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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.09.2003
Aktenzeichen: IV S 7/03
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 4
EStG § 18
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) war in den Streitjahren (1992 und 1993) als freier Mitarbeiter für Steuerberater X tätig. Zuvor war er nach Abschluss einer Banklehre und einigen Jahren einer Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter von zwei GmbH mit dem Aufbau eines bundesweiten Vertriebssystems für ein Softwarehaus betraut gewesen.

X führte im Auftrag der Treuhandanstalt (THA) die Privatisierung und Liquidation ehemaliger volkseigener DDR-Betriebe durch. Für 17 Betriebe übertrug X mit Einverständnis der THA dem Antragsteller die Vorbereitung der Unternehmensveräußerung zur selbständigen Erledigung. Dies geschah durch telefonische Absprachen; schriftliche Vereinbarungen wurden nicht geschlossen. Über sein Honorar rechnete der Antragsteller mit X nach Zeitaufwand ab und wies in den Rechnungen Umsatzsteuer aus. Nach seinen Angaben bezog der Antragsteller weder ein festes Gehalt noch Leistungen im Urlaubs- und Krankheitsfall.

In seinen Steuererklärungen bezeichnete sich der Antragsteller als Unternehmensberater und erklärte Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Das damals zuständige Finanzamt behandelte die Einkünfte jedoch als solche aus Gewerbebetrieb und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre. Nach erfolglosem Einspruch machte der Antragsteller mit der Klage geltend, er habe keine gewerblichen Einkünfte bezogen. Die Einkünfte seien vielmehr solche i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG), und zwar nach Abs. 1 Nr. 1 oder nach Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu.

Mit der dagegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Antragsteller auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und macht Verfahrensfehler geltend sowie Rechtsfehler, die die Entscheidung als objektiv willkürlich erscheinen ließen.

Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) hatte ursprünglich antragsgemäß die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ausgesetzt. Nach Ergehen des finanzgerichtlichen Urteils endete die Aussetzung. Einen nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erneut gestellten Aussetzungsantrag lehnte das FA ab und wies auch den anschließend erhobenen Einspruch zurück.

Der Antragsteller begehrt nun eine Aussetzung der Vollziehung durch den Bundesfinanzhof (BFH). Unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschwerdeschrift beständen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Da dem FG schwerwiegende Rechts- und Verfahrensfehler unterlaufen seien, sei zweifelhaft, ob das Urteil Bestand haben könne. Außerdem stelle die Versagung der Aussetzung eine unbillige Härte dar. Denn es seien Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Höhe von 20 591,81 € angedroht worden. Der Antragsteller sei als alleinverdienender Ehemann und Vater von zwei schulpflichtigen Kindern in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht, wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt Vollstreckungsmaßnahmen für zulässig erklärt würden. Selbst wenn die Bescheide vom BFH nicht aufgehoben würden, müssten Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen werden. Diese seien aber nur dann sinnvoll, wenn abschließend und rechtskräftig entschieden sei.

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 1992 und 1993 vom 16. Juli 1998 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, den Aussetzungsantrag abzulehnen.

Es trägt vor, die Antragsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Einspruchsverfahren über den Aussetzungsantrag berücksichtigt worden seien. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide beständen nicht. Auch komme eine Aussetzung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht. Denn diese könne nicht auf allgemeine Billigkeitsgründe, sondern nur auf eine in der Vollstreckung vor Unanfechtbarkeit liegende Unbilligkeit gestützt werden.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist begründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Ein diesbezüglicher Antrag ist nach § 69 Abs. 4 FGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Da der Antragsteller Nichtzulassungsbeschwerde erhoben hat, ist der BFH das Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 FGO. Auch sind die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO für die unmittelbare Anrufung des BFH erfüllt. Das FA hat einen Antrag auf weitere Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.

2. Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ist auszusetzen, weil ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen und der beschließende Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom heutigen Tag die Revision zugelassen hat.

Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bzw. Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, m.w.N.).

Bei summarischer Prüfung bestehen ernstliche Zweifel daran, ob der Antragsteller in den Streitjahren eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat. Zwar hat der Antragsteller unzweifelhaft keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG entfaltet. Denn er übte keinen der in dieser Vorschrift genannten Katalogberufe oder einen diesen ähnlichen Beruf aus. Das wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht mehr in Frage gestellt. Zweifelhaft und im Revisionsverfahren zu klären ist aber, ob eine Tätigkeit zur Abwicklung von Treuhandunternehmen als Betätigung i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen ist und --für den Fall, dass diese Frage bejaht wird-- ob auch derjenige, der eine solche Tätigkeit im Unterauftrag selbständig ausübt, Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit erzielt. Beide Fragen bedürfen noch der höchstrichterlichen Klärung.

Ende der Entscheidung

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