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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: IX B 63/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist begründet; das angefochtene Urteil ist wegen Verfahrensfehlern aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Recht rügen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Verletzung der Pflicht des FG, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) sowie die Beteiligten zur Ergänzung ungenügender Angaben und Erklärungen anzuhalten (§ 76 Abs. 2 FGO); die erhobenen Einwände stellen sich zugleich als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs i.S. des § 96 Abs. 2 FGO dar.

a) Nach Auffassung des FG ist die tatsächliche Durchführung des entgeltlichen Wohnungsrechts, das die Klägerin mit ihren Eltern bereits in dem Vertrag über die Übertragung des Eigentums an dem Elternhaus vereinbart hatte und das erst im Jahre 2001 gelöscht wurde, nicht glaubhaft gemacht worden, nachdem die Kläger entgegen ihrer Zusage im Erörterungstermin vor dem FG die ladungsfähige Anschrift der Mutter der Klägerin zur Durchführung einer Beweisaufnahme über deren Zahlungen nicht übermittelt hätten.

b) Dagegen wenden die Kläger zu Recht ein, dass sie von einer Beweisbedürftigkeit der streitigen Zahlungen (aufgrund des vereinbarten entgeltlichen Wohnungsrechts) im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr ausgehen mussten, nachdem sie

- im Nachgang zu dem Erörterungstermin entsprechend ihrer Zusage die ladungsfähige Anschrift ihrer Tochter sowie auch die ihres Lebensgefährten benannt, zugleich aber auf die Entbehrlichkeit einer Vernehmung der Mutter angesichts der vorgelegten schriftlichen Bestätigung über die erfolgten Zahlungen hingewiesen hatten,

- das FG in seinem Hinweisschreiben vom 7. Februar 2006 ohne weiteres Verlangen nach Mitteilung der Zeugenanschrift lediglich um Erläuterungen der streitigen Mietzahlungen gebeten und

- in der mündlichen Verhandlung die Notwendigkeit einer unmittelbaren Vernehmung der Mutter der Klägerin als Zeugin nicht erneut angesprochen hatte.

aa) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) wie auch der Verletzung der richterlichen Hinweispflichten i.S. des § 76 Abs. 2 FGO genügt zunächst den formalen Anforderungen, weil sie die tatsächliche Durchführung der streitigen Zahlungen aufgrund der entgeltlichen Wohnrechtseinräumung als aufklärungsbedürftige Tatsache und das Ergebnis einer ggf. durchzuführenden Beweisaufnahme benennt sowie begründet, warum die Kläger aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr in der mündlichen Verhandlung gerügt werden konnten (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Beschlüsse vom 24. Juli 2002 V B 25/02, BFHE 199, 85, BFH/NV 2002, 1407; vom 19. Dezember 2003 V B 83/02, BFH/NV 2004, 676; vom 17. März 2005 X B 46/04, BFH/NV 2005, 1132; vom 19. April 2005 XI B 243/03, BFH/NV 2005, 1586; vom 7. Dezember 2005 I B 90/05, BFH/NV 2006, 601).

bb) Die Rüge ist auch der Sache nach begründet. Nachdem die Kläger im Anschluss an den vom FG durchgeführten Erörterungstermin ihrer Zusage entsprechend die ladungsfähigen Anschriften der Tochter und ihres früheren Lebensgefährten schriftlich mitgeteilt und zugleich ihre Auffassung über die Entbehrlichkeit einer Vernehmung der Mutter der Klägerin dargelegt hatten, mussten sie nicht mehr von der Beweisbedürftigkeit der streitigen Zahlungen ausgehen, nachdem das FG

- sich ihnen gegenüber --ohne auf eine fortbestehende Notwendigkeit der ladungsfähigen Anschrift der Mutter hinzuweisen-- auf die Bitte um Erläuterung der streitigen Mietzahlungen beschränkt und

- auch in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls nach Erörterung der Mietzahlungen nicht auf eine fortbestehende Beweisbedürftigkeit der streitigen Zahlungen hingewiesen hatte.

Bei dieser Sachlage hätte das FG Veranlassung sehen müssen, bei fortbestehenden Zweifeln über die tatsächliche Durchführung der Zahlungen auf die Notwendigkeit einer ergänzenden Beweisaufnahme durch die bereits von den Klägern als Zeugin benannte Mutter und infolgedessen auf die Angabe ihrer ladungsfähigen Anschrift hinzuweisen.

Die Unterlassung dieses Hinweises verletzt auch den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO). Denn ein solcher Verstoß ist insbesondere anzunehmen, wenn auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abgestellt wird, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter --wie hier aufgrund des gerichtlichen Verhaltens vor und in der mündlichen Verhandlung-- nicht zu rechnen braucht (vgl. BFH-Urteile vom 22. März 1972, II R 121/68, BFHE 105, 515, BStBl II 1972, 637; vom 21. März 1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732; Beschluss vom 28. Mai 1998 III B 5/98, BFH/NV 1998, 1352).

c) Das FG hat das vom Kläger behauptete Mietverhältnis mit seiner Ehefrau, der Klägerin, über (für anwaltliche Zwecke genutzte) Räume im Erdgeschoss ihres Hauses nicht anerkannt, weil dessen tatsächliche Durchführung und zumindest die Erfüllung der vertraglichen Hauptpflichten nicht festgestellt werden könne. Insbesondere sei nicht feststellbar, dass die Mietzahlungen "wie behauptet" bar geflossen seien. Trotz der erkennbaren Wichtigkeit von Belegen habe der rechtlich nicht unerfahrene Kläger keine Nachweise über die Zahlungen beigebracht. Es sei ungewöhnlich und damit unwahrscheinlich, dass der Kläger monatlich einen Betrag in Höhe der vereinbarten Miete von seinem Geschäftskonto abgehoben und der Klägerin übergeben habe. Darüber hinaus seien entgegen den mietvertraglichen Vereinbarungen keine Nebenkosten gezahlt worden. Auch wenn es sich dabei nicht um eine der Hauptpflichten handele, sei ein darauf bezogener Verzicht unter fremden Dritten unüblich, so dass das Mietverhältnis insgesamt einem Fremdvergleich nicht stand halte.

d) Dagegen wenden die Kläger zu Recht ein, dass sie aufgrund des Verhaltens des Gerichts vor und in der mündlichen Verhandlung nicht von der Beweisbedürftigkeit der streitigen Zahlungen ausgehen mussten und das angefochtene Urteil deshalb als Überraschungsentscheidung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, weil das FG weder nach Vorlage des Mietvertrags noch nach den darauf bezogenen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung weitere Belege oder Mietquittungen angefordert habe.

Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist insbesondere anzunehmen, wenn auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abgestellt wird, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter --wie hier aufgrund des gerichtlichen Verhaltens vor und in der mündlichen Verhandlung-- nicht zu rechnen braucht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 105, 515, BStBl II 1972, 637; in BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732; Beschluss in BFH/NV 1998, 1352).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

Das FG hat in seinem Erörterungstermin lediglich hinsichtlich anderer Mietverhältnisse eine Beweisbedürftigkeit bejaht, nur darauf bezogene Zusagen der Kläger auf Benennung von ladungsfähigen Anschriften möglicher Zeugen protokolliert und ausschließlich auf diese Mietverhältnisse bezogen einen Beweisbeschluss erlassen. Es hat des Weiteren nur mit Aufklärungsverfügung vom 7. Februar 2006 u.a. um Erläuterungen der hier streitigen Mietzahlungen (für die beruflich genutzten Räume) gebeten, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung gegeben hat und die ausweislich des Protokolls keine Nachfragen des Gerichts veranlasst haben.

Bei dieser Sachlage hatten die Kläger ersichtlich keine Veranlassung für die Annahme, das FG habe Zweifel an der tatsächlichen Durchführung des Mietverhältnisses. Darüber hinaus ergaben sich für die Kläger auch aus dem Ablauf der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte für die unterschiedliche Würdigung der Barzahlungen, die das FG in den Urteilsgründen hinsichtlich der Mietzahlungen der Tochter für unschädlich, hinsichtlich der Zahlungen des Klägers an die Klägerin als seine Ehefrau aber für schädlich angesehen hat. Auf dieser Grundlage hätte das FG die Kläger auf seine --nicht erkennbar gewordenen-- Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der Zahlungen hinweisen müssen, um den Klägern die Notwendigkeit ergänzenden Vortrags und ggf. zur Stellung etwaiger Beweisanträge vor Augen zu führen.

Ende der Entscheidung

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