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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.08.2004
Aktenzeichen: IV S 7/04
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, ZPO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 4
FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 59
FGO § 69 Abs. 2 Satz 4
AO 1977 § 181 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 a
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 b
ZPO § 59
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Zwischen den Beteiligten war vor dem Finanzgericht (FG) streitig, ob der Gewinn aus der Veräußerung von Grundstücksflächen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen ist.

Die Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) sind neben ihrer Mutter die Miterben nach ihrem im Jahr 1986 verstorbenen Vater. Die Mutter übertrug ihren hälftigen Anteil an dem ererbten Grundbesitz im Jahr 1989 zu gleichen Teilen auf die beiden Kläger. Der Vater hatte nach den Feststellungen des FG zunächst einen eigenen, ca. 5,2 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb selbst betrieben. Er hatte mit der Erklärung über die Tierhaltung für das Wirtschaftsjahr 1979/80 vom 9. Dezember 1981 angegeben, die selbst bewirtschaftete Fläche betrage nur noch 2 ha. Die Erbengemeinschaft teilte mit Schreiben vom 8. Juni 1991 der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft mit, die land- und forstwirtschaftlichen Flächen würden seit Januar 1988 nicht mehr bewirtschaftet.

Die erzielten Einkünfte aus den einzelnen Grundstücken wurden seit dem Jahr 1986 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Entsprechend der am 10. März 1992 abgegebenen Feststellungserklärung stellte der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) die Einkünfte für das Streitjahr (1991) in Höhe von 2 104 DM als solche aus Vermietung und Verpachtung fest und rechnete sie den beiden Klägern je zur Hälfte zu.

Ein von der X abgegebenes Angebot, die Flurstücke A, B, C und D in der Gemarkung ..., Flur ... (insgesamt 4,4315 ha) für 4 250 000 DM zu kaufen, hatten die beiden Kläger am 7. Januar 1991 angenommen. Mit Schreiben vom 2. Mai 1991 hatte das FA um Übersendung der Übertragungsverträge gebeten. Laut Vermerk vom 11. Mai 1991 hatte die Klägerin zu 1 u.a. mitgeteilt, die Übertragung werde erst Mitte 1991 erfolgen.

Im Anschluss an die mit Verfügung vom 2. Dezember 1998 für die Einkünfte des Jahres 1991 angeordnete Betriebsprüfung stellte das FA Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 4 116 591 DM fest, nachdem es zuvor 4 100 001 DM angesetzt hatte, die es den beiden Klägern wiederum je zur Hälfte zurechnete. Das FA ging davon aus, die Verkäufe an die X hätten eine Aufgabe des weiterbestandenen Betriebes bewirkt. Verbleibende Flächen seien steuerpflichtig in das Privatvermögen zu überführen, während das Wohnhaus steuerfrei zu entnehmen sei. In der Einspruchsentscheidung vom 31. März 2000 erkannte das FA Maklerkosten in Höhe von 530 000 DM als Veräußerungskosten an und ermittelte einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 3 636 551 DM, wobei es (andererseits) den Veräußerungspreis um 50 000 DM höher als bisher ansetzte.

Mit der Klage machten die Kläger geltend, ihr Vater habe seinen Betrieb bereits 1970 endgültig aufgegeben. Er habe eine landwirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt und eine Anlage L zur Steuererklärung nicht mehr abgeben müssen. Bereits damals seien landwirtschaftliche Nutzflächen veräußert worden, ohne dass das FA die Erlöse erfasst habe. Bereits im Jahr 1961 habe für die streitigen Flächen ein bestandskräftiger Bebauungsplan bestanden. Zwischen 1970 und 1980 seien einzelne Flächen als Straßengelände enteignet worden. Die stillgelegten Flächen seien nicht verpachtet gewesen; lediglich ein kleines Baugrundstück sei im Wege der Erbpacht vergeben gewesen. Die Zinsen daraus seien bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärt worden. Die Erklärung zur Tierhaltung vom 9. Dezember 1981 sei inhaltlich falsch gewesen.

Ob der Vater eine ausdrückliche Aufgabeerklärung abgegeben habe, sei nicht feststellbar. Wegen der Veräußerung von erheblichen Flächen sei eine Zwangsaufgabe anzunehmen. Zudem sei ein ruhender Betrieb nicht anzunehmen, weil ein Nachfolger wegen der Ausweisung der restlichen Flächen als Wohngebiet nicht mehr hätte wirtschaften können. Im Übrigen sei die Feststellungserklärung 1991 am 10. März 1992 abgegeben worden. Die Festsetzungsfrist habe daher am 31. Dezember 1996 geendet.

Die Klage hatte --abgesehen davon, dass das FG dem vom FA in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag folgend den Veräußerungsgewinn auf 3 591 859 DM herab- und den laufenden Gewinn (aus Land- und Forstwirtschaft) auf 22 366 DM heraufgesetzt hat-- keinen Erfolg. Das FG führte u.a. aus:

Der Vater der Kläger habe den Betrieb nicht aufgegeben. Dass er möglicherweise die Eigenbewirtschaftung eingestellt habe, führe nicht dazu, dass das "Brachland" stillschweigend aus dem Betriebsvermögen ausscheide. Die Verkleinerung des Betriebs durch Veräußerung von Teilflächen in den Jahren 1970 bis 1980 habe nicht zu einer Zwangsaufgabe geführt. Das gelte auch für die Ausweisung als Bauland. Eine landwirtschaftliche Nutzung habe jederzeit stattfinden können. Die Restfläche, von der der Vater nach seiner Erklärung über die Tierhaltung noch 2 ha bewirtschaftet habe, reiche für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb aus.

Entnahme und Betriebsaufgabe setzten eine unmissverständliche Erklärung gegenüber dem FA voraus. Solche Vorgänge hätten die Kläger nicht nachgewiesen.

In die Stellung ihres Vaters seien die Kläger als Gesamt- bzw. als Einzelrechtsnachfolger nach ihrer Mutter eingetreten. Die Erbengemeinschaft habe lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Das stelle jedoch keine Aufgabeerklärung des gesamten Betriebes dar. Da die Erklärungen nicht den Veräußerungsgewinn aus den verkauften 4,4315 ha umfasst hätten, sei das FA nicht gehindert gewesen, diesen im angefochtenen Bescheid zu berücksichtigen. Die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte seien mehreren Einkunftsarten zuzurechnen gewesen. Mangels entsprechender Erklärung habe die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 1994 begonnen und erst mit Ablauf des Jahres 1998 geendet. Die Festsetzungsfrist sei damit gewahrt gewesen.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Dagegen haben die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 jeweils Beschwerde erhoben und diese gesondert begründet.

Außerdem beantragen die beiden Kläger sinngemäß, die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1991 in Gestalt des Finanzgerichtsurteils vom 16. Dezember 2003 sowie der aufgrund dieses Urteils ergangenen Einkommensteuerbescheide auszusetzen.

Das FA beantragt, die Anträge der Kläger abzulehnen.

I. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheides ist zulässig und begründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Ein diesbezüglicher Antrag ist nach § 69 Abs. 4 FGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder teilweise abgelehnt hat.

Da die Antragsteller Nichtzulassungsbeschwerde erhoben haben, ist der Bundesfinanzhof (BFH) das Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 FGO. Auch sind die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO für die unmittelbare Anrufung des BFH erfüllt. Das FA hat nach Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerden die von beiden Klägern beantragte AdV des angefochtenen Feststellungsbescheides abgelehnt.

Im Übrigen hat das FA von der angefochtenen Feststellung bereits dadurch Gebrauch gemacht, dass es die entsprechenden Folgerungen in den gegen beide Kläger ergangenen Einkommensteuerbescheiden gezogen hat.

2. Der Antrag auf AdV des angefochtenen Feststellungsbescheides 1991 ist auch begründet.

a) Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung). Die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, m.w.N.). Sie kann sogar dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte.

b) Im Streitfall ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides 1991 in diesem Sinne ernstlich zweifelhaft.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die von den Klägern gegen die Annahme eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebes geltend gemachten Gründe durchgreifen könnten. Entscheidend ist hier in erster Linie, ob die am 10. März 1992 beim FA eingegangene Erklärung über die von der Erbengemeinschaft (bestehend aus den beiden Klägern) 1991 nach ihrer Ansicht erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 181 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bewirkt hat, dass die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen und mit Ablauf des Jahres 1996 (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) geendet hat. Diese Frage bejaht der Senat nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. insoweit z.B. den Senatsbeschluss vom 18. September 2002 IV S 3/02, BFH/NV 2003, 187).

Auf die von den Klägern erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag die Revision zugelassen.

Die Klägerin zu 1 hat zu Recht geltend gemacht, dass das FG von dem BFH-Beschluss vom 22. Januar 1997 II B 40/96 (BFHE 181, 571, BStBl II 1997, 266) abgewichen ist. Danach beginnt die Festsetzungsfrist i.S. von § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wird; und zwar sogar dann, wenn die abgegebene Steuererklärung teilweise unvollständig oder unrichtig ist. Etwas anderes gilt nur, wenn die Erklärung derart lückenhaft ist, dass dies praktisch auf das Nichteinreichen der Erklärung hinausläuft. Vom letzteren Fall ist offenbar das FG ausgegangen. Es stellt nämlich allein darauf ab, dass die erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 festzustellen sind, während eine solche Feststellung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO 1977 zu erfolgen hat. Dagegen macht die Klägerin zu 1 geltend, dass tatsächlich eine Erklärung für die jetzt strittigen Grundstücke abgegeben worden sei, die allerdings aus der Sicht des FA und des FG unrichtig gewesen sei. Da aber die Finanzverwaltung sogar bei Abgabe einer unrichtigen oder mangelhaften Erklärung imstande ist, ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen (Senatsurteil vom 6. November 1969 IV 249/64, BFHE 97, 405, BStBl II 1970, 168; BFH-Beschluss vom 7. Mai 1992 V B 161/89, BFH/NV 1993, 141), muss --jedenfalls bei summarischer Prüfung-- auch eine solche Erklärung den Beginn der Festsetzungsverjährung auslösen, zumal das FA im vorliegenden Fall unter derselben Steuernummer bereits um Übersendung der Veräußerungsverträge für die strittigen Grundstücke gebeten hatte.

Jedenfalls war die Zulassung der Revision wegen der von der Klägerin zu 1 aufgeworfenen Rechtsfrage zur Auslegung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 hinsichtlich unrichtiger Erklärung zur Feststellung gemeinschaftlich bezogener Einkünfte zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO).

Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob auch die Beschwerdeschrift des Klägers zu 2 den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügte. Da die aus den beiden Klägern bestehende Gemeinschaft aufgelöst wurde, sind sie hinsichtlich des angefochtenen Feststellungsbescheides notwendige Streitgenossen i.S. von § 59 FGO i.V.m. § 59 der Zivilprozessordnung (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 59 Rz. 8, m.w.N.).

3. Da das FG den angefochtenen Bescheid in seinem Urteil (noch einmal) geändert hat, ist die Vollziehung des Feststellungsbescheides 1991 in der Fassung auszusetzen, die er im Urteil des FG vom 16. Dezember 2003 gefunden hat (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 12. Januar 1978 IV S 12-13/77, BFHE 124, 147, BStBl II 1978, 227).

II. Die als förmliche Anträge unzulässigen Begehren der Kläger, auch die Vollziehung der aufgrund des FG-Urteils vom 16. Dezember 2003 ergangenen Einkommensteuerbescheide auszusetzen (s. z.B. den Senatsbeschluss vom 25. April 1977 IV S 3/77, BFHE 122, 18, BStBl II 1977, 612), versteht der Senat lediglich als Hinweis auf § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO. Diesem wird das FA, das die betreffenden Bescheide am 26. Februar 2004 (für die Klägerin zu 1) und am 4. Februar 2004 (für den Kläger zu 2) erlassen hat, nachkommen.



Ende der Entscheidung

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