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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: IX R 1/01
Rechtsgebiete: FGO, BGB, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 2
BGB § 812
BGB § 946
BGB § 951 Abs. 1
BGB § 951
EStG § 22 Nr. 2
EStG § 23
EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a
EStG § 23 Abs. 4
EStG § 23 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die nichtselbständig tätigen Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im März 1993 ein Einfamilienhaus, das sie bereits seit 1987 als Mieter bewohnten. Aufgrund ihrer Versetzung an einen anderen Dienstort veräußerten sie das Haus im Februar 1994 und erwarben ein Einfamilienhaus in der Nähe der neuen Arbeitsstätte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) errechnete aus dem Verkauf des ersten Hauses unter Berücksichtigung weiterer nachgewiesener Kosten einen Gewinn, den er als Spekulationsgewinn der Besteuerung unterwarf.

Dagegen trugen die Kläger im Einspruchsverfahren erfolglos vor, im Zeitpunkt der Veräußerung sei die Spekulationsfrist i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung bereits abgelaufen gewesen. Bereits kurz nach Bezug des 1987 zunächst angemieteten Hauses habe die frühere Eigentümerin ihnen eine Veräußerung des Hauses zugesagt, sobald dies möglich sei; zusammen mit dem daraufhin im Jahr 1989 eingeräumten --notariell beurkundeten-- Vorkaufsrecht sowie dem bestehenden Mietvertrag hätten sie bereits zu jenem Zeitpunkt die Stellung wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks gehabt. Abgesehen davon sei § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht anwendbar, weil der An- und Verkauf des Hauses nicht aus spekulativen Gründen, sondern ausschließlich wegen der vom Dienstherrn angeordneten Versetzung und damit unter Zwang erfolgt sei; denn ohne die Veräußerung hätten sie den Erwerb des Hauses in der Nähe der neuen Arbeitsstätte nicht finanzieren können. Im Übrigen müsse der vom FA errechnete Gewinn um die Kosten für Investitionen gemindert werden, die sie in den Jahren vor Abschluss des Kaufvertrages in Erwartung des Erwerbs getätigt hätten.

Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 750 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des Verfahrensrechts und des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG.

Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 1994 unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1996 ohne Ansatz des Gewinns aus der Grundstücksveräußerung festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Zu Recht hat das FG im Streitfall ein Spekulationsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG bejaht.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen --und verfassungsgemäßen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 9. Juli 1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, BStBl II 1970, 156; Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. August 1969 VI R 319/67, BFHE 96, 520, BStBl II 1969, 705, und vom 7. August 1970 VI R 166/67, BFHE 100, 93, BStBl II 1970, 806)-- Fassung liegen u.a. bei Grundstücken Spekulationsgeschäfte vor, die zu sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 EStG) führen, wenn es sich um Veräußerungsgeschäfte handelt, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt.

a) Ein solches Veräußerungsgeschäft unterliegt in den durch § 23 Abs. 4 EStG bestimmten Grenzen der Einkommensbesteuerung, ohne dass es nach der gesetzlichen Definition entgegen der Ansicht der Kläger auf den Grund der Betätigung des Steuerpflichtigen (Spekulationsabsicht, Krankheit, drohende Enteignung, sonstiger Zwang wie z.B. im Streitfall aufgrund arbeitsplatzbedingter Ortswechsel usw.) ankommt (ständige Rechtsprechung: BVerfG-Beschluss in BVerfGE 26, 302, BStBl II 1970, 156; BFH-Urteile vom 16. Januar 1973 VIII R 96/70, BFHE 108, 502, BStBl II 1973, 445; vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469, m.w.N.; zum ausnahmsweise die Anwendung des § 23 EStG ausschließenden Zwangsaustausch mit Ersatzgrundstücken und ähnlichen besonderen Zwangslagen vgl. BFH-Urteil in BFHE 96, 520, BStBl II 1969, 705, m.w.N.).

b) Zu Recht sind FA und FG davon ausgegangen, dass Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks durch die Kläger innerhalb von zwei Jahren erfolgt sind.

aa) Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der obligatorische (Kauf-)Vertrag abgeschlossen wird (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 1963 VI 120/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1964, 157; vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BFHE 173, 144, BStBl II 1994, 687; vom 30. November 1999 IX R 70/96, BFHE 190, 425, BStBl II 2000, 262, und vom 2. Oktober 2001 IX R 45/99, BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10). Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen. Dabei setzt der Normzweck, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, voraus, dass die entsprechenden --schuldrechtlichen-- Vertragserklärungen des Verkäufers und des Erwerbers innerhalb der Spekulationsfrist abgegeben worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614, m.w.N.).

bb) Allerdings weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass bereits vor Abschluss eines solchen notariellen (Grundstücks-) Kaufvertrages wirtschaftlich der Vollzug eines Erwerbs mit der Folge gegeben sein kann, dass bereits ab diesem früheren Zeitpunkt die Frist i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu laufen beginnt. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Erwerber bereits zu diesem früheren Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum an dem Objekt --durch Übergang von Gefahr, Nutzen und Lasten-- übertragen wird (BFH-Urteil in BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10, m.w.N.).

Ein solcher Übergang wirtschaftlichen Eigentums liegt ersichtlich noch nicht vor, solange der spätere Erwerber ein Grundstück lediglich --wie im Streitfall-- aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages nutzt und ihm lediglich ein Vorkaufsrecht hinsichtlich des Grundstücks eingeräumt wurde. Denn das Vorkaufsrecht schränkt nicht die Verfügungsbefugnis des Eigentümers über das Grundstück ein: Unabhängig davon kann er frei entscheiden, ob er einen Kaufvertrag über das Grundstück mit einem Dritten abschließt und erst damit die Voraussetzung für eine Ausübung des Vorkaufsrechts schafft (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1971 VIII R 84/71, BFHE 104, 513, BStBl II 1972, 452).

An dieser Verfügungsbefugnis des (bürgerlich-rechtlichen) Eigentümers ändert sich auch nichts dadurch, dass dieser eine Eigentumsübertragung --wie im Streitfall behauptet-- mündlich zugesagt hat oder die Mieter einen Verwendungsersatzanspruch gegen den Eigentümer wegen baulicher Investitionen in das Mietobjekt gemäß §§ 951 Abs. 1, 946 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bei Beendigung des Mietverhältnisses ohne Eigentumsübertragung hätten geltend machen können. Aufgrund dieser Umstände kann entgegen der Auffassung der Kläger das wirtschaftliche Eigentum schon deshalb nicht auf sie übergegangen sein, weil zum einen der mit dem Formzwang der Grundstücksübertragung (§ 313 BGB) bezweckte Übereilungsschutz durch eine mündliche Vereinbarung oder Zusage nicht unterlaufen werden kann. Zum anderen kommt wirtschaftliches Eigentum eines Mieters aufgrund von Verwendungsersatzansprüchen gegen den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer nach §§ 951, 946, 812 BGB nur dann in Betracht, wenn diese Ansprüche --anders als im Streitfall-- dem Verkehrswert des Gebäudes entsprechen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 2001 X R 23/99, BFH/NV 2002, 100; vom 18. Juli 2001 X R 69/00, BFH/NV 2002, 171).

2. Auch die Berechnung des Spekulationsgewinns durch das FG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Obwohl § 23 EStG in seinem letzten Absatz von "Gewinn oder Verlust" aus Spekulationsgeschäften spricht, handelt es sich um Überschusseinkünfte, für deren Ermittlung die zugeflossenen Einnahmen den abgeflossenen Werbungskosten gegenüberzustellen sind (BFH-Urteil in BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469). Gewinn oder Verlust aus einem Spekulationsgeschäft ist danach der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten (§ 23 Abs. 4 Satz 1 EStG). Unter Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von einem Dritten zu verstehen. Der Begriff "Anschaffungskosten" in § 23 Abs. 4 Satz 1 EStG ist mit dem Begriff der Anschaffungskosten in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG identisch (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345) und gilt gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte; vom Steuerpflichtigen selbst geschaffene Wirtschaftsgüter sind danach nicht "angeschafft" (BFH-Urteil in BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614). Deshalb können eigene Baumaßnahmen des Erwerbers bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns nach § 23 Abs. 4 EStG nicht mindernd berücksichtigt werden, wenn sie --wie ersichtlich auch im Streitfall-- keine substantielle Umgestaltung zu einem anderen Wirtschaftsgut zur Folge haben (vgl. BFH-Urteile vom 31. August 1994 X R 66/92, BFH/NV 1995, 391, 393; vom 27. August 1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135). Schon im Hinblick auf diesen Grund für die Nichtberücksichtigung des Aufwands ("fehlende substantielle Umgestaltung") kann es keinen Unterschied machen, ob der Aufwand nach Erwerb des Objekts oder --wie im Streitfall-- schon vorher entstanden ist.

3. Schließlich hat das FG, soweit es von einer Vernehmung der von den Klägern benannten Zeugin abgesehen hat, nicht Verfahrensrecht verletzt, weil es die unter Beweis gestellte Tatsache --selbst aus der Sicht der Kläger-- als wahr unterstellt hat.

Ende der Entscheidung

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