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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.01.2001
Aktenzeichen: IX R 101/97
Rechtsgebiete: BauGB, EStG, AO, AO 1977, FGO


Vorschriften:

BauGB § 31
EStG § 22 Nr. 3
AO § 165 Abs. 1
AO 1977 § 157
AO 1977 § 124 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 122 Abs. 1 Satz 3
AO 1977 § 129
FGO § 135 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden, sind Eigentümer eines Einfamilienhauses. Unter dem 6. Juni 1989 teilte das zuständige Bauaufsichtsamt den Klägern mit, dass beabsichtigt sei, für die geplante Bebauung des Nachbargrundstücks eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 des Baugesetzbuches (BauGB) zu erteilen und dazu ihre Äußerung erbeten werde. Zur Durchführung des Bauvorhabens schloss die Eigentümerin des Nachbargrundstücks mit den Klägern am 17. Januar 1992 eine "Vereinbarung über die Erteilung der nachbarschaftlichen Einwilligung", in der die Kläger ihr Einverständnis zu der Baumaßnahme erklärten und auf eventuelle nachbarrechtliche Einspruchsrechte verzichteten; dafür erhielten sie "zur Abgeltung und Abfindung einer Beeinträchtigung ihrer nachbarrechtlichen Belange einen Wertausgleich von 50 000 DM". Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erfasste diesen Betrag mit Änderungsbescheid vom 6. April 1995 als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 199).

Mit der am 4. November 1997 beim FG eingegangenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 22 Nr. 3 EStG. Der entgeltliche Verzicht auf die Ausübung nachbarschaftlicher Rechte gegen eine Bebauung des Nachbargrundstücks sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) steuerbar.

Unter dem 5. November 1997 hat das FA einen geänderten Steuerbescheid für das Streitjahr erlassen und die Einkommensteuer ohne Ansatz der strittigen Abfindung in der vom FG ausgeurteilten Höhe festgesetzt. In dem maschinell erstellten und an die Kläger persönlich adressierten Bescheid heißt es unter der Zwischenüberschrift "Festsetzung": "Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufig. Er ist geändert." Ferner befindet sich dort ein handschriftlicher Zusatz: "Festsetzung nach dem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz Az.: 5 K 2093/95 vom 09.09.97." Die "Erläuterungen" des Bescheids enthalten u.a. den Satz: "Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 06.04.95" sowie den Hinweis, dass der Bescheid hinsichtlich des Arbeitnehmerpauschbetrags und der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen vorläufig sei. Der Bescheid ist mit der im Veranlagungsverfahren üblichen Rechtsbehelfsbelehrung versehen, enthält jedoch nicht den während des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 68 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.) erforderlichen Hinweis.

Das FA führt dazu aus: Da das FG die Steuer herabgesetzt habe, habe es keines besonderen Verwaltungsaktes mehr bedurft. Mit der Steuerfestsetzung vom 5. November 1997 sei lediglich der vom FG festgesetzte Einkommensteuerbetrag zur Erfassung der Eingabedaten und zur Abrechnung wiederholt worden. Als wiederholender Verwaltungsakt entfalte die Festsetzung keine Wirkung. Sie sei auch deshalb nicht wirksam, weil die während des Rechtsmittelverfahrens erforderliche Bekanntgabe an den Prozessbevollmächtigten bewusst unterlassen worden sei. Die Revision sei daher nach wie vor zulässig.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragen sinngemäß, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, hilfsweise die Revision als unzulässig zu verwerfen, äußerst hilfsweise die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt. Das Urteil des FG ist wirkungslos.

1. Die Kläger haben ihren Antrag, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, vorrangig zur Entscheidung des Gerichts gestellt.

Da das FA an seiner Revision festgehalten hat, ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Die Erledigung ist durch den geänderten Steuerbescheid vom 5. November 1997 eingetreten, mit dem das FA die Einkommensteuer --entsprechend dem Klagebegehren-- ohne Berücksichtigung des strittigen "Wertausgleichs" von 50 000 DM in derselben Höhe wie das FG festgesetzt hat.

Diese --auch vom FA im Revisionsverfahren so bezeichnete-- Steuerfestsetzung erfüllt alle Merkmale eines Steuerbescheids gemäß § 155 Abs. 1, § 157 der Abgabenordnung (AO 1977). Dies wird besonders deutlich durch die Erläuterung im Bescheid, nach der dieser Bescheid den (mit der Klage angefochtenen) Bescheid vom 6. April 1995 ändert. Auch der handschriftliche Zusatz im Festsetzungsteil, nach dem es sich um eine "Festsetzung nach dem Urteil" des FG handelt, lässt nicht erkennen, dass es dem FA nur um eine Erfassung der Eingabedaten und eine Abrechnung ging. Allein die Tatsache, dass das FA annähernd zeitgleich mit dem Erlass dieses Steuerbescheids Revision eingelegt hat, reicht nicht aus, um diese Steuerfestsetzung vom Ausgang des Revisionsverfahrens abhängig zu machen. Eine solche Bedingung hätte jedenfalls --wie sich aus § 119 Abs. 1, § 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ergibt-- ausdrücklich in den Bescheid aufgenommen werden müssen (BFH-Urteile vom 2. März 1990 III R 75/85, BFHE 160, 395, BStBl II 1990, 747; vom 5. März 1991 VIII R 6/88, BFHE 164, 319, BStBl II 1991, 744; BFH-Beschlüsse vom 24. März 1993 I R 91/92, BFH/NV 1994, 44; vom 23. August 1993 IX R 29/89, BFH/NV 1994, 114).

Der nach Einlegung der Revision erlassene Bescheid vom 5. November 1997 ist entgegen der Auffassung des FA nicht deshalb unwirksam, weil er nicht an den Prozessbevollmächtigten, sondern --unter fehlerhafter Ermessensausübung nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1994 VI R 98/93, BFHE 174, 208, BStBl II 1994, 806)-- an die Kläger persönlich bekannt gegeben worden ist. Er ist jedenfalls dadurch wirksam geworden, dass die Kläger ihn an ihren Bevollmächtigten weitergeleitet haben (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 24/87, BFHE 155, 472, BStBl II 1989, 346). Damit ist der ursprünglich mit der Klage angefochtene Steuerbescheid vom 6. April 1995 wirkungslos geworden (vgl. Beschluss des BFH vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231).

Der Rechtsstreit ist erledigt. Eine Berichtigung des Bescheids vom 5. November 1997 nach § 129 AO 1977 kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1984 II R 30/81, BFHE 142, 357, BStBl II 1985, 218).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Das FA ist im Streit um die Erledigung in vollem Umfang unterlegen.



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