Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: IX R 49/03
Rechtsgebiete: EStG, FördG


Vorschriften:

EStG § 7a Abs. 2
FördG § 4 Abs. 1 Satz 2
FördG § 4 Abs. 1 Satz 5
FördG § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b
FördG § 4 Abs. 3
Hat ein Steuerpflichtiger vor dem 1. Januar 1999 Anzahlungen auf Anschaffungskosten in Höhe des vollen Kaufpreises geleistet und dafür Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b FördG zu 40 v.H. in Anspruch genommen, so kann er bereits im darauf folgenden Jahr damit beginnen, den Restwert nach § 4 Abs. 3 FördG abzuschreiben.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.

Sie erwarben 1998 einen Miteigentumsanteil an einem Objekt in Sachsen, das der Verkäufer zu sanieren hatte. Von dem Kaufpreis in Höhe von 488 596 DM entfielen 355 941 DM auf die Sanierung. Die Kläger zahlten den vollen Kaufpreis bereits 1998. Die Sanierungsmaßnahme wurde im Dezember 1999 abgeschlossen und den Klägern übergeben.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung nicht die von ihnen geltend gemachte Restwertabschreibung für die Sanierungsmaßnahme, sondern lediglich die lineare Absetzung für Abnutzung (AfA) für einen Monat. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA vertrat die Auffassung, eine Abschreibung nach § 4 Abs. 3 des Fördergebietsgesetzes (FördG) könne erstmalig für das Jahr 2000 --dem Jahr nach dem Investitionsabschluss-- geltend gemacht werden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1032 veröffentlichten Urteil statt. Bereits nach dem Wortlaut von § 4 Abs. 3 FördG könne die Restwertabschreibung ab dem Jahr begehrt werden, welches auf die Inanspruchnahme der insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen folge. Dies sei im Streitfall das Streitjahr, weil die Kläger unstreitig die gesamten zulässigen Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b FördG bereits 1998 geltend gemacht hätten, nämlich 40 v.H. der Modernisierungsaufwendungen (auf Anzahlungen).

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das FG verkenne den Begriff der Sonderabschreibungen in § 4 Abs. 3 FördG. Es bestünden zwei verschiedene Begünstigungszeiträume. Zu unterscheiden sei zwischen dem Begünstigungszeitraum für die Anzahlung nach § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG und dem Begünstigungszeitraum für Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 FördG, der sich auf die Jahre 1999 bis 2003 erstrecke. Die Restwertabschreibung könne nicht schon nach dem Ablauf des ersten Begünstigungszeitraums einsetzen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA hat den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 geändert. Hierdurch sind die Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt worden.

II.

Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung (1.) sowie nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Stattgabe der Klage (2.).

1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihm ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, m.w.N.). Das FG hat über den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2002 entschieden, an dessen Stelle während des Revisionsverfahrens der (geänderte) Einkommensteuerbescheid vom 4. Dezember 2003 gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 FGO getreten ist.

2. Der Senat entscheidet auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juni 1999 II R 57/96, BFHE 189, 537, BStBl II 1999, 789) nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. §§ 100, 121 FGO in der Sache selbst. Der Klage ist stattzugeben.

a) Die Kläger haben Anspruch auf die Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG in Höhe von 21 427 DM.

Danach ist unter weiteren, hier nicht bedeutsamen Voraussetzungen bei Anschaffungskosten, die --wie hier in Höhe von 355 941 DM-- auf Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten i.S. von § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG entfallen, der Restwert von dem auf das Jahr der Inanspruchnahme der insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen folgenden Jahr an abzusetzen.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

aa) Die Kläger haben im Jahr 1998 Sonderabschreibungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b FördG auf Anzahlungen in Höhe des vollen Kaufpreises zu 40 v.H. in Anspruch genommen. Damit haben sie die insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen ausgeschöpft. Das ist möglich, weil das Fördergebietsgesetz als Anzahlungen auf Anschaffungskosten --unter weiteren hier nicht problematischen Voraussetzungen-- die volle Vorauszahlung des Kaufpreises begünstigt (BFH-Urteil vom 14. Januar 2004 IX R 33/03, BFH/NV 2004, 582). Deshalb können die Kläger ab dem Streitjahr die Restwertabschreibung geltend machen. Denn das Streitjahr ist das Jahr, das dem Jahr der Inanspruchnahme der insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen (1998) folgt.

bb) Das Jahr 1998 ist Begünstigungszeitraum i.S. von § 7a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Werden --wie hier-- Sonderabschreibungen auf die Vorauszahlung des gesamten Kaufpreises bis zum höchstmöglichen Betrag geltend gemacht (im Streitfall sind das 40 v.H. der Anschaffungskosten), so gibt es keinen weiteren Begünstigungszeitraum nach § 4 Abs. 1 FördG. Denn nach Anschaffung des Wirtschaftsguts lässt § 7a Abs. 2 Satz 2 EStG Sonderabschreibungen nur noch zu, soweit sie nicht bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten in Anspruch genommen worden sind.

cc) Deshalb ist die Unterscheidung des FA zwischen zwei möglichen Begünstigungszeiträumen nach § 4 Abs. 1 FördG jedenfalls im Streitfall nicht zutreffend. Denkbar ist eine solche Differenzierung nur, wenn der Steuerpflichtige Sonderabschreibungen auf Anzahlungen nicht in voller Höhe in Anspruch nimmt, weil er sie z.B. nur in Höhe von 20 v.H. geltend macht oder nicht den gesamten Kaufpreis vorauszahlt. Dann können sich Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 FördG beginnend mit dem Jahr des Investitionsabschlusses (hier wäre das 1999) an Sonderabschreibungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG für Anzahlungen auf Anschaffungskosten anschließen (§ 7a Abs. 2 Satz 2 EStG). Maßgebend für diese weiteren Sonderabschreibungen sind die Anschaffungskosten abzüglich der bereits berücksichtigten Anzahlungen (vgl. dazu auch Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 FördG Rz. 16 a). Kommt es so zu einem zweiten Begünstigungszeitraum, beginnend mit der Anschaffung (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 7a Rz. 3; Blümich/Brandis, a.a.O., § 7a EStG Rz. 41, m.w.N.), so lägen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 FördG für das auf das Jahr der Anzahlung folgende Jahr schon deshalb nicht vor, weil der Steuerpflichtige dann nicht die insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen abgesetzt hätte.

b) Die Sache ist spruchreif. Die Einkommensteuer ist auf Grund eines zu versteuernden Einkommens festzusetzen, das um die den Klägern zustehende Restwertabschreibung in Höhe von unstreitig 21 427 DM zu vermindern ist. Der Senat macht sich insoweit die --von den Beteiligten nicht angegriffene-- Steuerfestsetzung des FG zu Eigen. Denn der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 4. Dezember 2003 hat hieran nichts geändert. Die Einkommensteuer für das Streitjahr ist dementsprechend auf 179 638 DM (entspricht 91 847,45 €) festzusetzen.

Ende der Entscheidung

Zurück