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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.08.2004
Aktenzeichen: IX R 28/03
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, EStG, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 41 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
FGO § 118 Abs. 2
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 21 Abs. 2 Satz 2
EStG a.F. § 21 Abs. 2 Satz 2
BGB § 536
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrags zwischen Eltern und ihrer Tochter.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind als Ehegatten Eigentümer einer Eigentumswohnung, die sie im Streitjahr (1998) an ihre Tochter für eine monatliche Kaltmiete von 350 DM und Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 150 DM vermieteten. Die Vertragsmiete betrug 62,65 v.H. der ortsüblichen Marktmiete (9,80 DM pro qm). Nach dem Mietvertrag sind die Kaltmiete und die Nebenkosten monatlich im Voraus zu zahlen. Die Art und Weise der Zahlung ist nicht bestimmt. Die Tochter zahlte die Miete in bar.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte das Mietverhältnis im Rahmen der Veranlagung des Streitjahres nicht an; denn es fehlten Quittungen, anhand derer die vereinbarungsgemäße Durchführung des Mietverhältnisses überprüft werden könne.

Die Klage hatte Erfolg: Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der Mietvertrag halte einer im Rahmen des Fremdvergleichs gebotenen Überprüfung anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten stand. Die Miethöhe liege deutlich über 50 v.H. der Marktmiete. Dieser Umstand der verbilligten Vermietung führe weder allein noch im Zusammenwirken mit anderen zur Aberkennung des Mietverhältnisses unter nahen Angehörigen. Auch die Barzahlung oder der Verzicht auf Quittungen sei im Streitfall nicht schädlich.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung materiellen Rechts (§ 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--; § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) und Verfahrensrechts (Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht) stützt. Das Mietverhältnis mit der Tochter sei ein Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 AO 1977. Die behaupteten Mietzahlungen ließen sich anhand der Kontoauszüge nicht nachvollziehen. Der Mietvertrag halte auch einem Fremdvergleich nicht stand. Unüblich sei insbesondere das Absehen von einer Sicherheitsleistung, das Fehlen einer Regelung hinsichtlich der Schönheitsreparaturen sowie die Zahlungsweise. Das FG habe ferner gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) verstoßen. Es habe nämlich nicht geprüft, ob die Einbauküche entgeltlich oder unentgeltlich überlassen worden sei. Überdies habe das FG die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger nicht anhand einer Überschussprognose überprüft.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das FG hat nicht gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es nicht geklärt hat, ob die Einbauküche entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wurde. Darauf kam es für das FG nicht an; denn es hat die hier eingebaute Küche nicht als Umstand gewertet, der einen Aufschlag auf dem Mietpreis gerechtfertigt hätte.

2. Das Urteil ist aufzuheben, weil das FG die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger nicht geprüft hat.

a) Den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht, wer einem anderen unbewegliches Vermögen entgeltlich zum Gebrauch überlässt und dabei beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Bei einer langfristigen Vermietung ist grundsätzlich von dem Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen, solange der Mietzins nicht weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete beträgt. Beträgt der Mietzins aber weniger als 75 v.H. und mindestens 50 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Einkünfteerzielungsabsicht nach der Rechtsprechung des Senats zu der für das Streitjahr geltenden Fassung des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG (EStG a.F.; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646) anhand einer Überschussprognose zu prüfen. Fällt sie positiv aus, sind die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Werbungskosten in voller Höhe abziehbar. Ist die Überschussprognose negativ, ist die Vermietungstätigkeit aufgrund einschränkender Auslegung von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen; die anteilig auf den entgeltlichen Teil entfallenden Werbungskosten sind abziehbar. Das in der verbilligten Vermietung liegende nicht marktgerechte Verhalten des Steuerpflichtigen ist für den Fremdvergleich ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 22. Juli 2003 IX R 59/02, BFHE 202, 566, BStBl II 2003, 806).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zwar im Ergebnis zutreffend dem Umstand der verbilligten Vermietung bei der Überprüfung des Mietvertrags im Rahmen des Fremdvergleichs keine Bedeutung beigemessen. Die angefochtene Entscheidung kann aber keinen Bestand haben, weil das FG diese Tatsache nicht als Hilfstatsache für das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht herangezogen hat und deshalb nicht in eine Überschussprognose eingetreten ist. Im Streitfall beträgt die vereinbarte Miete 62,65 v.H. der ortsüblichen und befindet sich deshalb im kritischen Bereich.

3. Die Vorentscheidung verletzt entgegen der Revision aber nicht § 41 Abs. 2 AO 1977; sie wendet auch die Grundsätze über den Fremdvergleich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an.

a) Die Voraussetzungen für ein Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 AO 1977, das gegeben ist, wenn die Vertragsparteien die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag nicht gezogen haben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 IX R 23/00, BFH/NV 2003, 612), liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Tochter der Kläger nach den insoweit nicht angegriffenen und den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG die Miete tatsächlich gezahlt hat.

b) Mietverträge zwischen nahen Angehörigen sind in der Regel der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich). Maßgebend ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, und vom 28. Juni 2002 IX R 68/99, BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699). Den vom FG als Tatsacheninstanz durchzuführenden Fremdvergleich darf der BFH nur daraufhin überprüfen, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2001 VIII R 5/01, BFH/NV 2002, 334), alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen (BFH-Urteil in BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699) und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2001 IX R 68/97, BFH/NV 2001, 1551).

Nach diesen Grundsätzen hat die Vorinstanz den Fremdvergleich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise durchgeführt. Sie hat dabei die Gesamtheit der objektiven Umstände einbezogen. Entgegen der Revision ist die Vorentscheidung nicht allein deshalb fehlerhaft, weil sie einzelne unübliche Punkte (keine Kaution, Barzahlung ohne Quittung) im Rahmen der Gesamtwürdigung des Sachverhaltes als nicht schädlich beurteilte. Auch über Schönheitsreparaturen brauchten die Vertragsparteien keine Regelung zu treffen. Es gilt dann nämlich das dispositive Gesetzesrecht: Nach § 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB-- (jetzt: § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) muss der Vermieter die Mietsache im vertragsgemäßen Zustand erhalten.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH kann als Revisionsinstanz die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger anhand der unter 2. dargestellten Maßstäbe nicht selbst prüfen. Das wird das FG in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachholen müssen.



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