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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.01.2006
Aktenzeichen: IX B 56/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 76
FGO § 96
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gründeten im November 1992 eine inzwischen vollbeendete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem Zweck, in einem Gewerbegebiet im Land Brandenburg ein Gewerbeobjekt (eine Halle mit Geschäftsbüro) zu errichten und zu vermieten. Zeitgleich erwarben sie das zu bebauende Grundstück von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), an der drei der Gesellschafter der GbR beteiligt waren; die Auflassung des Grundstücks erfolgte im April 1993, die Eintragung der Eigentumsänderung im Dezember 1994.

Im November 1992 erteilte die GbR der GmbH den Auftrag, auf dem Grundstück eine Produktionshalle mit Büroräumen zu erstellen. Das im April 1993 fertig gestellte und übergebene Gebäude vermietete sie durch Mietvertrag vom 23. Februar 1993 an ein Transportunternehmen spätestens ab 1. Juli 1993 auf unbestimmte Zeit mit dem Recht zur Untervermietung; zugleich unterbreitete eine andere GbR (M-GbR) ein bis zum 31. Dezember 1996 unwiderrufliches Kaufvertragsangebot über das Grundstück. Mit Grundstückskaufvertrag vom 26. März 1996 wurde das Grundstück an die M-GbR veräußert.

In ihren Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1993 bis 1996 erklärte die GbR hinsichtlich des Grundstücks Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zunächst erklärungsgemäß berücksichtigte, aber später aufgrund einer Außenprüfung --im Hinblick auf bereits von Anfang an gegebene Verkaufsplanungen-- wegen fehlender Überschusserzielungsabsicht durch geänderte Feststellungsbescheide nicht mehr anerkannte.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) nach umfangreicher Beweisaufnahme ab, weil die GbR bereits bei Erwerb des Grundstücks und in der Folgezeit beabsichtigt habe, das Grundstück an die M-GbR bis zum 31. Dezember 1996 zu veräußern, ohne bis dahin einen Einnahmenüberschuss aus der Vermietung erzielen zu können.

Insbesondere sei die Aussage des Zeugen X, er habe sich erst im Jahre 1996 auf Grund neuer Entwicklungen zum Erwerb durch die M-GbR entschlossen, in zahlreichen Einzelpunkten widerlegt und damit in dem für die Streitentscheidung maßgeblichen Punkt nicht glaubhaft. So sei dessen Aussage, ein von ihm auf dem Nachbargrundstück geplantes Bauvorhaben habe sich erst später in Gesprächen mit dem zuständigen Bauordnungsamt als nicht uneingeschränkt, sondern nur im Zusammenhang mit dem streitigen Grundstück als optimal durchführbar erwiesen, nicht mit dem tatsächlichen Geschehensablauf vereinbar. Denn der Zeuge habe bereits Ende Januar 1996 der finanzierenden Bank gegenüber seine Kaufabsicht bekannt gemacht und den Kaufvertrag über das streitige Grundstück bereits am 26. März 1996 abgeschlossen, während die das Nachbargrundstück betreffenden Bauzeichnungen und Bauantragsunterlagen erst am 15. und 16. April 1996 gefertigt worden und am 7. Mai 1996 bei der Baubehörde eingegangen seien.

Dabei unterstelle der Senat zu Gunsten der Kläger, dass die von ihnen benannten Zeugen Y und Z die in ihr Wissen gestellten Tatsachen bestätigt hätten, die Erörterungen des Architekten Y mit dem Bauordnungsamt seien schon lange vor der Einreichung der Bauantragsunterlagen im Mai 1996 geführt worden und hätten Tage und Wochen gedauert. Die Kläger hätten jedoch keinen Beweis angetreten dafür, dass der Architekt Y die behaupteten Gespräche schon vor Januar 1996 geführt habe. Der Senat habe daher von einer Vernehmung der benannten Zeugen Y und Z abgesehen.

Die Kläger hätten zudem nicht einmal behauptet, diese Gespräche hätten ergeben, die zuerst beantragte Bebauung sei unter der Voraussetzung des Hinzuerwerbs des streitigen Grundstücks für genehmigungsfähig erklärt worden. Folglich hätten sie dafür keinen Beweis angeboten. Eine solche Behauptung wäre auch damit unvereinbar gewesen, dass der Bauantrag vom 7. Mai 1996 ohne Einbeziehung des streitigen Grundstücks in die Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück gestellt worden sei.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das angefochtene Urteil rügen die Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das FG zu Unrecht ihren Antrag auf Vernehmung des Klägers T zu dessen Verweigerung eines Grundstücksverkaufs bis zum Jahre 1996 abgelehnt habe.

Des Weiteren habe das FG gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es den in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugen Y und Z zu der Frage, welche Gespräche mit dem Bauordnungsamt geführt worden seien, sowie zum Hergang der Gespräche nicht berücksichtigt habe.

Sie beantragen, die Revision gegen das angefochtene Urteil wegen Verfahrensmängeln zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG habe die Beteiligtenvernehmung des Zeugen T ermessensfehlerfrei abgelehnt. Es habe auch die beantragte Zeugenvernehmung von Y und Z zu Recht abgelehnt, weil die Kläger nicht behauptet hätten, die Gespräche hätten vor 1996 stattgefunden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln nach Maßgabe des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

1. Soweit das FG die beantragte Vernehmung des Klägers T über dessen Widerstand als Mitgesellschafter gegen die Veräußerung des streitigen Grundstücks abgelehnt hat, liegt die von den Klägern geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs nicht vor.

Verfahrensfehlerhaft abgelehnt ist ein Beweisantrag nämlich nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache nach Maßgabe der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 79, m.w.N.). Danach hat das FG die Vernehmung des Zeugen T nicht verfahrensfehlerhaft abgelehnt, weil es nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung auf die Ablehnung einer Grundstücksveräußerung durch den Kläger wegen der abweichenden Mehrheit von 70 v.H. der anderen Gesellschafter nicht ankam.

Ob diese materiell-rechtliche Auffassung mit den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Einklang steht oder sich insoweit --wegen einer bis zum Kaufvertragsabschluss fehlenden Einstimmigkeit der Gesellschafter-- die von den Klägern geäußerten Zweifel ergeben, kann als materiell-rechtlicher Mangel nicht mit einer --hier ausschließlich erhobenen-- Verfahrensrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht werden (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

2. Schließlich liegt auch der von den Klägern gerügte Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts nach Maßgabe der §§ 76 und 96 FGO nicht vor, soweit das FG die beantragte Vernehmung der Zeugen Y und Z abgelehnt hat.

a) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Es ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Danach muss die Tatsacheninstanz den Sachverhalt erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel so vollständig wie möglich aufklären. Auf die Erhebung eines von einem Beteiligten bezeichneten Beweismittels darf im Regelfall nur verzichtet werden, wenn das FG die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar oder die Tatsache rechtsunerheblich ist (BFH-Urteile vom 19. September 1985 VII R 164/84, BFH/NV 1986, 674; vom 19. Juni 1997 V R 54/96, BFH/NV 1998, 174). Das sich daraus ergebende Verbot vorweggenommener Beweiswürdigung ist insbesondere auch dann betroffen, wenn das Gericht das Gegenteil der behaupteten (Indiz-)Tatsache bereits für erwiesen hält und deshalb von einer beantragten Beweisaufnahme über diese (Indiz-)Tatsache absieht (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. Februar 1992 2 BvR 1179/91, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1993, 254 f.; Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 22. September 1992 BVerwG 7 B 40.92, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 Nr. 71; vom 20. Mai 1998 BVerwG 7 B 440.97, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 153, m.w.N.). Dabei ist ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht auch dann gegeben, wenn das FG bei seiner Wahrunterstellung einen Beweisantrag bescheidet, der so nicht gestellt worden ist, und damit die Form der Wahrunterstellung der beantragten Sachverhaltsaufklärung nicht gerecht wird (BFH-Beschluss vom 17. März 1994 V R 92/91, BFH/NV 1995, 314).

b) Nach diesen Maßstäben ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das FG von der beantragten Vernehmung der Zeugen Y und Z abgesehen hat.

Zu Recht ist das FG --zugunsten der Kläger-- davon ausgegangen, dass der Beweisantrag (auf Vernehmung der Zeugen über den Hergang der Gespräche mit dem Bauamt) im Zusammenhang mit den vorher erfolgten Zeugenvernehmungen darauf gerichtet war, die Behauptung unter Beweis zu stellen, dass der Erwerber des streitigen Grundstücks seine Kaufabsicht erst nach den kurz vor der Veräußerung geführten Gesprächen mit dem Bauamt über sein auf dem Nachbargrundstück geplantes Bauvorhaben gebildet habe (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Beweisantrags Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. Juni 1992 5 StR 74/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 334).

Seine Auffassung, gleichwohl von einer Vernehmung der benannten Zeugen abzusehen, begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.

Dabei kann dahinstehen, ob der Beweisantrag tatsächlich --wie vom FG einschränkend ausgelegt-- nur den Ablauf und die Ergebnisse von Gesprächen im Jahre 1996 betreffen sollte (mit der Folge, dass sie wegen der bereits im Januar 1996 erklärten Kaufabsicht nicht für diese Absicht ursächlich sein könnten) oder wegen einer insoweit fehlenden zeitlichen Einschränkung die Wahrunterstellung von Gesprächen nur im Jahre 1996 der beantragten Sachverhaltsaufklärung --auch hinsichtlich früherer Gespräche-- nicht gerecht wird (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 314). Denn selbst wenn insoweit ein Verfahrensmangel in Betracht käme, wäre er nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO unbeachtlich, weil darauf die angefochtene Entscheidung ausweislich ihrer weiteren Begründung nicht beruhen kann (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 I R 205/82, BFHE 158, 210, BStBl II 1990, 687; BFH-Beschluss vom 29. November 2000 I B 8/00, BFH/NV 2001, 624).

Zwar ist ein Verfahrensfehler schon dann erheblich, wenn nur die Möglichkeit einer anderen Entscheidung des Gerichts besteht (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1993 VIII R 7/93, BFH/NV 1994, 891). Hat aber das FG seine Entscheidung --wie im Streitfall-- alternativ auf zwei Begründungen gestützt, kann die angefochtene Entscheidung nur dann auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen, wenn dieser beide Begründungen betrifft (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Juli 1992 V B 41/92, BFH/NV 1993, 37; vom 19. Januar 2000 II B 41/99, BFH/NV 2000, 1102).

Die Rüge der Kläger, das FG habe zu Unrecht nur Gespräche des Architekten der M-GbR mit dem Bauamt im Jahre 1996 als vom Beweisantrag umfasst angesehen, betrifft in diesem Sinne nicht die davon unabhängige Alternativbegründung des FG. Diese Alternativbegründung geht dahin, der Beweisantrag umfasse nicht die Behauptung, nach dem Ergebnis der noch vor dem schriftlichen Bauantrag geführten Gespräche sei die zuerst beantragte Bebauung unter der Voraussetzung des Hinzuerwerbs des Grundstücks der Kläger für genehmigungsfähig erklärt worden; eine solche Behauptung wäre auch damit unvereinbar gewesen, dass der Bauantrag vom 7. Mai 1996 ohne Einbeziehung des Grundstücks der Kläger in die Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück gestellt worden sei.

Ende der Entscheidung

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