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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: IV R 50/02 (1)
Rechtsgebiete: EStG, HGB, HGB


Vorschriften:

EStG § 10d
EStG § 15a
EStG § 15a Abs. 1
EStG § 15a Abs. 1 Satz 1
EStG § 15a Abs. 1 Satz 2
EStG § 15a Abs. 1 Satz 3
HGB § 167 Abs. 2
HGB § 169 Abs. 1
HGB § 171 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren alleinige Kommanditistin mit einer Hafteinlage von 1 Mio. DM bis zum 28. September 1994 wiederum eine GmbH & Co. KG (die Beigeladene) war. Im Wirtschaftsjahr 1992/93 erwirtschaftete die Klägerin einen erheblichen Verlust. Kurz vor Schluss des bis Ende September laufenden Wirtschaftsjahrs, am 27. September 1993, gab die Kommanditistin gegenüber der Klägerin folgende schriftliche Erklärung ab:

"Hierdurch erklären wir uns bereit, den auf uns entfallenden Jahresverlust im Geschäftsjahr 1992/1993 von ca. 13 Mio. DM in voller Höhe zu übernehmen. Nach Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer schreiben wir Ihrem Verrechnungskonto den entsprechenden Betrag mit Valuta 30.09.1993 gut."

Unter Bezugnahme auf diese Vereinbarung teilte die Kommanditistin am 3. Januar 1994 mit, sie übernehme den nun feststehenden Jahresverlust von 13 098 419,53 DM und schreibe diesen Betrag dem Verrechnungskonto der Klägerin mit Wertstellung 30. September 1993 gut.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Verlustübernahme bei der Ermittlung des ausgleichsfähigen Verlusts nach § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht. Es erging ein Gewinnfeststellungsbescheid über einen Verlust in Höhe von 14 313 779 DM, der der Kommanditistin zugerechnet wurde. Zugleich wurde festgestellt, dass der gesamte Betrag nicht ausgleichsfähig sei. Stattdessen ging er in die Feststellung des verrechenbaren Verlusts am Ende des Wirtschaftsjahrs ein.

Der dagegen erhobene Einspruch hatte insoweit Erfolg, als ein Teilbetrag des Verlusts von 3 005 362 DM als ausgleichsfähig angesehen wurde, so dass ein verrechenbarer Verlust von 11 308 417 DM verblieb.

Während des anschließenden Klageverfahrens erging nach einer Außenprüfung unter dem 12. Februar 1999 ein geänderter Bescheid, in dem der Verlust auf 14 324 266 DM festgestellt wurde. Davon wurden als ausgleichsfähig unverändert 3 005 362 DM und als verrechenbar der Restbetrag von 11 318 904 DM behandelt. Der Bescheid wurde zum Gegenstand des Klageverfahrens erklärt.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Der Verlust sei nach dem Gesellschaftsvertrag ganz auf die Kommanditistin entfallen und habe bei dieser ein negatives Kapitalkonto in Höhe von 11 318 904 DM entstehen lassen. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG komme ein Ausgleich dieses Betrags mit anderen Einkünften der Kommanditistin nicht in Betracht. Die Verlustübernahmeerklärung führe nicht zu einem erweiterten Verlustausgleich. Der ausgleichsfähige Verlust sei nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG auf die tatsächlich geleistete Einlage beschränkt. Ob eine Leistung erfolgt sei, richte sich nach handelsrechtlichen Grundsätzen. Eine Einlage i.S. des § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) sei dann haftungsbefreiend, wenn der Kommanditist der Gesellschaft einen der Einlage entsprechenden Betrag zur Verfügung gestellt habe. Der Gegenwert müsse in das Gesellschaftsvermögen geflossen sein. Dementsprechend sei auch eine Einlage i.S. des § 15a EStG erst geleistet, wenn dem Gesellschaftsvermögen von außen etwas zugeflossen sei, was das Vermögen und damit die Deckungsunterlage für die Gläubiger erhöhe (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 1997 VIII R 76/93, BFH/NV 1998, 576). Im Streitfall begründe die Erklärung lediglich im Innenverhältnis die schuldrechtliche Verpflichtung zur Übernahme eines in seiner genauen Höhe noch zu bestimmenden Verlustes. Die hieraus folgende Einlageverpflichtung der Kommanditistin sei am Bilanzstichtag noch nicht erfüllt gewesen. Zu einem erweiterten Verlustausgleich könne es auch nicht durch Passivierung einer Rückstellung in der Sonderbilanz der Kommanditistin kommen, denn die Verpflichtung zur Leistung der Einlage wirke wie deren Erfüllung erfolgsneutral (BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 576).

Mit der Revision trägt die Klägerin vor, die Kommanditistin habe mit der Verlustübernahme eine verdeckte Einlage geleistet, durch die das Entstehen eines negativen Kapitalkontos i.S. des § 15a EStG verhindert worden sei.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Bescheid über die Feststellung verrechenbarer Verluste zum Ende des Wirtschaftsjahrs 1992/93 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FA hat zutreffend verrechenbare Verluste zum Ende des Streitjahrs in Höhe von 11 318 904 DM festgestellt.

1. Der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG darf nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mit anderen Einkünften des Kommanditisten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.

a) Den Begriff des Kapitalkontos definiert das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung ist das nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto des Kommanditisten in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft zuzüglich ggf. bestehender Ergänzungsbilanzen des Kommanditisten gemeint (BFH-Urteile vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167; vom 30. März 1993 VIII R 63/91, BFHE 171, 213, BStBl II 1993, 706). Das Kapitalkonto in der Gesamthandsbilanz wird durch Einlagen in das Gesellschaftsvermögen bzw. durch Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen bestimmt.

In diesem Sinne ist Einlage des Kommanditisten gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG die tatsächlich geleistete sog. bedungene Einlage i.S. der §§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 HGB. Denn Zweck des § 15a EStG ist es, dem Kommanditisten einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit zu gewähren, als er wirtschaftlich durch die Verluste belastet wird. Die Belastung kann insoweit nicht über den Betrag hinausgehen, mit dem der Kommanditist im Innenverhältnis für Schulden der Gesellschaft haftet. Wirtschaftlich belastet ist der Kommanditist allerdings nur in dem Umfang, in dem er bereits Einlageleistungen in das Gesellschaftsvermögen erbracht hat. Mit der Erschöpfung der geleisteten bedungenen Einlage durch ihm zugewiesene Verluste ist das Höchstmaß der wirtschaftlichen Belastung des Kommanditisten aus seiner Haftung im Innenverhältnis erreicht. Deshalb kommt ein Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nur in Betracht, soweit die bedungende Einlage durch Zuführung eines Vermögenswerts tatsächlich geleistet ist. Im Fall einer Sacheinlage ist deren Wert maßgebend.

Neben der Haftung im Innenverhältnis berücksichtigt § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG aber auch eine weiter gehende Haftung im Außenverhältnis, soweit diese sich daraus ergibt, dass der Kommanditist seine Hafteinlage noch nicht vollständig erbracht hat. Die Hafteinlage wird durch die Eintragung im Handelsregister bestimmt (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB). Hafteinlage und bedungene Einlage können voneinander abweichen. Für die Verlustberücksichtigung i.S. des § 15a EStG ist die Hafteinlage nur insoweit von Bedeutung, als sie noch nicht vollständig erbracht ist und deshalb eine Außenhaftung des Kommanditisten auslöst. Im Übrigen bestimmt sich das Verlustausgleichsvolumen allein nach der tatsächlich geleisteten bedungenen Einlage.

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Kommanditeinlage i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG erst dann "geleistet" ist, wenn sie tatsächlich erbracht ist. Die im Innenverhältnis gegenüber der KG bestehende Einlageverpflichtung, die "ausstehende Einlage" des Kommanditisten, reicht hierfür nicht aus. Dem Gesellschaftsvermögen muss etwas von außen zugeflossen sein, was den bilanziellen Unternehmenswert mehrt, also die Aktiva des Unternehmens erhöht oder die Passiva mindert und so Einfluss auf das "Kapitalkonto" nimmt (BFH-Beschlüsse vom 29. August 1996 VIII B 44/96, BFHE 182, 26, m.w.N., und vom 7. August 2002 VIII B 90/02, BFH/NV 2002, 1577; BFH-Urteile vom 10. Juli 2001 VIII R 45/98, BFHE 196, 103, BStBl II 2002, 339, und vom 3. Dezember 2002 IX R 24/00, BFH/NV 2003, 894).

Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Bestimmung der Außenhaftung wegen noch nicht voll erbrachter Hafteinlage nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG, sondern auch für die Bestimmung des Kapitalkontos i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG anhand der tatsächlich geleisteten bedungenen Einlage. Sie betreffen zudem nicht nur Einlageverpflichtungen, die auf eine Bareinzahlung in das Gesellschaftsvermögen gerichtet sind und auf die im Wege einer Sacheinlage geleistet werden soll, sondern sie gelten auch für originäre Sacheinlageverpflichtungen.

2. Der Kommanditist kann eine bedungene Einlage je nach gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung u.U. auch durch Übernahme eines Verlustes der KG erbringen. Die Einlageverpflichtung kann dann als Erhöhung der bisherigen Einlage geschuldet sein oder als Sacheinlage an die Stelle einer anderen Einlageverpflichtung treten. In beiden Fällen stellt die bloße Erklärung der Verlustübernahme aber noch keine tatsächliche Leistung der Einlage dar, die eine Erhöhung des Kapitalkontos i.S. des § 15a EStG bewirken würde. Eine wirtschaftliche Belastung tritt bei dem zur Verlustübernahme Verpflichteten nämlich erst dann ein, wenn die Forderung geltend gemacht wird oder wenn er zumindest ernsthaft mit ihrer Geltendmachung rechnen muss. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn die Forderung an einen Gesellschaftsgläubiger abgetreten wird. Solange die Forderung aber nur im Innenverhältnis besteht und nicht geltend gemacht wird, trifft den verpflichteten Kommanditisten noch keine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Kommanditist seinerseits eine mit beschränktem Haftungssubstrat ausgestattete Personengesellschaft ist.

3. Auf doppelstöckige Personengesellschaften ist § 15a EStG anzuwenden.

Als Rechtsfolge bestimmt § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, dass der dem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG nicht mit anderen Einkünften des Kommanditisten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden darf, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Ist Kommanditist eine Personengesellschaft, die ihrerseits --wie im Streitfall-- kraft gewerblicher Prägung oder aus anderen Gründen nur gewerbliche Einkünfte erzielt, kann es auf der Ebene der Kommanditistin nicht zu einem Ausgleich der Verluste mit anderen positiven Einkünften kommen. Die von § 15a Abs. 1 EStG ausgesprochene Rechtsfolge kann demgemäß unmittelbar nicht eintreten.

Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass auf der Ebene der Untergesellschaft § 15a EStG überhaupt nicht anzuwenden ist (so aber Autenrieth, Deutsche Steuer-Zeitung 1987, 121, 124; Seibold, Deutsches Steuerrecht 1998, 438, 440; Nickel/Bodden, Finanz-Rundschau 2003, 391, 392). Vielmehr tritt die Verlustausgleichsbeschränkung mittelbar über die Obergesellschaft ein. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf ggf. an der Obergesellschaft beteiligte unbeschränkt haftende Gesellschafter. Würde auf der Ebene der Untergesellschaft keine Ausgleichsbeschränkung eintreten, könnte ein solcher Obergesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil am Verlustanteil der Obergesellschaft zum Ausgleich mit anderen positiven Einkünften verwenden. Diese Möglichkeit entfällt, wenn der Obergesellschaft bereits keine ausgleichsfähigen Verluste zugewiesen werden. Indessen reflektiert die Ausgleichsbeschränkung in Bezug auf die Obergesellschaft, dass diese wegen Erschöpfung ihrer Einlage durch weitere Verluste einstweilen --bis zur erneuten Erzielung von Gewinnen durch die Untergesellschaft-- wirtschaftlich nicht belastet wird. Mittelbar fehlt es dann auch an einer wirtschaftlichen Belastung des Obergesellschafters, so dass der Zweck des § 15a EStG eine entsprechende Anwendung der Verlustausgleichsbeschränkung auf mehrstöckige Gesellschaften erfordert. Hiervon ist der erkennende Senat auch bereits in seinem Urteil vom 26. Januar 1995 IV R 23/93 (BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467) ausgegangen.

4. Im Streitfall haben die der Kommanditistin zugewiesenen Verluste die Entstehung eines negativen Kapitalkontos i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG bewirkt. Die Abgabe eines abstrakten Schuldversprechens zur Übernahme des Verlusts durch die Beigeladene hat die Entstehung eines negativen Kapitalkontos gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG trotz zivilrechtlicher Wirksamkeit und Verbindlichkeit nicht verhindern können, weil eine wirtschaftliche Belastung durch das Schuldversprechen noch nicht eingetreten ist. In Höhe des betreffenden Betrags, der zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind die Verlustanteile der Kommanditistin mithin zutreffend als lediglich verrechenbar festgestellt worden.

Ende der Entscheidung

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