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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: IX R 23/99
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 1
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7
EStG § 11 Abs. 1
EStG § 3 Nr. 50
GG Art. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind Eigentümer zweier Häuser. In einem der Häuser bewohnen sie eine Wohnung gemeinsam mit ihren Eltern; die anderen Wohnungen sind vermietet.

In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften für das Jahr 1996 machten sie als Werbungskosten die Pauschbeträge in Höhe von ... DM und ... DM geltend. Da Einnahmen aus Umlagen nicht erklärt wurden, erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Schätzungswege Einnahmen aus Umlagen in Höhe der Pauschale.

Im Einspruchsverfahren erklärten die Klägerinnen für das Streitjahr Einnahmen aus Umlagen in Höhe von ... DM und ... DM. In einem Änderungsbescheid wurden diese Einnahmen erfasst und die Pauschalen abgezogen. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Klägerinnen Klage, die das Finanzgericht (FG) abwies.

Mit der Revision machen die Klägerinnen geltend, dass es bei der Tätigkeit im Rahmen der Nebenkostenumlage an jeglicher Einkünfteerzielungsabsicht fehle und die Umlagen mithin auch nicht den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllten. Bei den Umlagen handele es sich um nichtsteuerbaren Aufwendungsersatz, da der Vermieter lediglich im Interesse seiner Mieter tätig werde und für diese in Vorlage trete. Darüber hinaus seien die Umlagen der Hausverwaltung und nicht ihnen zugeflossen.

Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 13. Januar 1999 XII 533/98 aufzuheben und unter Aufhebung der Einspruchsbescheide vom 23. Juli 1998 und Änderung des Feststellungsbescheides vom 11. Februar 1998 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1996 auf ... DM herabzusetzen und sie den Klägerinnen je zur Hälfte zuzurechnen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet; sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die von den Klägerinnen vereinnahmten Umlagebeträge als Einnahmen im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) erfasst.

1. a) Einnahmen sind gemäß § 8 Abs. 1 EStG alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Die Vermögensmehrung muss durch eine der Einkunftsarten veranlasst sein.

Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) gehören nicht nur die für die Überlassung eines Gegenstandes gezahlten Miet- oder Pachtzinsen, sondern auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind.

Umlagen und Nebenentgelte, die der Vermieter für die Nebenkosten oder Betriebskosten (vgl. Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung --II.BV--) erhebt, sind durch das jeweilige Mietverhältnis veranlasst und gehören zu den Einnahmen bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung.

Für die steuerrechtliche Beurteilung dieser Zahlungen als Einnahmen ist unbeachtlich, dass damit ein entsprechender Aufwand des Vermieters abgegolten wird und Überzahlungen ggf. an die Mieter zurückzuzahlen sind. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zählen auch diejenigen Beträge, die Werbungskosten ersetzen, in den Jahren des Zuflusses zu den steuerpflichtigen Einnahmen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 28. März 1995 IX R 41/93, BFHE 177, 414, BStBl II 1995, 704; vom 22. September 1994 IX R 13/93, BFHE 175, 546, BStBl II 1995, 118; vom 23. März 1993 IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748; vgl. auch Birk in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 8 EStG Anm. 33; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 59 ff.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 8 Rz. 35).

Dass der Steuerpflichtige die Umlagen oder Nebenentgelte zweckgebunden zur Zahlung der Werbungskosten verwendet, führt zu keinem anderen Ergebnis; denn der Zufluss einer Einnahme i.S. des § 8 Abs. 1 EStG i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG setzt nicht voraus, dass dem Steuerpflichtigen der zugeflossene Vermögensvorteil auf Dauer (endgültig) verbleibt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Juli 1997 VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767; vom 13. Oktober 1989 III R 30-31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, m.w.N.).

b) Bei den von den Mietern erhobenen Umlagen oder Nebenkosten handelt es sich nicht um nicht steuerbaren Aufwendungs- oder Auslagenersatz. Die für Arbeitnehmereinkünfte geltende Sonderregelung des § 3 Nr. 50 EStG, die Beiträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden, steuerfrei stellt, gilt nicht für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Darüber hinaus kann jedenfalls bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein nicht steuerbarer Aufwendungsersatz nicht anerkannt werden. Selbst wenn es sich bei den Umlagen oder Nebenentgelten um eine Ersatzleistung handeln würde, wären diese als Einnahmen zu erfassen und die entsprechenden Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar.

c) Umlagen und Nebenentgelte gehören auch nicht zu den durchlaufenden Posten, denn sie werden vom Vermieter nicht im Namen und für Rechnung des Mieters vereinnahmt und verausgabt (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG; Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 EStG Rz. 24).

d) Die Umlagen können auch nicht mit der Begründung von der Besteuerung ausgenommen werden, die Klägerinnen hätten insoweit keine Einkünfteerzielungsabsicht.

Hiergegen spricht bereits, dass die Klägerinnen die Umlage als Einnahme benötigen, um die ihnen in Rechnung gestellten Nebenkosten zu begleichen. Der Einwand, einzelne Einnahmepositionen seien ohne Einkünfteerzielungsabsicht vereinnahmt worden, ist im Übrigen unbeachtlich, denn die der Umlage zugrunde liegende Tätigkeit oder Vermögensnutzung dient insgesamt der Erzielung positiver Einkünfte. Das Merkmal der Überschusserzielungsabsicht dient dazu, die einkommensteuerrelevante Tätigkeit oder Vermögensnutzung von Tätigkeiten abzugrenzen, die nicht unter die Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Es ist nicht entscheidend, ob jede einzelne Vermögensposition auf Dauer gesehen zu einer Vermögensmehrung bei dem Steuerpflichtigen führt. Eine isolierte Betrachtung der Abrechnung von Nebenkosten scheidet aus, denn die Vereinnahmung der Mietumlagen oder von Nebenentgelten ist untrennbar mit der Vermietungstätigkeit verbunden.

e) Die Klägerinnen können sich auch nicht darauf berufen, dass die Umlagen der Hausverwaltung und nicht ihnen zugeflossen seien. Erwirtschaftet der Steuerpflichtige Einkünfte durch gesetzliche oder gewillkürte Vertreter, genügt für den Zufluss der Zahlungseingang beim Vertreter (Trzaskalik, in: Kirchhof/ Söhn, a.a.O., § 11 Rdnr. B 19, m.w.N.). Die Hausverwaltung vertritt die Klägerinnen gegenüber den Mietern. Die von der Hausverwaltung eingenommenen Gelder sind daher den Klägerinnen zuzurechnen.

2. Die Erfassung der vereinnahmten Nebenkosten als Einnahmen i.S. des § 8 EStG ist nicht verfassungswidrig. § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet auch keine Steuerfreistellung der vereinnahmten Umlagen.

a) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Klägerinnen sich schon deshalb nicht auf die Verfassungswidrigkeit des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG berufen können, weil im Fall der Nichtigkeit dieser Vorschrift nur schwer vorstellbar wäre, dass der Gesetzgeber rückwirkend eine Regelung erließe, die die vereinnahmten Nebenkosten generell von der Besteuerung ausnimmt. Der Werbungskostenpauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG ist verfassungsgemäß.

Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber eine willkürlich ungleiche Behandlung des in wesentlichen Punkten Gleichen. Für den Sachbereich des Steuerrechts fordert Art. 3 Abs. 1 GG eine gleiche Besteuerung des gesetzlich bestimmten Steuergegenstandes im Belastungserfolg (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271; vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6). Der Gesetzgeber hat allerdings bei der Ordnung von Massenerscheinungen eine weitreichende Gestaltungsfreiheit für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gleichheitssatz fordert nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Steuergesetzgebung, sondern die Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. In diesem Rahmen ist auch eine pauschalierte Erfassung eines tatsächlichen Aufwandes grundsätzlich zulässig (BVerfG-Entscheidungen vom 5. November 1975 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296; in BVerfGE 96, 1, 6; vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1999, 292).

Nach diesen Maßstäben ist § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Werbungskostenpauschbetrag für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung setzt einen typisierenden Aufwand fest. Ob und inwieweit dem Vermieter ein Aufwand tatsächlich entsteht, wird nicht geprüft.

Zwar können sich bei vergleichbaren wirtschaftlichen Sachverhalten unterschiedliche steuerliche Ergebnisse ergeben. Es bleibt dem Steuerpflichtigen jedoch in der Regel überlassen, ob er mit den Mietern vertragliche Vereinbarungen trifft, dass diese ohne Einschaltung des Vermieters mit dem Versorgungsunternehmen unmittelbar abrechnen. Aber auch in den Fällen, in denen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen eine entsprechende Nebenkostenabrede mit dem Mieter ausscheidet, ist die damit verbundene unterschiedliche Belastung hinzunehmen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass lediglich für einen Teil der Nebenkosten eine originäre Leistungspflicht des Mieters begründet werden kann. Außerdem sieht § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG nur die Typisierung eines Mindestaufwandes vor und lässt den Nachweis höherer Werbungskosten ausdrücklich zu, so dass sichergestellt ist, dass der Steuerpflichtige die ihm tatsächlich entstandenen Werbungskosten geltend machen kann.

b) Der Gleichheitssatz gebietet auch im Hinblick auf mögliche steuerliche Belastungsunterschiede keine generelle Steuerfreistellung der vom Vermieter vereinnahmten Nebenentgelte oder Umlagen. Dies würde zu einer steuerlichen Privilegierung der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung führen, die ihrerseits vom Grundsatz der synthetischen Einkommensteuer (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Februar 1999 X R 171/96, BFHE 188, 69, BStBl II 1999, 450) abweichen und gegen den Gleichheitssatz verstoßen würde.



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