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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.05.2002
Aktenzeichen: IV R 94/99
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 1
Ein selbständig tätiger Verkehrsflugzeugführer erzielt in der Regel Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Gründe:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1991 als Co-Pilot eines Verkehrsflugzeugs tätig. In einem Vertrag mit einer Fluggesellschaft verpflichtete er sich, für die Zeit vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 1991 eine Boeing als Co-Pilot während einer Flugzeit von 500 Stunden zu führen. Zur Führung des betreffenden Flugzeugtyps war der Kläger aufgrund einer in Großbritannien erworbenen und vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) anerkannten Lizenz berechtigt. Als Entgelt erhielt er 110 DM/Stunde zuzüglich Spesenersatz, worüber monatlich abgerechnet wurde. Weitere Ansprüche hatte der Kläger nicht, insbesondere hatte er keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht abgeführt.

Nachdem der Kläger seine Einkünfte zunächst als solche aus Gewerbebetrieb gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) erklärt hatte, erhob er nach aus anderen Gründen erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1991 Klage und machte geltend, er sei freiberuflich tätig gewesen. Seine Tätigkeit sei mit der eines Lotsen oder Ingenieurs vergleichbar. Er müsse ein technisch kompliziertes System beherrschen und habe eine Ausbildung, die nach den in der Verordnung über Luftfahrtpersonal vom 13. Februar 1984 --LuftPersV-- (BGBl I 1984, 266) niedergelegten Voraussetzungen mindestens der eines Flugingenieurs entspreche. Dass seine Tätigkeit in der Tiefe und Breite das Wissen des Kernbereichs eines Flugingenieurs erfordere, zeige sich daran, dass ein Pilot im modernen Zwei-Mann-Cockpit die Tätigkeit eines Flugingenieurs mit übernehmen müsse.

Das Finanzgericht (FG) holte eine Auskunft des LBA darüber ein, ob die Tätigkeit eines Co-Piloten der eines Ingenieurs im Sinne der Rechtsprechung ähnlich sei. Das LBA teilte daraufhin mit, Flugzeugführer und Flugingenieur seien beide zur Durchführung eines sicheren Flugs tätig. Die Richtlinien für ihre Ausbildung seien im Aufbau aus organisatorischen Gründen weitgehend gleich. Dem Anforderungsprofil nach lägen die Schwerpunkte jedoch für den Flugingenieur eindeutig auf technischem, für den Flugzeugführer auf luftrechtlichem, meteorologischem und navigatorischem Gebiet.

Der Erwerb der Erlaubnis für Flugingenieure sei durch § 58 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 5 LuftPersV erleichtert worden, weil nach Reduzierung der Cockpit-Besatzung in den 80er Jahren viele Flugingenieure in Deutschland zu Flugzeugführern umgeschult worden seien und Flugingenieure aus dem Ausland hätten angeworben werden müssen. Da diese die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Nr. 6 LuftPersV nur selten hätten erfüllen können, sei eine Niveauanpassung erfolgt und die Prüfung zum Verkehrsflugzeugführer nach § 15 LuftPersV dem erfolgreichen Besuch einer Fach- oder wissenschaftlichen Hochschule mit einschlägiger Fachrichtung gleichgesetzt worden.

Auf ergänzende telefonische Anfrage des FG teilte das LBA mit, zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Nr. 6 LuftPersV sei nicht der Abschluss eines Ingenieur-Diploms erforderlich. Diplom-Ingenieure seien für eine Tätigkeit als Flugingenieur eindeutig überqualifiziert.

Das FG gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 238 veröffentlichten Urteil statt. Zwar sei der Kläger kein Freiberufler. Die Klage habe aber Erfolg, weil der Kläger nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen habe. Er habe seine Leistungen nicht am Markt gegen Entgelt und für Dritte erkennbar angeboten.

Mit der zugelassenen Revision macht das FA eine Verletzung der §§ 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und unterliegt mit dem Gewinn aus dem Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 GewStG).

1. Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG).

a) Der Kläger ist selbständig tätig. Die Beteiligten und das FG sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht Arbeitnehmer der Fluggesellschaft ist. Arbeitnehmer ist derjenige, der im Rahmen eines Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft schuldet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung --LStDV--). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die tätige Person in der Ausübung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist, ohne ein Unternehmerrisiko zu tragen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Januar 1991 VI R 122/87, BFHE 163, 365, BStBl II 1991, 409; Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., 2001, § 19 Rz. 4). Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse.

Zur Einordnung der Tätigkeit des Klägers in die Organisation der Fluggesellschaft hat das FG keine Feststellungen getroffen. Aus der Art der ausgeübten Tätigkeit folgt aber, dass Ort und Zeit der Leistungserbringung durch den Kläger nicht von ihm frei bestimmt werden können, denn er ist in die Dienstpläne des Flugpersonals seiner Gesellschaft einbezogen. Das steht indessen einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegen. Auch andere als selbständig anerkannte Tätigkeiten können nur im Rahmen einer vom Auftraggeber vorgegebenen Organisation oder zu bestimmter Zeit erbracht werden (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534 unter B. III. 3. d), wie etwa die nebenberufliche Lehrtätigkeit. Klar für eine selbständige Tätigkeit spricht demgegenüber, wenn die tätige Person --wie hier der Kläger-- weder Anspruch auf bezahlten Urlaub noch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat (Senatsurteil vom 24. August 1995 IV R 60-61/94, BFHE 178, 364, BStBl II 1995, 888). Ein Indiz für die Selbständigkeit ist zudem, dass die vereinbarte Vergütung nur für die Flugstunden gewährt wird, nicht aber für die im Zusammenhang damit anfallenden sonstigen sog. Flugdienstzeiten, insbesondere die Aufenthalte außerhalb des Heimatortes.

b) Von den übrigen Tatbestandsmerkmalen einer selbständigen Tätigkeit bedarf nur die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr der Erörterung. Dem FG kann nicht in der Auffassung zugestimmt werden, es fehle an der Erfüllung dieses Merkmals. Es erfordert, dass die Tätigkeit gegen Entgelt am Markt erbracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Erkennbar angeboten wird die Tätigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn sie nur einem einzigen Marktteilnehmer angeboten wird (BFH-Urteile in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N., und vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24). Maßgeblich ist dabei allein die Erkennbarkeit für einen oder mehrere Auftraggeber (BFH-Urteil vom 2. April 1971 VI R 149/67, BFHE 102, 261, BStBl II 1971, 620). Dritten Geschäftspartnern des Auftraggebers braucht demgemäß nicht deutlich zu werden, ob die Tätigkeit vom Auftragnehmer als Subunternehmer selbständig oder im Anstellungsverhältnis unselbständig geleistet wird.

Im Streitfall hat sich der Kläger danach durch das Angebot seiner Flugdienste gegenüber der Fluggesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt, auch wenn für die Fluggäste seine Selbständigkeit nicht erkennbar war. Ob der Kläger faktisch in der Lage war, während des Vertragsverhältnisses mit dieser Fluggesellschaft auch noch Flüge für andere Fluggesellschaften durchzuführen, ist ohne Bedeutung. Die unternehmerische Tätigkeit scheitert nicht daran, dass die betrieblichen Kapazitäten durch Leistungen gegenüber einem einzigen Auftraggeber voll ausgelastet werden. Soweit der Kläger vorträgt, auch rechtlich allein an den einen Auftraggeber gebunden gewesen zu sein, trifft dieser Einwand schon deshalb nicht zu, weil die behauptete Bindung durch die Ausschöpfung der zulässigen Flugstunden eine rein faktische gewesen wäre.

2. Der Kläger übt als Pilot keinen freien Beruf aus. Der Beruf des Piloten ist in dem Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht genannt. Neben den dort ausdrücklich genannten Berufen gehören zur freiberuflichen Tätigkeit auch die diesen Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit.

a) Danach ist der Beruf eines Piloten nicht vergleichbar mit dem Beruf eines Ingenieurs. Ingenieur i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung seit In-Kraft-Treten der Ingenieurgesetze der Länder nur noch, wer das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder einer Ingenieurschule oder den Betriebsführerlehrgang an einer Bergschule abgeschlossen hat (BFH-Urteile vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118, und vom 10. November 1988 IV R 63/86, BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198). Wer geltend macht, einen dem Ingenieur ähnlichen Beruf auszuüben, muss deshalb nachweisen, dass er Kenntnisse auf dem Gebiet des Ingenieurwesens hat, die in der Breite und Tiefe denjenigen entsprechen, die ein Absolvent einer Hochschule oder Fachhochschule erworben hat (Senatsurteile vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73, unter b, und in BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198). Außerdem muss er in mindestens einem Kerngebiet des Ingenieurwesens praktisch tätig sein.

Der Kläger hat nicht vorgetragen, eine Hochschule oder Fachhochschule auf dem Gebiet des Ingenieurwesens abgeschlossen zu haben. Er behauptet auch nicht, die Kenntnisse einer der Fachrichtungen des Ingenieurwesens im Sinne der Ingenieurgesetze durch Selbststudium erworben zu haben. Vielmehr beruft er sich allein darauf, den Kernbereich der Kenntnisse zu besitzen, die auch ein Flugingenieur im Sinne der LuftPersV besitzen muss. Indessen ist ein dem Flugingenieur ähnlicher Beruf nicht mehr ein dem Ingenieur i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlicher Beruf. Diesen Begriff erfüllt seit Bestehen der gesetzlichen Regelungen der Länder über das Berufsbild des Ingenieurs nur noch ein Beruf, der den Erwerb des Basiswissens der Ingenieurwissenschaften durch Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder einer Ingenieurschule oder den Betriebsführerlehrgang an einer Bergschule voraussetzt. Dies gilt für den Beruf des Flugingenieurs jedenfalls nicht mehr seit In-Kraft-Treten der Zweiten Verordnung zur Änderung der LuftPersV vom 30. November 1988 (BGBl I 1988, 2193). Denn damit entfiel das Erfordernis des erfolgreichen Besuchs einer Fach- oder wissenschaftlichen Hochschule mit einschlägiger Fachrichtung nach § 58 Abs. 1 Nr. 6 LuftPersV als zwingende fachliche Voraussetzung für den Beruf des Flugingenieurs. Die Hochschulausbildung kann seither gemäß § 58 Abs. 5 Halbsatz 2 LuftPersV durch die bestandene Prüfung zum Verkehrsflugzeugführer nach § 15 LuftPersV ersetzt werden. Ein Flugingenieur erfüllt danach nur noch dann die Voraussetzungen eines Ingenieurs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn er tatsächlich eine Hoch- oder Fachhochschule der Ingenieurwissenschaften erfolgreich absolviert hat. Dies gilt in gleicher Weise auch für einen Piloten. Er kann ebenfalls nur dann einen ingenieurähnlichen Beruf ausüben, wenn er zuvor ein Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder einer Ingenieurschule erfolgreich abgeschlossen oder aber entsprechende Kenntnisse im Selbststudium erworben hat.

Beide Voraussetzungen werden vom Kläger nicht erfüllt, so dass dahinstehen kann, ob die Ausübung des Pilotenberufs eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ist.

b) Der Kläger übt auch keinen dem Beruf des Lotsen ähnlichen Beruf aus. Lotsen sind entgegen der früheren Behandlung als Gewerbetreibende durch Aufnahme in den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG seit 1960 als Freiberufler anzusehen (Senatsurteil vom 21. Mai 1987 IV R 339/84, BFHE 150, 32, BStBl II 1987, 625). Seelotse ist nach § 1 des Gesetzes über das Seelotswesen (SeelotG) vom 13. Oktober 1954 (BGBl II 1954, 1035) i.d.F. der Neubekanntmachung vom 13. September 1984 (BGBl I 1984, 1213), wer nach behördlicher Zulassung auf Seeschifffahrtsstraßen außerhalb der Häfen berufsmäßig Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleitet. Nach § 21 Abs. 1 SeelotG übt der Seelotse seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf aus. Er führt die Lotsung in eigener Verantwortung durch, unterliegt aber im Übrigen der Aufsicht nach Maßgabe des Gesetzes (§ 21 Abs. 2 SeelotG). Die Erfüllung seiner Berufspflichten wird außerdem von der Lotsenbrüderschaft überwacht, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts diese Aufgabe durch § 28 Abs. 1 Nr. 1 SeelotG ausdrücklich zugewiesen ist.

Demgegenüber ist die Tätigkeit eines Piloten nicht durch Gesetz als selbständige (freiberufliche) Tätigkeit ausgestaltet. Sie unterliegt keiner laufenden Aufsicht durch die Behörden; der Pilot ist nicht Mitglied einer Berufskammer. Damit ist der Beruf des Piloten dem des Lotsen nicht i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich. Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann einem Beruf, der eine Berufszulassung erfordert und der einer Überwachung durch die Behörden unterliegt, nur ein ebenso an Zulassung und Überwachung gebundener Beruf ähnlich sein (BFH-Urteil vom 29. November 2001 IV R 65/00, BFHE 197, 228, BStBl II 2002, 149).

3. Die Revision des FA ist danach begründet. Das FA hat den Kläger zutreffend als Gewerbetreibenden angesehen. Die Klage gegen den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid ist unbegründet und war dementsprechend abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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