Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.05.2009
Aktenzeichen: IX R 40/08
Rechtsgebiete: AO, FGO, EStG


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 2
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 2
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb 2003 eine im Bau befindliche Eigentumswohnung in A. Die Verkäuferin, eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, hatte die erworbene Wohnung einschließlich des dazu gehörenden Tiefgaragenstellplatzes in der zu ihrem Verkaufsprospekt gehörenden Preisliste mit 178 350 EUR ausgewiesen.

Der Kläger finanzierte die Anschaffung der Eigentumswohnung durch die Aufnahme zweier Darlehen bei der Sparkasse A. Dabei löste er ein bestehendes Darlehen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft bei der Sparkasse A teilweise, d.h. soweit dieses auf die erworbene Eigentumswohnung entfiel, im Wege der Schuldübernahme ab, wobei sowohl der Nominalzinssatz in Höhe von 3,99% p.a. als auch die laufende Zinsbindung fortgeführt wurden. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Verkäuferin der Eigentumswohnung, das von dieser im Jahr 2002 an die Sparkasse A gezahlte Disagio anteilig im Verhältnis der verbleibenden Zinsbindung zur gesamten Laufzeit zu erstatten. Vor diesem Hintergrund wurde in Ziff. II. 1. des notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 9. Dezember 2003 vereinbart: "Der Kaufpreis beträgt 193 810 EUR (...) und setzt sich zusammen aus einem Entgelt für den Grundbesitzerwerb in Höhe von 178 350 EUR und einem anteiligen, aus der Finanzierung übernommenen Disagio in Höhe von 15 460 EUR." Nach den weiteren Bestimmungen des Kaufvertrages waren 50% des Kaufpreises am 23. Dezember 2003 fällig und zahlbar. Dementsprechend wies der Kläger unter dem 16. Dezember 2003 die kreditführende Sparkasse A an, der Verkäuferin die fällige Kaufpreishälfte gutzuschreiben. Am gleichen Tag überwies der Kläger, wie vertraglich vereinbart, der Verkäuferin den Betrag des anteilig zu erstattenden Disagios in Höhe von 15 460 EUR. Die von dem Kläger erworbene Eigentumswohnung ist seit Februar 2004 vermietet.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2003) machte der Kläger den Erstattungsbetrag für das Disagio in Höhe von 15 460 EUR sowie die für die Umschreibung des Darlehens angefallenen Kosten in Höhe von 500 EUR und anteilig auf das Streitjahr entfallende Zinsen in Höhe von 86,29 EUR als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte den Kläger zunächst mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid vom 3. Juni 2004 erklärungsgemäß. Mit Änderungsbescheid vom 11. Januar 2006 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr; darin behandelte das FA das Disagio sowie die damit in Zusammenhang stehenden Kosten in Höhe von insgesamt 16 046,29 EUR nicht mehr als sofort abziehbare Werbungskosten, sondern als Anschaffungskosten der Eigentumswohnung. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1872 veröffentlichten Gründen statt.

Mit der Revision vertritt das FA weiter die Auffassung, die vom Kläger im Streitjahr geltend gemachten Kosten --für die Erstattung des Disagios, für die Umschreibung des Darlehens und für Schuldzinsen-- stellten Anschaffungskosten dar. Voraussetzung für die Zugehörigkeit eines Disagiobetrages zu den eigenen Finanzierungskosten des Erwerbers sei, dass bei Verausgabung des Disagios die Fälligkeit einer zu finanzierenden Hauptschuld des Erwerbers gegeben sei. Ein vor Fälligkeit der Hauptschuld vom Veräußerer geleisteter Disagiobetrag gehöre bei Erstattung durch den Erwerber des Gebäudes zu dessen Anschaffungskosten. Bei wirtschaftlicher Betrachtung des gesamten Vorgangs seien die Zahlungen daher nicht als Vergütung für die Überlassung von Kapital zur Finanzierung der Anschaffungskosten anzusehen, sondern als Kosten, die dem Ersatz eigener Aufwendungen des Veräußerers dienten. Diese seien indes Anschaffungskosten des Erwerbers.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil des FG vom 24. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die vom Kläger im Zusammenhang mit der anteiligen Erstattung des Disagios getragenen Aufwendungen als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen sind.

1.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen, und das heißt, durch die sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Januar 2008 IX R 45/07, BFHE 220, 264, BStBl II 2008, 572). Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird.

Welche Aufwendungen im Gegensatz dazu zu den --bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur im Wege der Absetzungen für Abnutzung zu berücksichtigenden-- Anschaffungskosten einer Immobilie zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches. Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 28. März 2007 IX R 53/04, BFH/NV 2007, 1845, m.w.N.).

2.

Ein im Rahmen der Veräußerung einer Immobilie als kalkulatorischer Teil des Kaufpreises berücksichtigtes Disagio gehört nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anschaffungskosten des Erwerbers für das erworbene Wirtschaftsgut und nicht zu seinen Finanzierungskosten. Wird dagegen eine Vereinbarung über die Erstattung des Disagios unabhängig vom Kaufvertrag getroffen, gehört dieses nicht zum Kaufpreis; es handelt sich dann um --ggf. als Werbungskosten zu berücksichtigende-- Finanzierungskosten des Erwerbers (BFH-Urteile vom 27. Juli 2004 IX R 32/01, BFHE 207, 200, BStBl II 2004, 1002, und IX R 44/01, BFH/NV 2005, 188, m.w.N.). Notwendig ist insoweit eine klare --ggf. auch auf einer einheitlichen vertraglichen Grundlage basierende-- Vereinbarung, aus der sich Grund und Höhe der erstatteten Aufwendungen entnehmen lassen.

3.

Nach diesen Maßstäben ist die Annahme des FG, die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der Erstattung des Disagiobetrages stellten Finanzierungskosten und deshalb sofort abziehbare Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dar, eine nicht zwingende, aber jedenfalls mögliche Würdigung des Sachverhalts und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das FG hat die von dem Kläger und der Verkäuferin im Zusammenhang mit der Erstattung des Disagiobetrages abgegebenen Willenserklärungen dahin gedeutet, dass diese unabhängig vom Kaufvertrag getroffen und der Erstattungsbetrag mithin nicht Teil des Kaufpreises gewesen sei. Zu Recht weist das FG darauf hin, dass der Kläger die Erstattungszahlung maßgeblich deshalb getätigt hat, um selbst günstige Finanzierungskonditionen zu erlangen. Ferner entspricht das im notariell beurkundeten Kaufvertrag ausgewiesene "Entgelt für den Grundbesitzerwerb" dem Preis der Wohnung nebst Tiefgaragenstellplatz laut Preisliste der Verkäuferin; der darüber hinaus geschuldete Restbetrag für die Erstattung des Disagios in Höhe von 15 460 EUR sollte danach kein Entgelt für den Erwerb der Eigentumswohnung sein und ist betragsmäßig eindeutig von dem Entgelt für den Grundbesitzerwerb getrennt worden. Daher begegnet der vom FG gezogene Schluss, dass es sich bei dem Verkauf der Eigentumswohnung einerseits und der Schuldübernahme andererseits trotz äußerlicher Verknüpfung in einer Notarurkunde um selbständige Rechtsgeschäfte gehandelt habe, keinen Bedenken. Auch die im Zusammenhang mit der Schuldübernahme angefallenen Kosten sowie die in der Person des Klägers angefallenen Schuldzinsen stellen Finanzierungskosten dar.

4.

Dieser Beurteilung steht das BFH-Urteil vom 17. Februar 1981 VIII R 95/80 (BFHE 133, 37, BStBl II 1981, 466) nicht entgegen. In jenem Fall hatten sich die Käufer im Kaufvertrag verpflichtet, den Disagiobetrag neben dem Kaufpreis zu entrichten; dieser war aufgrund der von den Beteiligten gewählten Sachverhaltsgestaltung kalkulatorischer Teil des Kaufpreises für die erworbene Immobilie geworden. Auf diese Besonderheit und die Abgrenzung zu denjenigen Fällen, in denen eine Vereinbarung über die Erstattung des Disagio unabhängig vom Kaufvertrag getroffen wird, hat der BFH in dem genannten Urteil ausdrücklich hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück