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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.06.1999
Aktenzeichen: IV R 42/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, BGB, BFHEntlG


Vorschriften:

FGO § 138 Abs. 1 Satz 1
FGO § 51
FGO § 116
FGO § 51 Abs. 1
ZPO § 41
ZPO § 41 Nr. 1
ZPO § 42 ff.
ZPO § 41 Nr. 5
ZPO § 41 Nr. 6
BGB § 839
BFHEntlG Art. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie die zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau des Klägers zu 2 waren Gesellschafter der mittlerweile aufgelösten und abgewickelten X-GmbH & Co. KG.

Die KG erlitt im Jahre 1971 einen Verlust in Höhe von ... DM. Er wurde im wesentlichen der verstorbenen Ehefrau des Klägers zu 2 als Kommanditistin zugerechnet, deren Kapitalkonto dadurch negativ wurde. Mangels ausreichender eigener Einkünfte und zeitlicher Begrenzung der Verlustvortragsmöglichkeit wirkten sich diese Verlustanteile im Jahre 1971 nicht in vollem Umfang steuermindernd aus. Im Jahre 1977 wurde die KG aufgelöst. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte einen Veräußerungsgewinn in Höhe von ... DM fest, der in Höhe von ... DM auf die Auflösung des negativen Kapitalkontos zurückzuführen war.

Gegen diesen Gewinnfeststellungsbescheid erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der sie beantragten, einen Veräußerungsverlust, hilfsweise einen niedrigeren Veräußerungsgewinn festzustellen. Außerdem stellte der Kläger zu 2 den Antrag, aus Billigkeitsgründen für seine Ehefrau einen Gewinnanteil in Höhe von 0 DM festzustellen.

Neben der Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid führte der Kläger zu 2 einen Rechtsstreit mit dem Ziel, die Einkommensteuer 1977 im Billigkeitswege auf 0 DM festzusetzen. Mit Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92 (BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297) gab der Bundesfinanzhof (BFH) der Klage statt.

Daraufhin ging beim Finanzgericht (FG) ein Schriftsatz des FA folgenden Inhalts ein:

"Durch die bei der Einkommensteuer getroffene Entscheidung (Erlaß aus Billigkeitsgründen) ist der anhängige Rechtsstreit bedeutungslos geworden.

Die Hauptsache ist erledigt.

Ich beantrage, die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dergestalt aufzuteilen, daß die Gerichtskosten vom Finanzamt getragen werden und im übrigen jede Partei die ihr entstandenen Aufwendungen zu tragen hat."

Der Berichterstatter des ... Senats des FG verfügte die Übersendung dieses Schriftsatzes an den Bevollmächtigten der Kläger. Der Text der Verfügung sollte anhand eines Textbausteins erstellt werden, den der Berichterstatter mit dem Kürzel "g400" bezeichnete. Die Geschäftsstelle des ... Senats des FG übersandte daraufhin unter dem Datum vom 22. Dezember 1995 dem Bevollmächtigten der Kläger unter Verwendung des angegebenen Textbausteins ein Schreiben folgenden Inhalts:

"Der beigefügte Schriftsatz wird Ihnen zur Kenntnis übersandt. Das Finanzamt hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem es Ihrem Klagebegehren entsprochen hat.

Sie werden gebeten, bis zum 19. Januar 1996 mitzuteilen, ob auch Sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären oder den Rechtsstreit weiterführen wollen.

... ."

Der Berichterstatter hatte demnach insoweit einen falschen Textbaustein ausgewählt, als das FA dem Klageantrag nicht entsprochen hatte.

Die Kläger erklärten daraufhin mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 16. Januar 1996 die Hauptsache für erledigt. Sie beantragten, die Kosten nach billigem Ermessen der Behörde aufzuerlegen.

Mit Kostenbeschluß vom 27. Februar 1996, der durch den Berichterstatter erging, wurden die Gerichtskosten dem FA und die außergerichtlichen Kosten jedem Beteiligten selbst auferlegt. Zur Begründung führte das Gericht aus, daß nach dem Ergebnis der außergerichtlichen Erledigung die Klage zwar keinen Erfolg gehabt habe, daß jedoch unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die getroffene Kostenentscheidung der Billigkeit entspreche.

Am 26. März 1996 nahm der Klägervertreter Akteneinsicht.

Am 17. Februar 1997 erhob der Prozeßbevollmächtigte der Kläger Dienstaufsichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Kostenerstattung durch das Gericht. Zur Begründung trug er vor, aus dem Schreiben des Gerichts vom 22. Dezember 1995 habe er den Schluß gezogen, das Gericht werte offensichtlich aufgrund des Obsiegens im Parallelverfahren auch das laufende Verfahren so, daß dem Klageantrag entsprochen worden sei. Nur deswegen habe er seinen Mandanten überzeugen können, den Rechtsstreit ebenfalls für erledigt zu erklären. Nach der Mitteilung des Gerichts sei damit zu rechnen gewesen, daß die Kosten des Verfahrens dem FA auferlegt würden. Er, der Prozeßbevollmächtigte, sei dadurch getäuscht und zu einer Prozeßhandlung verleitet worden, die er ohne diese Täuschung nicht vorgenommen hätte. Es dränge sich der Verdacht auf, daß der Berichterstatter die Täuschung zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe. Hierin liege eine Amtspflichtverletzung, die zu einer entsprechenden Kostenerstattung durch das Gericht führen müsse.

Der Präsident des FG teilte dem Klägervertreter mit, daß sich nach seiner Ansicht aus dem von der Geschäftsstelle übersandten Formblatt eine Wertung der Streitsache durch das Gericht nicht herleiten lasse.

Der Klägervertreter entgegnete hierauf, die Darstellung, daß es sich nicht um eine Wertung durch das Gericht gehandelt habe, sei unzutreffend, da nach seinen Feststellungen der Berichterstatter selbst verfügt habe, welcher Textbaustein zu verwenden sei. Dieses Schreiben wurde unter dem Datum vom 4. März 1997 im Auftrag des Präsidenten des FG vom Vorsitzenden des ... Senats des FG beantwortet.

Der Klägervertreter erklärte daraufhin, daß der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt sei. Er lehnte den Berichterstatter wegen Befangenheit ab. Zur Begründung führte er sinngemäß aus, der Berichterstatter müsse in seiner Stellungnahme zur Dienstaufsichtsbeschwerde den Präsidenten des FG falsch informiert haben. Indem er seine Urheberschaft an der Verfügung vom 22. Dezember 1995 verschwiegen habe, habe er versucht, sein Verschulden wegzudiskutieren und die Schuld der Geschäftsstelle zuzuschieben.

Die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters vom 18. März 1997 und sein vorsorgliches Selbstablehnungsgesuch wurden den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.

Mit Beschluß vom 23. Dezember 1997 wies das FG ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück. Der Beschluß wurde nicht angefochten. Das Selbstablehnungsgesuch wies das FG mit Beschluß vom 19. März 1998 zurück.

Mit Schreiben vom 6. Februar 1998 machten die Kläger geltend, daß der Berichterstatter gemäß § 51 FGO i.V.m. § 41 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vom weiteren Verfahren ausgeschlossen sei, weil er am Erlaß der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe. Er sei wahrscheinlich auch als Zeuge zu vernehmen, so daß er gemäß § 41 ZPO kraft Gesetzes ausgeschlossen sei. Außerdem lehnten die Kläger den Vorsitzenden des ... Senats des FG als befangen ab. Zur Begründung führte der Prozeßbevollmächtigte aus, die Ausführungen des Vorsitzenden in dessen Schreiben vom 4. März 1997 seien ein derart abwegiges Hinwegerklären objektiven Fehlverhaltens, daß daraus abgeleitet werden müsse, es werde dem Richter nicht gelingen, die Angelegenheit unparteilich zu betrachten.

Am 2. März 1998 beraumte der geschäftsplanmäßige Vertreter des Senatsvorsitzenden Termin zur mündlichen Verhandlung an.

Mit Schriftsatz vom 12. März 1998 beantragte der Klägervertreter die Vernehmung des Berichterstatters als Zeugen, um dessen Verschulden feststellen zu können. Mit Fax vom 23. März 1998 beantragte er, den Termin zur mündlichen Verhandlung abzusetzen. Der stellvertretende Senatsvorsitzende lehnte den Antrag auf Terminsaufhebung mit Fax vom selben Tag ab. Mit einem weiteren Fax vom selben Tag lehnte der Klägervertreter die beiden weiteren Richter des ... Senats des FG als befangen ab. Zur Begründung berief er sich im wesentlichen darauf, daß diese Richter die Sache mit dem von Gesetzes wegen an der Mitwirkung ausgeschlossenen Richter vorberaten hätten. Außerdem seien die Ausführungen zur Amtshaftung im Beschluß vom 19. März 1998 unzutreffend.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung lehnte das FG die Befangenheitsanträge gegen die abgelehnten Richter unter deren Mitwirkung (ohne den urlaubsabwesenden Senatsvorsitzenden) als unzulässig ab. Der entsprechende Beschluß ist im Sitzungsprotokoll vom 24. März 1998 festgehalten.

Die Kläger beantragten sodann, das Verfahren fortzusetzen mit dem Ziel, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung sowie der bisherigen Feststellungsbescheide den Gewinn neu festzustellen und hierbei den Gewinn aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos nicht anzusetzen.

Das FG entschied, daß der Rechtsstreit durch die Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen in der Hauptsache erledigt sei und erlegte die Kosten des Rechtsstreits den Klägern auf.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom FG nicht zugelassenen Revision, die auf wesentliche Verfahrensmängel i.S. des § 116 FGO gestützt wird.

Die Revision ist unzulässig.

Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet die Revision nur statt, wenn sie vom FG oder --auf eine entsprechende Beschwerde hin-- vom BFH zugelassen worden ist. Das ist vorliegend nicht der Fall.

1. Einer Zulassung zur Einlegung der Revision bedarf es nicht, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens gerügt werden. Die Verfahrensrügen müssen schlüssig sein, d.h. die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen müssen --ihre Richtigkeit unterstellt-- einen Mangel i.S. des § 116 FGO ergeben. Hieran fehlt es im Streitfall.

2. Der Berichterstatter des FG war nicht kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung ausgeschlossen (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 41 ZPO).

a) Er war in dem Rechtsstreit, über den zu entscheiden war, nicht Partei (§ 41 Nr. 1 ZPO). Er kann auch nicht mit der Begründung als Partei im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, daß darüber zu befinden gewesen sei, ob er durch sein Verhalten beim Prozeßbevollmächtigten der Kläger einen Irrtum erregt habe. Auch wenn man --wie der Prozeßbevollmächtigte-- in Betracht zieht, daß er deswegen einem Amtshaftungsanspruch nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgesetzt sein könnte, so wäre dieser Anspruch in einem anderen Verfahren geltend zu machen, in dem über die maßgeblichen Sachverhaltsfragen selbständig zu entscheiden wäre. Die angefochtene Entscheidung des FG hätte keine präjudizielle Wirkung.

Die Auffassung der Kläger ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Sie ist auch nicht notwendig, um einen Richter, der zwar nicht Partei, aber gleichwohl am Ausgang des Rechtsstreits interessiert ist, von der Mitwirkung auszuschließen. Hierzu steht das Ablehnungsrecht gemäß § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 ff. ZPO zur Verfügung.

b) Der Berichterstatter ist in der streitigen Sache nicht als Zeuge vernommen worden (§ 41 Nr. 5 ZPO). Die Auffassung der Kläger, daß bereits ein Antrag auf Vernehmung des Richters als Zeugen zu dessen Ausschluß führe, ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Sie würde zudem dazu führen, daß die Besetzung des Gerichts in das Belieben der Parteien gestellt würde.

c) Schließlich handelte es sich bei dem vom Berichterstatter erlassenen Kostenbeschluß nicht um Entscheidung "in einem früheren Rechtszug" (§ 41 Nr. 6 ZPO). Die Vorschrift soll verhindern, daß in einem mehrinstanzlichen Verfahren derjenige bei der Entscheidung mitwirkt, der die nachzuprüfende Entscheidung erlassen hat (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, § 41 Rdnr. 14, m.w.N.). Entscheidungen innerhalb derselben Instanz werden hiervon naturgemäß nicht umfaßt.

3. An der angefochtenen Entscheidung haben keine Richter mitgewirkt, die wegen Besorgnis der Befangeheit mit Erfolg abgelehnt wurden. Für den wegen Urlaubs verhinderten Senatsvorsitzenden ist dies offenkundig. Im übrigen hat das FG vor seiner Entscheidung die von den Klägern gestellten Befangenheitsanträge abgelehnt. Der beschließende Senat hat die hiergegen gerichteten Beschwerden mit Beschluß vom heutigen Tag Az. IV B 76-79/98 als unbegründet zurückgewiesen.

Ende der Entscheidung

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