluss aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG; vgl. BFH-Urteile vom 11. August 1994 IV R 126/91, BFHE 175, 284, BStBl II 1994, 936, und vom 12. Dezember 2001 XI R 56/00, BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202), gehört es zu den Wesensmerkmalen der selbständigen Tätigkeit, dass sie in ihrem Kernbereich auf der eigenen persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruht. Nimmt die Tätigkeit einen Umfang an, der die ständige Beschäftigung mehrerer Angestellter oder die Einschaltung von Subunternehmern erfordert, und werden den genannten Personen nicht nur untergeordnete, insbesondere vorbereitende oder mechanische Arbeiten übertragen, so beruht die betreffende Tätigkeit nicht mehr im Wesentlichen auf der persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers und ist deshalb steuerrechtlich als eine gewerbliche zu qualifizieren. Selbst wenn nur Hilfskräfte beschäftigt werden, die ausschließlich untergeordnete Arbeiten erledigen, kann der Umfang des Betriebs im Einzelfall den gewerblichen Charakter der Tätigkeit begründen. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. Mai 1984 I R 122/81, BFHE 141, 505, BStBl II 1984, 823, und in BFHE 175, 284, BStBl II 1994, 936).

Allein die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger "selbständig und eigenverantwortlich" i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig war, reicht im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht aus, die Tätigkeit als selbständige zu qualifizieren. Anderenfalls ginge die vom Gesetz beabsichtigte Unterscheidung zwischen § 18 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG verloren (BFH-Urteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202).

c) Eine selbständige und eigenverantwortliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG übt nur derjenige aus, der unmittelbar zur Verwaltung fremden Vermögens berechtigt und verpflichtet ist. Ein Subunternehmer erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Dies folgt zunächst aus einem Vergleich mit den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG exemplarisch genannten Tätigkeiten. Sowohl das Amt des Aufsichtsrats als auch das Amt des Testamentsvollstreckers ist höchstpersönlich auszuüben. Es kann weder durch Rechtsgeschäft vom Amtsinhaber auf einen Dritten übertragen werden noch geht es beim Tod des Amtsinhabers auf den Erben über. Ebenso verhält es sich etwa bei dem Amt des Insolvenzverwalters, der unter den Begriff des Vermögensverwalters subsumiert wird. Den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Tätigkeiten kann danach nur die Tätigkeit desjenigen ähnlich sein, der unmittelbar persönlich mit der Verwaltung des Vermögens betraut ist. Der Senat hat deshalb auch die Tätigkeit eines vom Testamentsvollstrecker mit der Nachlassverwertung Beauftragten nicht als sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG beurteilt (Urteil vom 5. Oktober 1989 IV R 155/86, BFH/NV 1990, 372).

Für diese Auslegung spricht auch, dass sie zu Ergebnissen führt, die mit der Vervielfältigungstheorie vereinbar sind. Überträgt der mit der Vermögensverwaltung unmittelbar Beauftragte die Aufgaben auf einen Subunternehmer, erfüllt der unmittelbar Beauftragte nach der Vervielfältigungstheorie nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, sondern wird gewerblich tätig. Es erschiene widersprüchlich, wenn nun aber der Subunternehmer Einkünfte aus § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielen würde, obwohl zu dem Inhaber des verwalteten Vermögens keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen bestehen und die Leistung aufgrund eines Rechtsverhältnisses mit dem Hauptunternehmer erbracht wird. Sachgerecht ist es vielmehr, den Subunternehmer erst recht als Gewerbetreibenden zu behandeln, wenn bereits der Hauptunternehmer gewerblich tätig wird.

3. Im Streitfall kann bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze offen bleiben, ob die Privatisierung von Treuhandunternehmen im Auftrag der THA die Voraussetzungen einer vermögensverwaltenden Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfüllen kann. Denn selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, hätte der Kläger mit seiner Tätigkeit keine Einkünfte i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt, weil er nicht unmittelbar als Vermögensverwalter tätig wurde. Vielmehr war er nur von D als Subunternehmer zur Erfüllung der an D gerichteten Privatisierungsaufträge eingeschaltet worden. Damit ist insoweit nicht nur die Tätigkeit von D --wegen Verletzung des Vervielfältigungsverbots-- als gewerblich zu beurteilen, sondern auch die Tätigkeit des Klägers.

4. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, das Verfahren im Hinblick auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer und das hierzu unter dem Aktenzeichen 1 BvL 2/04 beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren auszusetzen. Zur Begründung wird auf das Senatsurteil vom 24. Februar 2005 IV R 23/03 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, juris) verwiesen.

Ende der Entscheidung

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