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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.03.2003
Aktenzeichen: IX R 77/99
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
EStG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine aus den Gesellschaftern K und S bestehende Grundstücksgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

K und S erwarben im Jahr 1982 zu je 1/2 ein Grundstück mit einem abzubrechenden Gebäude. Nach Abbruch des Gebäudes Anfang 1983 errichtete die Klägerin eine in 1984 fertig gestellte Wohnanlage mit 13 Eigentumswohnungen, einem Laden und 13 Tiefgaragenstellplätzen. Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt erstellte die Klägerin eine Preisliste für alle Räume der Wohnanlage und veräußerte in den Jahren 1983 und 1984 davon insgesamt fünf Wohnungen, drei Stellplätze sowie eine 14 qm große Teilfläche des Grundstücks. Die übrigen Räume der Wohnanlage wurden vermietet.

Im Streitjahr 1991 veräußerte die Klägerin eine Wohnung für 254 000 DM, im Jahr 1992 eine weitere Wohnung für 350 000 DM sowie im Jahr 1997 ein bebautes Grundstück für 200 000 DM.

Die Klägerin erklärte unter Hinweis auf die Veräußerung für das Streitjahr --wie für die Vorjahre-- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, ohne dabei den aus der Veräußerung der Wohnung erzielten Gewinn zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem --anders als in den Vorjahren-- nicht, sondern stellte für das Streitjahr unter Berücksichtigung des sich aus der Veräußerung ergebenden Gewinns Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1072 veröffentlichten Urteil die Auffassung, auf der Ebene der Gesellschaft liege keine gewerbliche Betätigung vor. Die 61/2 Jahre zurückliegenden Veräußerungen seien in die Betrachtung nicht einzubeziehen. Die vom FA aufgefundene Preisliste für sämtliche Wohnungen wäre nur dann ein Indiz für einen einheitlichen Gewerbebetrieb, wenn der Verkauf im Jahr 1991 innerhalb von fünf Jahren nach dem Verkauf des fünften Objekts im Jahr 1984 stattgefunden hätte.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Klägerin habe in 1983 und 1984 unstreitig einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben, dieser sei lediglich vorübergehend unterbrochen worden. Darüber hinaus sei die Klägerin als Bauunternehmerin unabhängig von der Anzahl der veräußerten Objekte gewerblich tätig.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Selbst wenn man mit dem FA einen gewerblichen Grundstückshandel annähme, entstünde kein Gewinn, da die Klägerin das Grundstück erst zu Beginn ihrer Veräußerungstätigkeit höchstens zwei Monate vor der Veräußerung in das Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels eingelegt habe und der Teilwert dem Veräußerungspreis entspreche.

II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Das Urteil ist aufzuheben, weil das FG § 15 Abs. 2 EStG zu Unrecht dahin ausgelegt hat, dass eine mehr als fünf Jahre nach Fertigstellung veräußerte Wohnung wegen Überschreitung des Fünfjahreszeitraums nicht in einen gewerblichen Grundstückshandel einbezogen werden könne. Dieser Fünfjahreszeitraum stellt entgegen der Ansicht des FG keine starre Grenze dar.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung (vgl. § 14 Satz 3 der Abgabenordnung --AO 1977--) zum Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG) überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (Beschlüsse des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, und vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617).

a) Zur Konkretisierung dieser Unterscheidung im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels hat der VIII. Senat des BFH mit Urteil vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82 (BFHE 148, 480, 483, BStBl II 1988, 244) die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt. Sie besagt, dass grundsätzlich kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Werden hingegen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs --in der Regel fünf Jahre-- zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135, und vom 13. August 2002 VIII R 14/99, BFH/NV 2002, 1535). Dem zeitlichen Abstand der maßgebenden Tätigkeiten (Anschaffung, Errichtung, Verkauf) kommt für die Beurteilung, ob eine gewerbliche Betätigung gegeben ist oder nicht, lediglich indizielle Bedeutung zu (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291; in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617). Diese Drei-Objekt-Grenze gilt entgegen der Auffassung des FA in der Regel auch in Fällen der Bebauung und des anschließenden Verkaufs (BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 3.).

b) Der Fünfjahreszeitraum ist keine starre Grenze. Im Einzelfall können auch Objekte, die außerhalb des Fünfjahreszeitraums, aber innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb oder Errichtung veräußert wurden, in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen sein (vgl. BFH-Urteile vom 19. September 2002 X R 160/97, nicht veröffentlicht --NV--, unter II. 2. b; in BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135). Die Überschreitung des Fünfjahreszeitraums hat lediglich zur Folge, dass sich die von dem zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung hinsichtlich des Vorliegens einer bedingten Veräußerungsabsicht verringert und durch andere Umstände ergänzt werden muss, die umso gewichtiger sein müssen, je größer der zeitliche Abstand zu Anschaffung und Errichtung wird (BFH-Urteile vom 19. September 2002 X R 160/97, NV, unter II. 2. b; vom 14. November 1995 VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466). Für eine Veräußerungsabsicht kann beispielsweise eine höhere Zahl von Veräußerungen, eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich oder die Anzahl der erworbenen Objekte und ihre voll umfängliche Fremdfinanzierung sprechen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 X R 74/99, BFH/NV 2003, 378; BFH-Beschluss vom 9. Mai 2001 XI R 34/99, BFH/NV 2001, 1545, jeweils m.w.N.). Hat der Steuerpflichtige bereits während der Bauzeit Verkaufsbemühungen unternommen, beispielsweise Veräußerungsannoncen geschaltet, oder seine unbedingte Veräußerungsabsicht in sonstiger Weise dokumentiert, scheidet die Möglichkeit, dass das Gebäude für Zwecke eigener Vermögensverwaltung hergestellt wird, aus (BFH-Urteil vom 18. September 2002 X R 183/96, BFH/NV 2003, 370, unter II. 3. a). Alle zum Erwerb angebotenen Wohnungen oder Ladeneinheiten eines Gebäudes werden Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1988 IV R 2/85, BFH/NV 1989, 580, unter I. 1. c; vom 23. Januar 1991 X R 105-107/88, BFHE 163, 382, BStBl II 1991, 519).

c) Besteht ein gewerblicher Grundstückshandel, so ist auch die längerfristige Unterbrechung der Veräußerungstätigkeit für seinen Fortbestand steuerrechtlich unschädlich (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 39/94, BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276; BFH-Beschluss vom 26. April 2000 III B 47/99, BFH/NV 2000, 1451, unter 3. a, m.w.N.). Ein solches Unternehmen kann jederzeit ein bisher vermietetes Grundstück veräußern und damit die gewerbliche Tätigkeit fortsetzen, wenn die zurückbehaltenen und in der Regel vermieteten Wirtschaftsgüter jederzeit die Wiederaufnahme des Betriebs gestatten. Besteht die Absicht, den Betrieb künftig wieder aufzunehmen, so liegt auch nach 11 bis 14 Jahren eine bloße Betriebsunterbrechung vor (BFH-Urteil in BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276). Diese lässt den Fortbestand des Betriebes unberührt, solange der Steuerpflichtige dem FA gegenüber nicht erklärt, seinen Betrieb aufgeben zu wollen (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 1997 X R 31/95, BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561; vom 16. Dezember 1997 VIII R 11/95, BFHE 185, 205, BStBl II 1998, 379) oder sich aus den äußerlich erkennbaren Umständen eindeutig ergibt, dass der Betrieb endgültig aufgegeben wird (vgl. BFH-Urteile vom 3. Juni 1997 IX R 2/95, BFHE 183, 413, BStBl II 1998, 373; vom 20. Dezember 2000 XI R 26/00, BFH/NV 2001, 1106). Die bloße Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen der Steuererklärung reicht hierfür ebenso wenig aus (vgl. BFH-Urteile vom 22. April 1998 XI R 28/97, BFHE 186, 210, BStBl II 1998, 665; vom 17. April 1997 VIII R 2/95, BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388, unter II. 2. b, m.w.N.) wie die Vermietung bzw. Verpachtung des Grundbesitzes an mehrere Mieter oder Pächter (vgl. BFH-Urteile in BFHE 186, 210, BStBl II 1998, 665, bei Bestellung eines 99-jährigen Erbbaurechts; vom 25. Mai 1977 I R 93/75, BFHE 122, 296, BStBl II 1977, 660, und vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260).

2. Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Streitfall die in den Jahren 1983 und 1984 vorgenommenen Veräußerungen sowie die Preisliste zu Unrecht außer Betracht gelassen und deshalb das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels der Klägerin verneint. Davon, dass die Klägerin in den Jahren 1983 und 1984 zumindest auch einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat, ist das FG erkennbar ausgegangen. Die damalige Veräußerungsabsicht der Klägerin hinsichtlich der im Streitjahr veräußerten Wohnung ergibt sich aus der unstreitigen und vom FG festgestellten Tatsache, dass die Klägerin eine einheitliche Preisliste für alle Räume der Wohnanlage erstellt hat. Diese Preisliste für sämtliche Räume einer Wohnanlage dokumentiert, dass zum Zeitpunkt der Erstellung der Preisliste für alle darin enthaltenen Räume eine Veräußerungsabsicht des Erstellers bestand. Die im Streitjahr veräußerte Wohnung ist daher auch nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen. Sie gehörte zum Zeitpunkt der Erstellung der Preisliste zum Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels. Demgemäß kann der Klägerin nicht darin gefolgt werden, die Wohnung sei erst mit dem Beginn der Verkaufsbemühungen zu einem mit dem Verkaufspreis identischen Teilwert ins Betriebsvermögen eingelegt worden und aus ihrer Veräußerung daher kein Gewinn entstanden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293), falls nach Erstellung der Preisliste keine Entnahme oder Betriebsaufgabe erfolgt ist.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin die Wohnung nach Erstellung der Preisliste entnommen hat sowie ob sie durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem FA ihren gewerblichen Grundstückshandel endgültig eingestellt hat oder ob sich eine endgültige Betriebseinstellung aus sonstigen eindeutigen äußeren Umständen ergab. Alleine die zwischenzeitliche Vermietung der Wohnung und die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung reichen hierbei für eine Entnahme der Wohnung oder eine Betriebsaufgabe nicht aus. Die Sache geht daher an das FG zurück, damit es diese Feststellungen im Rahmen seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung nachholen kann.



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