Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.06.1998
Aktenzeichen: IV R 53/97 (1)
Rechtsgebiete: EStG, FGO, HöfeO, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 4
EStG § 13a
EStG § 14a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a
EStG § 14a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
FGO § 126 Abs. 2
HöfeO § 12
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand leben und zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger bewirtschaftet als Nebenerwerbslandwirt einen Hof mit einer Fläche von 13,5842 ha und ermittelt den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Einkommen der Kläger in dem den Streitjahren vorangegangenen Veranlagungszeitraum 1989 betrug 33 845 DM.

Im Wirtschaftsjahr 1990/91 übertrug der Kläger seiner Frau, der Klägerin, unentgeltlich am 27. November 1990 ein Grundstück zu 534 qm und am 6. Mai 1991 ein weiteres Grundstück von 772 qm. Ein drittes, 712 qm großes Grundstück erhielt die Klägerin am 27. September 1991. Für diese aus dem Betriebsvermögen entnommenen Flächen betrugen die Entnahmegewinne im Wirtschaftsjahr 1990/91 insgesamt 76 692 DM und im Wirtschaftsjahr 1991/92 38 306 DM. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1992 übertrug der Kläger den Hof im Wege vorweggenommener Erbfolge auf seinen ältesten Sohn. Nach dieser Übertragung im Sinne der Höfeordnung (HöfeO) unter Beteiligung der Klägerin und der übrigen gemeinsamen Kinder der Kläger war die Übergabe spätestens zum 1. Oktober 2002 vorgesehen. Aus dem notariellen Vertrag ergab sich ferner, daß sowohl die Klägerin als auch die Tochter der Kläger bereits Grundstücke zur Abfindung erhalten hatten.

Bei Durchführung der Veranlagungen für die Streitjahre 1990 und 1991 versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den für die Übertragung der drei Grundstücke auf die Klägerin beantragten Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG mit der Begründung, der Hofübernehmer habe noch nicht festgestanden und die Klägerin habe nicht auf künftige Altenteilsansprüche verzichtet. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wurde danach unter Einbeziehung der Veräußerungsgewinne für das Wirtschaftsjahr 1990/91 mit 88 445 DM und für das Wirtschaftsjahr 1991/92 mit 49 945 DM ermittelt und den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre jeweils hälftig zugrunde gelegt. Die Einsprüche der Kläger wurden mit der Begründung zurückgewiesen, der Übergabevertrag könne für die Bestimmung des Hofnachfolgers im Zeitpunkt der Übertragung der Grundstücke nicht herangezogen werden.

Der dagegen erhobenen Klage begegnete das FA nur noch mit dem Einwand, als weichende Erbin habe die Klägerin auch auf Altenteilsleistungen verzichten müssen; im übrigen sei zumindest für den Entnahmegewinn des Jahres 1991 die Einkommensgrenze überschritten, weil die steuerbefreiten Entnahmegewinne des Wirtschaftsjahres 1990/91 nach § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG dem Einkommen des Streitjahres 1990 wieder hinzuzurechnen seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte im wesentlichen aus, die Grundstücke seien zur Abfindung der Klägerin als weichender Erbin entnommen worden, weil ein sachlicher Zusammenhang mit der Hoferbfolge bestanden habe. Ein Verzicht der Klägerin auf Altenteilsleistungen sei nicht erforderlich. Auch die in § 14a Abs. 4 Satz 2 EStG bezeichneten Einkommensgrenzen seien nicht überschritten. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1390 veröffentlicht.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Zwar werde die Auffassung des FG geteilt, daß der Klägerin der Freibetrag als weichender Erbin dem Grunde nach zustehe. Das nach § 14a Abs. 4 Satz 2 EStG maßgebende Einkommen sei jedoch ohne Berücksichtigung des Gewinns aus der Veräußerung oder Entnahme und des Freibetrags zu ermitteln. Bei Entnahmen oder Veräußerungen betrieblich genutzter Grundstücke zur Abfindung weichender Erben in mehreren Wirtschaftsjahren hintereinander sei das maßgebende Einkommen i.S. des § 14a Abs. 4 EStG um die Gewinne und Freibeträge aller Veräußerungen und Entnahmen zu bereinigen. Dies folge aus dem Gesetzeswortlaut, wonach das Einkommen des dem Veranlagungszeitraum der Veräußerung oder Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums "ohne Berücksichtigung des Gewinns aus der Veräußerung oder Entnahme und des Freibetrags" die genannte Einkommensgrenze nicht übersteigen dürfe. Für die Berechnung der Einkommensgrenze sei danach nur der im maßgebenden Veranlagungszeitraum erfaßte und berücksichtigte Gewinn auszuscheiden; andere begünstigte Gewinne i.S. des § 14a Abs. 4 EStG seien daher nicht auszuscheiden und die entsprechenden Freibeträge hinzuzurechnen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Unrecht hat das FA die für die Streitjahre beantragten Steuerbefreiungen für die Gewinne aus der Entnahme zur Abfindung der Klägerin als weichender Erbin versagt.

Veräußert oder entnimmt ein Steuerpflichtiger nach dem 31. Dezember 1979 und vor dem 1. Januar 1996 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei einer Veräußerung oder Entnahme entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 120 000 DM übersteigt. Dies gilt nach § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) allerdings nur, wenn der Steuerpflichtige den entnommenen Grund und Boden innerhalb von 12 Monaten nach der Entnahme im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder zur Abfindung weichender Erben diesen übereignet und ferner die unter § 14a Abs. 4 Nr. 2 EStG näher bezeichneten Einkommensgrenzen von 24 000 DM oder 48 000 DM bei zusammenveranlagten Ehegatten für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum nicht überschritten werden.

1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß die Voraussetzungen des § 14a Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 EStG im Streitfall erfüllt sind. Das FA hat insbesondere seine Auffassung aufgegeben, daß die Klägerin solange nicht als weichende Erbin zu betrachten sei, als sie noch auf ihre Ansprüche auf Abfindung nach § 12 HöfeO verzichten könne, um ihren Altenteilsanspruch nach § 14 Abs. 2 HöfeO geltend zu machen. Ob ein solcher Verzicht andererseits, ebenso wie ein Erbverzicht zum Ausschluß der Begünstigung des § 14a Abs. 4 EStG führen kann (so etwa Felsmann/Pape, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983, Anm. D 286; Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 14a EStG Anm. 172; a.A. Leingärtner/Zaisch, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 1598), kann im Streitfall unentschieden bleiben; die Klägerin hat nicht auf ihre Abfindungsansprüche verzichtet. Ein späterer Verzicht würde aber --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- eine Änderung gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht ausschließen (s. auch Senatsurteil vom 4. März 1993 IV R 110/92, BFHE 171, 381, BStBl II 1993, 788).

2. Der Kläger hat seiner Ehefrau, der Klägerin, am 27. November 1990 ein Grundstück und im darauffolgenden Veranlagungszeitraum 1991 zwei weitere Grundstücke seines Betriebsvermögens zur Abfindung als weichender Erbin übertragen. Entgegen der Auffassung des FA übersteigt das Einkommen der Kläger in den den Veranlagungszeiträumen der Entnahmen vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht die in § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG bestimmte Grenze von 48 000 DM.

a) Für die Entnahme in der 2. Hälfte des Veranlagungszeitraums 1990 ergibt sich dies, ohne daß es auf die vom FA vertretene Auslegung der genannten Regelung ankäme. Das FG hat festgestellt, daß das Einkommen der Kläger für den Veranlagungszeitraum 1989 33 845 DM betragen hat. Der im Wirtschaftsjahr 1990/91 angefallene Entnahmegewinn hat keinen Einfluß auf den den Veranlagungszeitraum der Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraum 1989; er erhöht nur das Einkommen der Veranlagungszeiträume 1990 und 1991.

b) Aber auch die Entnahmevorgänge des Veranlagungszeitraums 1991 sind begünstigt. Das Einkommen des diesem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums 1990 ist nicht um den für die Entnahme des Veranlagungszeitraums 1990 oder die Entnahmen des Wirtschaftsjahres 1990/91 begehrten Freibeträge zu erhöhen.

Daß die beiden begünstigten Entnahmevorgänge des Veranlagungszeitraums 1991 das Einkommen 1990 nicht erhöhen dürfen ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG).

Aber auch der für den Veranlagungszeitraum 1990 gewährte Freibetrag erhöht nicht das nach § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG maßgebende Einkommen dieses Veranlagungszeitraums, denn das Einkommen ist auch in bezug auf andere nach § 14a Abs. 4 EStG begünstigte Gewinnrealisierungstatbestände ohne Berücksichtigung dieser Gewinne und Freibeträge zu berechnen. Der Begriff des auch nach § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG maßgebenden Einkommens ergibt sich aus § 2 Abs. 4 EStG. Danach wird das Einkommen als Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, definiert. Der Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG ist als sachliche Steuerbefreiung bereits bei Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft abzuziehen (s. Senatsurteil vom 18. Juni 1998 IV R 9/98, BFHE ..., ...).

c) Im Widerspruch dazu hat das FA einer im Schrifttum vertretenen Auffassung folgend das Einkommen des dem Veranlagungszeitraum der Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums 1990 um die zuvor u.a. auch im Veranlagungszeitraum 1990 zur Abfindung der Klägerin gewährten Freibeträge erhöht (vgl. Felsmann/Pape, a.a.O., 3. Aufl. 1983/1995, Anm. D 311). Diese auch durch ein Beispiel verdeutlichte, indessen nicht weiter begründete Auffassung (Felsmann/Pape, a.a.O., Anm. D 311a) beruht offenbar auf einem von § 2 Abs. 4 EStG abweichenden, der Vorschrift des § 14a Abs. 4 EStG zugrundeliegenden eigenständigen Einkommensbegriff; sie scheint aus der Formulierung in § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 erster Halbsatz EStG ("ohne Berücksichtigung des Freibetrags") zu schließen, daß in allen nicht von dieser Vorschrift erfaßten Fällen eine Hinzurechnung der auf weiteren vorangegangenen Abfindungen beruhenden Freibeträge geboten sei.

d) Dieser Umkehrschluß überzeugt nicht. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, findet eine solche vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Auslegung auch keine Stütze in der Gesetzesbegründung. Denn die Regelung zur Korrektur des Einkommens in § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG wurde erst durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1985 vom 14. Dezember 1984 (BGBl I, 1493, BStBl I, 659) in das EStG eingefügt, nachdem die Finanzverwaltung bereits zuvor das Gesetz in dieser Weise zweckgerichtet ausgelegt hatte (s. Abschn. 133a Abs. 9 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984). Zweck der Regelung war es, den begünstigten Veräußerungs- oder Entnahmegewinn auch insoweit außer Betracht zu lassen, als er über die anteilige Zurechnung des Gewinns eines Wirtschaftsjahres gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG Gewinn und Einkommen des dem Veranlagungszeitraum der Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums erhöht. In der Begründung zum Entwurf eines StBereinG 1985 heißt es dazu (BTDrucks 10/1636, S. 91): "Nach bisher geltendem Recht sind bei Land- und Forstwirten Veräußerungs- und Entnahmegewinne i.S.d. § 14a Abs. 4 wie der laufende Gewinn eines abweichenden Wirtschaftsjahres zeitanteilig auf zwei Kalenderjahre zu verteilen. Veräußerungsgewinne i.S. des § 14a Abs. 4 erhöhen daher mittelbar den Gewinn des vorangegangenen VZ, auch wenn sie erst in dem Teil des Wirtschaftsjahres realisiert werden, der bereits zum nächsten VZ zu rechnen ist. Das führt dazu, daß die Freibetragsregelung des § 14a Abs. 4 nicht mehr anzuwenden ist, weil durch die Aufteilung des Veräußerungsgewinns im vorangegangenen VZ die Einkommensgrenze überschritten wird. § 14a Abs. 4 EStG steht sich in diesem Fall sozusagen selbst im Wege. Durch die vorgeschlagene Änderung wird dieses unerwünschte Ergebnis beseitigt." Daß andere einkommensmindernde Freibeträge bei Berechnung des Einkommens des der Veräußerung oder Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums hinzuzurechnen sind, ergibt sich aus dieser Begründung jedenfalls nicht.

Daraus folgt zugleich, daß die von den Klägern zu Recht beanstandete Auslegung des FA dem Zweck des § 14a Abs. 4 EStG zuwiderläuft. Danach wäre sowohl eine Abfindung mehrerer weichender Erben als auch die Abfindung eines weichenden Erben mit mehreren Grundstücken, wie sie das Gesetz in § 14a Abs. 4 Satz 4 EStG ausdrücklich vorsieht, in den meisten Fällen nur begünstigt, wenn sie zeitgleich erfolgten. Wird dagegen --wie im Streitfall-- ein weichender Erbe nacheinander mit verschiedenen Grundstücken in verschiedenen Wirtschaftsjahren abgefunden, so würde sich § 14a Abs. 4 EStG "selbst im Wege stehen".

Ende der Entscheidung

Zurück