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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: IX R 13/06
Rechtsgebiete: FGO, EigZulG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
EigZulG § 2 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Februar 2001 zum Kaufpreis von 310 000 DM ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Das Gebäude befand sich in einem schlechten baulichen Zustand und wurde von den Klägern für 253 591 DM umgebaut und saniert; sie ließen die gesamte Dachkonstruktion sowie die Außenmauern und die tragende Mittelwand des Obergeschosses abreißen und wieder aufbauen. Im Zuge der Neuerrichtung des Daches wurde das Obergeschoss nunmehr als Vollgeschoss ausgeführt und zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Die Holzbalkendecke zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss sowie der Fußboden im Obergeschoss wurden vollständig neu hergestellt, Teile des Außenmauerwerkes im Erdgeschoss entfernt und erneuert sowie im Keller und im Erdgeschoss umfangreiche Feuchtigkeitsschäden beseitigt. Darüber hinaus wurden im gesamten Haus die Installationen erneuert.

Die Kläger beantragten für das von ihnen selbstgenutzte Einfamilienhaus ab 2001 die Gewährung einer Eigenheimzulage; den Fördergrundbetrag setzten sie mit 5 v.H. der Bemessungsgrundlage (höchstens 5 000 DM) an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte nur einen Fördergrundbetrag von 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage (höchstens 2 500 DM).

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines Urteils aus, gegen die Herstellung eines neuen Gebäudes spreche, dass die tragende Mauerwerkskonstruktion auch ersetzt worden sei, um veränderte Grundrisse zu verwirklichen. Selbst wenn sämtliche vorgenommenen Baumaßnahmen auch wegen des vorgefundenen Verschleißes erforderlich gewesen wären, sei im Streitfall kein neues Gebäude hergestellt worden; weder Außenmauern im wesentlichen Umfang noch Fundamente seien im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen ausgetauscht worden. Demgegenüber habe die Erneuerung der Geschossdecken und der --auch tragenden-- Innenwände im Obergeschoss keine so große Bedeutung, als dass sie es rechtfertigen würden, das Haus als neu hergestellt anzusehen; denn die Außenmauern prägten das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes. Im Streitfall seien die vorgenommenen Maßnahmen für eine Neuherstellung nicht ausreichend, da trotz allem noch wesentliche Teile der Bausubstanz im Gebäudeinneren, insbesondere im Keller und im Erdgeschoss, erhalten geblieben seien.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts (§§ 2 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 2 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes --EigZulG-- in der ab 2001 gültigen Fassung).

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2003 aufzuheben und den Bescheid über Eigenheimzulage vom 11. Juli 2002 dahingehend zu ändern, dass der Fördergrundbetrag für 2001 in Höhe von 5 000 DM und für die Jahre 2002 bis 2008 in Höhe von 2 556 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet; sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat die Gewährung der Eigenheimzulage für einen Neubau mit einer unzutreffenden Begründung versagt.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus begünstigt. Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG), aber nur für die Kalenderjahre, in denen er die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG). Der Anspruch auf Eigenheimzulage entsteht mit Beginn der Nutzung der hergestellten oder angeschafften Wohnung (§ 10 EigZulG).

2. Eine Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist nicht nur dann hergestellt, wenn eine neue, bisher nicht vorhandene Wohnung geschaffen wird. Auch Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung können zur Neuherstellung einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG führen, wenn diese dadurch als bautechnisch neu zu beurteilen ist (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. März 2005 IX R 60/04, BFH/NV 2005, 1505, m.w.N.).

a) Bautechnisch neu bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (z.B. BFH-Beschluss vom 26. April 2005 IX B 191/04, BFH/NV 2006, 256; s. dazu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 21. Dezember 2004, BStBl I 2005, 305, Rz 11 Satz 2 und Rz 93). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z.B. Geschossdecken, die Dachkonstruktion, Fundamente oder tragende Außen- und Innenwände. Wird hingegen nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus (z.B. BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, unter II. 2. a; BFH-Beschluss vom 8. März 2005 IX B 183/04, BFH/NV 2005, 1243, m.w.N.).

b) Von einer Neuherstellung der Wohnung kann dabei aus Vereinfachungsgründen auch ausgegangen werden, wenn der angefallene Bauaufwand zuzüglich des Wertes der Eigenleistung nach überschlägiger Berechnung den Wert der Altbausubstanz (Verkehrswert) übersteigt. Bei diesem Vergleich müssen jedoch typische Erhaltungsaufwendungen außer Betracht bleiben (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 256, m.w.N.; s. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 305, Rz 11).

c) Welche Umstände im Einzelfall dazu führen, dass die Alt- oder Neubauteile dem Gesamtkomplex das Gepräge geben, kann nur durch die Tatsacheninstanz aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse entschieden werden (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1505, m.w.N.). Die revisionsrechtliche Überprüfung durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192, m.w.N.).

3. Nach diesen Maßstäben kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

a) Das FG hat bei seiner Gesamtwürdigung nicht beachtet, dass es nach der Rechtsprechung des BFH (dazu unter II. 2.) unerheblich ist, aus welchen Gründen --zur Beseitigung bestehender Schäden oder zum Anfügen eines Neubaus-- Gebäudeteile neu eingefügt werden. Es hat darüber hinaus zu Unrecht bei der Überprüfung, ob die Alt- oder Neubauteile dem Gesamtkomplex nach dem Gesamtbild der Verhältnisse das Gepräge geben, ausschließlich darauf abgestellt, dass Teile der Bausubstanz im Gebäudeinneren, insbesondere im Keller und im Erdgeschoss, erhalten geblieben sind.

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH als Revisionsinstanz kann die (erforderliche) Gesamtwürdigung, ob die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben, nicht selbst vornehmem. Im Übrigen hat das FG von seinem Standpunkt aus zutreffend noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die verwendeten Neubauteile bei überschlägiger Berechnung den Wert der Altbausubstanz übersteigen.

4. Da das Urteil bereits aus materiell-rechtlichen Gründen aufzuheben war, kommt es auf die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmängel nicht mehr an.

Ende der Entscheidung

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