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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.11.1999
Aktenzeichen: IX R 40/96
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977, FGO, BewG


Vorschriften:

EStG § 7b
AO 1977 § 164 Abs. 1
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
BewG § 75 Abs. 5
BewG § 75 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Am 30. Dezember 1985 erwarben sie ein Anwesen in ... für 200 000 DM. In den Jahren 1986 und 1987 bauten sie das Gebäude für insgesamt 318 130,76 DM um. In den Streitjahren bewohnten sie das Gebäude teilweise selbst und vermieteten das Dachgeschoss.

Aus der Erklärung zur Hauptfeststellung und einem Schreiben eines Vorbesitzers vom 14. Januar 1971 ergibt sich, dass das Gebäude 1971 drei Wohnungen enthalten hat. Aufgrund dieser Angaben wurde das Grundstück als Mietwohngrundstück bewertet. Nach dem Kauf des Grundstücks durch die Kläger erfolgte die Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1986; das Grundstück wurde weiterhin als Mietwohngrundstück bewertet. Nach den Umbauten durch die Kläger wurde eine Art- und Wertfortschreibung zu einem Einfamilienhaus auf den 1. Januar 1988 vorgenommen.

In den Einkommensteuererklärungen 1987 und 1988 beantragten die Kläger für die eigengenutzte Wohnung die Anwendung des § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für 1987 machten sie erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG in Höhe von 5 000 DM und Schuldzinsen in Höhe von 8 340 DM geltend. Für das Jahr 1988 beantragten sie erhöhte Absetzungen von 20 000 DM. In den Einkommensteuerbescheiden vom 21. Juni 1989 für 1987 und vom 26. Oktober 1989 für 1988, die gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen, wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG und die Schuldzinsen nicht gewährt. Die Einkünfte für den vermieteten Teil des Hauses übernahm das FA entsprechend den Erklärungen. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung wurden die Einkommensteuerbescheide am 5. Februar 1990 geändert; auch hierin wurden keine erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG gewährt.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) abwies (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 330).

Die Kläger seien nicht Erwerber eines Ein- (oder Zwei-)familienhauses. Da das Haus vor 1973 errichtet worden sei, sei für die Annahme einer Wohnung nicht Voraussetzung, dass diese Wohnung gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen sei und einen selbständigen Zugang aufweise. Es sei vielmehr die ältere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zugrunde zu legen, wonach es bei zweifelhafter baulicher Gestaltung für die Annahme einer Wohnung ausreiche, dass sich die Zusammenfassung mehrerer Räume zu einer Wohnung aus der Lage dieser Räume zueinander, aus ihrer Zweckbestimmung und der dieser Zweckbestimmung entsprechenden tatsächlichen Nutzung ergebe. Dass aufgrund der Angaben des Zeugen Architekt H, der das Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Kläger gesehen hat, von fehlenden Wohnungsabschlüssen auszugehen sei, sei angesichts des hier zugrunde gelegten Wohnungsbegriffs nicht von Bedeutung.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 7b EStG. Nach dem vom BFH in seinem Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BStBl II 1985, 151) neu definierten Wohnungsbegriff stelle eine Mehrheit von Räumen nur dann eine Wohnung dar, wenn diese Zusammenfassung von Räumen eine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilde und einen eigenen Zugang habe. Diese Voraussetzungen seien nach den Feststellungen des FG nicht erfüllt.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 1994 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 1987 und 1988 vom 5. Februar 1990 dahingehend zu ändern, dass Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 1987 in Höhe von 13 340 DM und für 1988 in Höhe von 20 000 DM anerkannt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat § 7b Abs. 1 EStG verletzt.

1. Nach § 7b Abs. 1 EStG können bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen für im Inland belegene Ein- oder Zweifamilienhäuser erhöhte Absetzungen von bis zu fünf v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgezogen werden. Der Erwerber eines Mehrfamilienhauses kann die erhöhten Absetzungen nicht beanspruchen.

a) Bei der Abgrenzung eines Mehrfamilienhauses von einem Ein- oder Zweifamilienhaus ist die Anzahl der vorhandenen Wohnungen entscheidend. Ein- oder Zweifamilienhäuser sind Wohnungsgrundstücke, die eine oder zwei Wohnungen enthalten (vgl. § 75 Abs. 5 und 6 des Bewertungsgesetzes --BewG--).

Im EStG gilt kein einheitlicher Wohnungsbegriff (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1998 IX R 51/96, BFH/NV 1998, 848). Im Zusammenhang mit der Qualifizierung des Wohngrundstücks i.S. des § 7b EStG hat der BFH den Begriff der Wohnung in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Bewertungsrecht umschrieben. Eine Wohnung ist danach die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist; hierzu gehört das Vorhandensein einer Küche (Senatsurteil vom 14. Februar 1995 IX R 35/93, BFH/NV 1995, 774, m.w.N.).

Für eine Wohnung ist bei der Auslegung und Anwendung des § 7b EStG in der Regel auch Voraussetzung, dass die Zusammenfassung von Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet, die über einen eigenen Zugang verfügt (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1995, 774; vgl. auch Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151). Gemeinsame Verkehrsflächen stehen einer Qualifizierung als Wohnung dann entgegen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1985 III R 124/84, BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496).

b) Entgegen der Auffassung des FG hat das Merkmal der Abgeschlossenheit jedenfalls auch in den Fällen Bedeutung, in denen ein leerstehendes Gebäude angeschafft wird, das vor 1973 errichtet worden ist.

Für die Qualifizierung des Wohngrundstücks nach § 7b EStG ist die Artfeststellung im Einheitswertbescheid nicht bindend (Senatsurteile in BFH/NV 1995, 774; vom 20. Dezember 1994 IX R 108/92, BFH/NV 1995, 767; vom 7. Juni 1994 IX R 33, 34/92, BFHE 175, 70, BStBl II 1994, 927). Entscheidend ist vielmehr der Zustand des erworbenen Objekts im Zeitpunkt der Anschaffung. Eine nach § 7b EStG begünstigte Anschaffung ist nur dann gegeben, wenn das erworbene Objekt im Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten nach seiner baulichen Gestaltung ein Ein- oder Zweifamilienhaus ist (Senatsurteil vom 30. April 1985 IX R 49/84, BFHE 144, 36, BStBl II 1985, 513). Die Absicht, eine Baulichkeit nach ihrer Anschaffung in einer bestimmten Weise zu nutzen, ist unerheblich. Eine Ausnahme gilt lediglich für den Fall, dass der Veräußerer die Schaffung eines begünstigten Objekts zusagt und der Erwerbsvorgang sich hierauf gerichtet hat (Senatsurteil vom 7. Juni 1994 IX R 16/92, BFH/NV 1994, 858, m.w.N.).

Der Senat hat bereits entschieden, dass für die Förderung nach § 7b EStG entscheidend ist, wie ein Gebäude bei seiner Anschaffung tatsächlich genutzt wird (BFH in BFH/NV 1995, 767). Steht ein Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung leer, ist für die Qualifizierung als Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhaus auf die bauliche Gestaltung des Gebäudes abzustellen. Die bauliche Gestaltung bietet einen objektiven Maßstab, unabhängig davon, wie der Steuerpflichtige das Gebäude nach dessen Anschaffung nutzen will.

Dabei ist grundsätzlich der zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Wohnungsbegriff für alle Gebäude einheitlich anzuwenden. Für die Absetzungen nach § 7b EStG ist unerheblich, in welchem Jahr das Gebäude errichtet worden ist. Es widerspricht der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, wenn die Förderung nach § 7b EStG bei gleichartiger baulicher Gestaltung leerstehender Gebäude alleine davon abhängig gemacht würde, in welchem Jahr ein Gebäude ursprünglich errichtet oder in welchem Zeitpunkt der Rechtsvorgänger dieses umgebaut hat. Weder aus dem Wortlaut des § 7b EStG noch aus dem Zweck der Regelung lässt sich ein rechtfertigender Grund für eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung entnehmen. Da für die Anwendung des § 7b EStG auf die Verhältnisse im Erwerbszeitpunkt abzustellen ist, ist es folgerichtig, einheitlich die zu diesem Zeitpunkt herrschenden Beurteilungskriterien zugrunde zu legen.

2. Nach diesen Maßstäben haben die Kläger ein Einfamilienhaus erworben. Das FG hat festgestellt, dass das Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Kläger leer gestanden hat. Zu diesem Zeitpunkt war nach den Angaben des Zeugen von fehlenden Wohnungsabschlüssen auszugehen. Damit enthielt das Gebäude nach der baulichen Gestaltung zum Zeitpunkt der Anschaffung nur eine Wohnung, so dass die Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen für die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG erfüllen.

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat --von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig-- keine Feststellungen zur Höhe der beantragten Abschreibungen und der Schuldzinsen getroffen. Diese Feststellungen sind nunmehr nachzuholen.

Ende der Entscheidung

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