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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: IX B 181/01
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 110
FGO § 116 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --einem sog. geschlossenen Immobilienfonds-- wurde im Anschluss an eine Betriebsprüfung der Bescheid vom 22. April 1998 zugesandt. In dem Bescheid wurde ein Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 43 873 262 DM festgesetzt. Dagegen hat die zur Geschäftsführung berufene Komplementärin, die B-GmbH (GmbH) mit Schreiben vom 28. Mai 1998 Einspruch eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) gestellt. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, mit der Wahrung von Fristenangelegenheiten sei in der GmbH eine besonders zuverlässige und geschulte Kraft beauftragt gewesen, bei deren regelmäßiger Überprüfung es in der Vergangenheit keine Beanstandungen gegeben habe.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) verwarf den Einspruch wegen Verspätung als unzulässig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führt das FG im Wesentlichen an:

Die Beachtung von Fristen gegenüber behördlichen Bescheiden gehöre zum Kernbereich der Aufgaben eines GmbH-Geschäftsführers, die er grundsätzlich selbst persönlich wahrzunehmen habe. Die Grundsätze über die Entschuldbarkeit von Büroversehen bei Rechtsanwälten oder Angehörigen der steuerberatenden Berufe gälten nicht für gewerbliche Betriebe. Hier seien an die Entschuldbarkeit strengere Anforderungen zu stellen. Sei ein Geschäftsführer mit der Überwachung sämtlicher Fristen überfordert, könne er --gestaffelt nach der Bedeutsamkeit der Fälle-- Angestellte in die Fristenüberwachung einbeziehen. Diese Voraussetzung sei jedoch hier bei etwa 30 Bescheiden pro Jahr, davon 25 Routinebescheiden, nicht gegeben. Der Geschäftsführer der GmbH habe die Fristen in eigener Person überwachen müssen.

Die Geschäftsleitung der GmbH habe auch kein sicheres Kontrollsystem installiert. Vielmehr werde bei Abwesenheit des Geschäftsführers die eingehende Post sogleich auf den Sachbearbeiter und nicht etwa auf den weiteren Geschäftsführer der GmbH verteilt. Diesen Organisationsmangel müsse sich die Klägerin als eigenes Verschulden zurechnen lassen.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und ferner, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordere (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das beklagte FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO sind zum Teil nicht gemäß § 116 Abs. 3 FGO dargelegt und zum Teil nicht gegeben.

1. Die Klägerin macht geltend, das Urteil des FG weiche mit seiner Aussage, der Geschäftsführer einer GmbH habe die Beachtung von Fristen gegenüber behördlichen Bescheiden grundsätzlich persönlich wahrzunehmen, von der Rechtsprechung des BFH ab. Das Vorbringen ist insofern nicht schlüssig, als sie lediglich vorträgt, die Entscheidung des BFH, auf die sich das FG berufe, enthalte darüber keine Aussage. Ein --unterstellt-- unzutreffendes Zitat beinhaltet noch keine Abweichung von der zitierten Entscheidung.

2. Es bedarf keiner Klärung der Frage, "ob im Rahmen des § 110 AO tatsächlich vorab die Zulässigkeit --d.h. die Erforderlichkeit-- der Einschaltung von Hilfspersonen zu erfolgen hat". Sie ist durch die Rechtsprechung geklärt.

Die Klägerin muss sich das Verschulden ihrer gesetzlichen Vertreter wie eigenes Verschulden anrechnen lassen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 6), d.h. die Klägerin das Verschulden ihrer Geschäftsführerin (§ 34 Abs. 1 AO 1977), der GmbH, diese das Verschulden ihres Geschäftsführers (§ 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Von der GmbH zu erfüllende Verpflichtungen, darunter die Pflicht, Fristen zu überwachen, treffen grundsätzlich den Geschäftsführer der GmbH. Er kann diese Aufgabe einem Angestellten übertragen, wenn er sie nach Lage der Dinge nicht persönlich erfüllen, d.h. im Streitfall, die Fristen selbst nicht überwachen kann (BFH-Beschluss vom 13. Februar 1969 V R 100/68, BFHE 94, 569, BStBl II 1969, 263). Es ist also zunächst zu prüfen, ob der Geschäftsführer im konkreten Fall, d.h. bei etwa 30 Bescheiden pro Jahr, seine Verpflichtung auf einen Angestellten übertragen durfte. Das ist keine Frage die über den Streitfall hinaus von Interesse ist (BFH-Beschluss vom 3. August 2000 III B 33/97, BFH/NV 2001, 292), weil ihre Beantwortung von den besonderen Umständen des gegebenen Sachverhalts abhängt.

3. Die Frage, ob bei der Delegation von Aufgaben auf einen Angestellten die Grundsätze betreffend sog. Büroversehen in Kanzleien entsprechend gelten, ist eine Frage der zutreffenden Anwendung des geltenden Rechts im Streitfall. Die Klägerin trägt selbst nicht vor, dass das FG dabei von einer Entscheidung des BFH i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO abgewichen sei, denn unstreitig hat sich das FG auf die einschlägige Entscheidung des BFH berufen. Sie behauptet lediglich, dass die Rechtsansicht des FG darin keine Stütze finde. Danach hat das FG die Entscheidung möglicherweise falsch ausgelegt; das ist aber noch keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

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