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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.10.2002
Aktenzeichen: IX R 46/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Ein Kaufvertrag zwischen nahen Angehörigen ist im Rahmen des sog. Fremdvergleichs hinsichtlich seiner Hauptpflichten zu überprüfen. Wird zur Finanzierung eines solchen Kaufvertrags ein Darlehensvertrag mit einer Bank abgeschlossen, sind die in diesem Vertrag getroffenen Vereinbarungen auch dann nicht in den Fremdvergleich einzubeziehen, wenn der Verkäufer zugleich Sicherungsgeber ist.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte in den Streitjahren (1996 und 1997) als Ingenieur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; die Klägerin war nicht berufstätig. 1987 erwarb der Kläger von seiner Mutter ein mit einem Dreifamilienhaus bebautes Grundstück. Er verpflichtete sich im Kaufvertrag, das Grundstück zu Lebzeiten der Mutter nicht zu veräußern. Zur Sicherung dieser Verpflichtung wurde eine Rückauflassungsvormerkung vereinbart und bewilligt. An der Erdgeschosswohnung wurde der Mutter ein lebenslanges entgeltliches Wohnrecht bestellt. Die Wohnung im Dachgeschoss wurde fremdvermietet. Die Wohnung im Obergeschoss wurde von den Klägern zunächst selbst genutzt und ab dem 1. November 1996 wie schon die Dachgeschosswohnung von der Klägerin vermietet.

Der Kläger teilte im November 1995 das Gebäude in drei Eigentumswohnungen auf und veräußerte die Eigentumswohnungen im Ober- und Dachgeschoss an die Klägerin. Nutzen und Lasten sollten sofort übergehen. Der zum 1. Dezember 1995 fällige Kaufpreis betrug 330 000 DM und war bei Verzug in Höhe von 3 v.H. über dem Bundesbank-Diskontsatz zu verzinsen. Eine Regelung hinsichtlich des Veräußerungsverbots und der Rückauflassungsvormerkung trafen die Kläger nicht. Am 7. Dezember 1995 überwies die Klägerin als Anzahlung auf den Kaufpreis insgesamt 33 000 DM von ihrem Konto auf das Konto des Klägers bei der Sparkasse. Am 13. Dezember 1995 schloss die Klägerin zwei Darlehensverträge über 244 000 DM und über 56 000 DM ab, die durch eine Kapitallebensversicherung auf den Kläger getilgt werden sollten. Die monatlichen Prämien wurden vom Konto der Klägerin abgebucht; der Kläger überwies monatlich die gleiche Summe auf dieses Konto. Zur Sicherung der Darlehen wurde eine noch zu allen drei Eigentumswohnungen eingetragene Grundschuld über 90 000 DM erneut valutiert, eine Grundschuld über 110 000 DM an den beiden Eigentumswohnungen der Klägerin sowie eine Grundschuld über 100 000 DM an einem dem Kläger gehörenden Grundstück eingetragen. Auf diesem Grundstück errichtete der Kläger ein Einfamilienhaus, das ab dem 1. August 1996 von den Klägern selbst genutzt wird.

Die Darlehensvaluten von insgesamt 300 000 DM wurden am 20. Dezember 1995 auf das Konto der Klägerin ausgezahlt und von dieser am selben Tag auf das Konto des Klägers überwiesen; der Kläger buchte einen Teilbetrag von 250 000 DM auf ein Baukonto und finanzierte damit die Kosten zur Herstellung des Einfamilienhauses.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin negative Einkünfte aus der Vermietung der beiden Eigentumswohnungen geltend. Als Werbungskosten berücksichtigte sie dabei u.a. die Schuldzinsen aus den beiden Darlehen sowie Absetzungen für Abnutzung (AfA), in deren Bemessungsgrundlage sie den Kaufpreis und Anschaffungsnebenkosten einbezog. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA-- ) erkannte den Werbungskostenüberschuss nicht an und berücksichtigte bei der Klägerin keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Erwerb der Eigentumswohnung habe nicht zwischen finanziell unabhängigen Angehörigen stattgefunden und stelle lediglich eine Vermögensumschichtung unter den Ehegatten dar. Das FA rechnete die Einnahmen und Werbungskosten dem Kläger zu, ohne dabei die Darlehen und die durch den Kaufpreis gebildeten Anschaffungskosten einzubeziehen.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt; es erkannte den in den Streitjahren geltend gemachten Werbungskostenabzug in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1364 veröffentlichtem Urteil an.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es vorträgt, es sei nicht wahrscheinlich, dass die Eigentumswohnungen so wie geschehen übertragen worden wären, wenn an dem Geschäft ein fremder Dritter beteiligt gewesen wäre. Zweifelhaft erscheine es schon, ob die Mutter des Klägers sich auf einen Verkauf an einen Fremden eingelassen hätte. Unüblich sei es überdies, wenn der Verkäufer eines Grundstücks den Erwerber durch das Stellen von Sicherheiten überhaupt erst in die Lage versetze, ein Darlehen zu erlangen. Die Argumentation des FG, die Sicherheit habe der Kläger nicht als Verkäufer, sondern als Ehemann begeben, halte das FA nicht für überzeugend; denn es könnten für die Gesamtbeurteilung des Rechtsgeschäfts am Maßstab des Fremdvergleichs nicht einzelne Umstände mit der Begründung unberücksichtigt bleiben, diese seien unter nahen Angehörigen üblich.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

II.

1. Die Revision ist zulässig. Ihre Begründung entspricht noch den Anforderungen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie geht auf das Veräußerungsverbot sowie auf die teilweise Besicherung des Darlehens durch den Kläger als zwischen fremden Dritten nicht übliche Gestaltungen ein und enthält so Umstände, aus denen sich nach Auffassung des FA die Rechtsverletzung ergeben soll.

2. Die Revision ist aber unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

Zutreffend hat das FG die von der Klägerin geltend gemachten Schuldzinsen ebenso wie die AfA-Beträge als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus der Vermietung der beiden Eigentumswohnungen abgezogen.

Die Klägerin erfüllt als Vermieterin den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Sie war berechtigt, von ihren Einnahmen die Schuldzinsen aus den von ihr aufgenommenen Darlehen sowie die AfA-Beträge auf der Grundlage des von ihr entrichteten Kaufpreises als Werbungskosten abzuziehen.

a) Schuldzinsen können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abgezogen werden, wenn sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften --im vorliegenden Falle von solchen aus Vermietung und Verpachtung-- verwendet worden ist (z.B. Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2., und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B. I. 1. und 2.; BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, m.w.N.).

b) Weil die Klägerin mit den Darlehensmitteln im Streitfall den Kaufpreis beglichen hatte, den sie ihrem Mann, dem Kläger, als Gegenleistung für das Verschaffen des Eigentums an den Eigentumswohnungen schuldete, hat das FG die Abziehbarkeit der Schuldzinsen wie auch der Anschaffungskosten im Wege der AfA zutreffend von der steuerrechtlichen Anerkennung dieses Kaufvertrags abhängig gemacht.

Auch Kaufverträge unter nahen Angehörigen sind daraufhin zu untersuchen, ob sie durch die Einkünfteerzielung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder den steuerrechtlich unbeachtlichen privaten Bereich (§ 12 EStG) veranlasst sind. Sie sind in der Regel der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (st. Rechtsprechung, vgl. zu Mietverträgen BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196; zu Kaufverträgen BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 IX R 78/98, BFHE 195, 392, BStBl II 2001, 756; vom 10. November 1998 VIII R 28/97, BFH/NV 1999, 616; vom 24. Oktober 1978 VIII R 172/75, BFHE 126, 282, BStBl II 1979, 135, und vom 6. November 1991 XI R 2/90, BFH/NV 1992, 297).

Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85, 88 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 76 Abs. 1 FGO. Er ermöglicht auf Grund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch unter Angehörigen stattgefunden hat, ob auf Grund eines mit dem Tatbestand einer Einkunftsart zusammenhängenden Vertrages oder aus privaten, familiären Gründen. Erst das Ergebnis dieser der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden Indizienwürdigung ermöglicht die nachfolgende rechtliche Subsumtion, ob es sich bei den Aufwendungen des Steuerpflichtigen um nicht abziehbare Privatausgaben (§ 12 EStG) oder aber um Werbungskosten handelt (BFH-Urteil vom 28. Juni 2002 IX R 68/99, BFH/NV 2002, 1391 f., m.w.N.).

c) Nach diesen Grundsätzen ist die Würdigung des FG, der Erwerb der Eigentumswohnungen durch die Klägerin halte einem Fremdvergleich stand, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat dabei in Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung die Überprüfung vor allem anhand der Hauptpflichten des Vertrages vorgenommen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224; in BFH/NV 2002, 1391). Hierbei ist es zu dem Ergebnis gelangt, die Gesamtheit der Gegebenheiten spräche dafür, den Erwerb steuerrechtlich anzuerkennen. Hauptleistungspflichten und Gegenleistung seien ausgewogen und die Abweichungen vom zwischen Fremden Üblichen beträfen lediglich untergeordnete Einzelpunkte und Nebenpflichten, die --wie z.B. das unterbliebene Geltendmachen der Verzugszinsen oder die Teilzahlung-- in ihrer Summe nicht so gewichtig seien, als dass sie den Gesamteindruck der Ernsthaftigkeit der vertraglichen Vereinbarung erschüttern könnten. Diese Würdigung ist --wenn auch nicht zwingend-- so doch jedenfalls möglich und bindet damit auch den BFH.

Die dagegen vom FA vorgebrachten Einwendungen vermögen der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. Wenn das FA gegen die Gesamtwürdigung des FG lediglich zwei Einzelaspekte (Duldung der Mutter, Besicherung der Darlehen) vorbringt, so ist bereits fraglich, ob diese nicht die Hauptpflichten des Vertrags berührenden Punkte überhaupt die aus den verschiedenen Beweisanzeichen folgende Wertung der Vorinstanz erschüttern könnten.

Abgesehen davon vermögen die vom FA herausgehobenen Gesichtspunkte nicht zu überzeugen:

aa) Gegen die Würdigung des FG spricht entgegen der Auffassung des FA nicht, ob und inwieweit die Mutter des Klägers die Veräußerung geduldet hat. Selbst wenn man mit dem FG in seiner Hilfsbegründung vom Bestehen eines Veräußerungsverbots ausgeht, vermag ein Verzicht der Mutter gegenüber dem Kläger, ihr Recht nicht auszuüben, an der steuerrechtlichen Wirksamkeit des Kaufvertrags zwischen den Klägern nichts zu ändern. Denn dieser Verzicht hat wie das Veräußerungsverbot selbst nach § 137 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nur schuldrechtliche Wirkungen im Verhältnis des Klägers zu seiner Mutter. Es wirkt sich auf den hier zu prüfenden Erwerbsvorgang nach § 137 Satz 1 BGB nicht aus. Auch die Sicherung durch die Rückauflassungsvormerkung steht nicht entgegen; denn diese entfaltet gemäß § 883 Abs. 2 Satz 1 BGB nur eine relative Sicherungswirkung zu Gunsten der vormerkungsberechtigten Mutter des Klägers und nur gegenüber der Erwerberin --hier: der Klägerin-- (vgl. Palandt/ Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl. 2002, § 883 Rz. 20, 22; Erman/Hagen/Lorenz, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. II, 10. Aufl. 2000, § 883 Rz. 30; Wacke in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 6, 3. Aufl. 1997, § 883 Rz. 46, 48). Sie betrifft jedoch nicht den zwischen den Klägern abgeschlossenen Kaufvertrag.

bb) Auch der Umstand, dass der Kläger sein Grundvermögen zur Sicherung der von seiner Frau abgeschlossenen Darlehen eingesetzt hat, spricht nicht gegen die steuerrechtliche Veranlassung des Erwerbsgeschäfts. Denn die Klägerin hat Darlehensverträge mit Dritten, nämlich mit Kreditinstituten abgeschlossen. Deshalb unterliegen diese Verträge keinem Fremdvergleich. Dass die Banken bei Abschluss von Darlehensverträgen auch auf das Vermögen des Ehepartners zur Sicherheit zugreifen, ist --wie auch das FG ausdrücklich festgestellt hat-- üblich. Ob der Kläger zugleich der Verkäufer der Eigentumswohnungen ist, ist demgegenüber unmaßgeblich; denn es kommt für den Fremdvergleich lediglich auf das Rechtsverhältnis an, um dessen steuerrechtlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart es geht. Deshalb ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG insoweit die Rolle des Klägers als Ehemann im Rahmen der Darlehensverträge von seiner Funktion als Verkäufer unterscheidet.

d) Zutreffend hat das FG überdies die Voraussetzungen des § 42 Satz 1 AO 1977 in der Fassung der Streitjahre abgelehnt und in dem gesamten Vertragswerk keinen Gestaltungsmissbrauch gesehen.

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