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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.06.2002
Aktenzeichen: IX R 79/97
Rechtsgebiete: EStDV


Vorschriften:

EStDV § 82i
Die von der Denkmalbehörde nach § 82i EStDV (heute: § 7i EStG) erteilte Bescheinigung ist nur bindend, wenn die Höhe der begünstigten Aufwendungen aus ihr ersichtlich ist.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben 1985 ein im Jahr 1908 erbautes Wohnhaus mit drei Wohnungen zum Preis von 360 000 DM und ließen es in den Jahren 1985 bis 1987 instand setzen und umbauen. Zwei Wohnungen nutzten die Kläger selbst. Das Dachgeschoss vermieteten sie. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Kläger wurden gemäß § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Gegenüberstellung von Einnahmen und Werbungskosten (ab 1987 nach der großen Übergangsregelung gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG) ermittelt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte für die Instandsetzungsaufwendungen der Jahre 1985 bis 1987 aufgrund einer Bescheinigung des zuständigen Landesdenkmalamts vom 1. Dezember 1986 zunächst antragsgemäß erhöhte Absetzungen nach § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Die Bescheinigung lautete:

"Es wird hiermit bescheinigt, daß Ihr Gebäude ... ein Baudenkmal im Sinne von § 2 des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes ist. Die hieran durchgeführten Arbeiten Instandsetzung und Umbau waren im Sinne von § 82i und k EStDV nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich.

Diese Bescheinigung dient zur Vorlage beim Finanzamt."

Ab dem Streitjahr 1990 versagte das FA den Abzug der erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV, weil die Bescheinigung des Landesdenkmalamts aufgrund der fehlenden Angaben zur Höhe der begünstigten Aufwendungen unvollständig sei, und rechnete die Instandsetzungsaufwendungen stattdessen den Anschaffungskosten des Altgebäudes hinzu.

Während des Einspruchsverfahrens ersuchte das FA das Landesdenkmalamt, die Bescheinigung um Angaben zur Höhe der begünstigten Aufwendungen zu ergänzen. Das Landesdenkmalamt forderte zu diesem Zweck unter dem 1. April 1993 von den Klägern die Rechnungen der Jahre 1985 bis 1987 an. Die Kläger kamen dieser Aufforderung nicht nach.

Das Finanzgericht (FG) wies mit Urteil vom 27. Februar 1997 8 K 311/95 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 476) die Klage ab.

Mit der Revision rügen die Kläger fehlerhafte Anwendung des § 82i EStDV.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Feststellungsbescheide dahin zu ändern, dass Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung von 44 594 DM für 1990, 45 811 DM für 1991, 40 025 DM für 1992 gesondert und einheitlich festgestellt und den Klägern entsprechend ihren Erklärungen zugerechnet werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

1. Zu Recht hat das FG allerdings die Voraussetzungen des § 82i EStDV nicht als erfüllt angesehen, weil die vom zuständigen Landesdenkmalamt ausgestellte Bescheinigung keine Angaben über die Höhe der begünstigten Aufwendungen enthält.

a) Nach § 82i Abs. 1 Satz 1 EStDV kann der Steuerpflichtige bei einem Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind und die nach Abstimmung mit der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle (§ 82i Abs. 2 EStDV) durchgeführt worden sind, im Jahr der Herstellung und in den neun folgenden Jahren jeweils 10 v.H. absetzen. Die erhöhten Absetzungen können jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Herstellungskosten durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachgewiesen hat (§ 82i Abs. 2 EStDV).

b) Bei der Bescheinigung nach § 82i Abs. 2 EStDV, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. y Satz 2 EStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid i.S. der §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), dessen Bindungswirkung sich auf die Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts bezieht, nämlich auf die Denkmaleigenschaft des Gebäudes, sowie darauf, dass die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 1996 IX R 47/92, BFHE 181, 312, BStBl II 1997, 176; vom 5. November 1996 IX R 42/94, BFHE 181, 482, BStBl II 1997, 244).

c) In der Bescheinigung nach § 82i Abs. 2 EStDV, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. y Satz 2 EStG sind die Aufwendungen zu beziffern. Die Erforderlichkeit von Art und Umfang der Aufwendungen kann nur bindend bescheinigt werden, wenn anhand des Inhalts der Bescheinigung erkennbar ist, welche Aufwendungen von der Bindungswirkung erfasst werden. So können, wenn die Bescheinigung Aufwendungen ausweist, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden sind, später angefallene weitere Aufwendungen nicht berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1996 IX R 39/95, BFH/NV 1997, 468). Die bindende Feststellung, dass die Aufwendungen dem Umfang nach erforderlich sind, setzt voraus, dass auch die Höhe der Aufwendungen aus der Bescheinigung ersichtlich ist (ebenso Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 7i Rdnr. C 1; Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl. 2001, § 7i Rz. 4; R. Claßen in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 21 Anm. 408; Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 7i Rn. 13; Frost in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 7i Anm. 12; Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 7i EStG Anm. 35; ferner auch Abschn. 160 Abs. 2 Nr. 3 --ab 1990: Nr. 4-- der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- i.d.F. für 1981 bis 1992, R 83b Abs. 2 Nr. 4 EStR i.d.F. ab 1993 zu § 7i EStG).

Zwar enthält die Vorschrift des § 82i EStDV keine Rechtsgrundlage, um darüber hinaus die Einreichung der von der Denkmalbehörde gekennzeichneten Belege an das FA zu verlangen (so aber Schreiben des Finanzministeriums Baden-Württemberg an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 26. Juli 1978 S 2198-9/78). Auf die Angabe der Höhe der begünstigten Aufwendungen in der Bescheinigung der Denkmalbehörde kann jedoch nicht verzichtet werden.

d) Diesen Anforderungen genügt die den Klägern erteilte Bescheinigung des Landesdenkmalamts vom 1. Dezember 1986 nicht, weil sie keine Angaben zur Höhe der Aufwendungen enthält. Die Voraussetzungen des § 82i EStDV sind danach nicht erfüllt.

2. Das FG hat auch zutreffend entschieden, dass die Kläger sich nicht deshalb auf Vertrauensschutz berufen können, weil das FA die erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV für die Vorjahre antragsgemäß berücksichtigt hat.

a) Bei einem Dauersachverhalt wie dem vorliegenden ist das FA für jeden Veranlagungszeitraum des Begünstigungszeitraums grundsätzlich verpflichtet, die Voraussetzungen der erhöhten Absetzungen erneut zu überprüfen. Dies hat der Senat bereits für den fünfjährigen Verteilungszeitraum des § 82b EStDV entschieden (Urteile vom 27. Oktober 1992 IX R 66/91, BFHE 170, 214, BStBl II 1993, 591; vom 12. April 1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1; vom 15. Oktober 1996 IX R 49/94, BFH/NV 1997, 390; Beschluss vom 8. November 1999 IX B 80/99, BFH/NV 2000, 432), ferner für die zehn Jahre lang abzuziehenden erhöhten Absetzungen nach § 82a EStDV (Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 64/92, BFH/NV 1995, 869). Dasselbe gilt für die erhöhten Absetzungen gemäß § 82i EStDV.

b) Dieser Beurteilung steht die Regelung in Abschn. 158 Abs. 10 i.V.m. Abschn. 160 Abs. 4 EStR 1984 nicht entgegen, nach der aus Vereinfachungsgründen das Vorliegen der Voraussetzungen der erhöhten Absetzungen nur für den Veranlagungszeitraum der Fertigstellung geprüft zu werden braucht. Diese an die Finanzverwaltung gerichtete Anweisung entbindet die Finanzämter davon, nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung die Voraussetzungen der erhöhten Absetzungen ohne besonderen Anlass jährlich neu zu prüfen. Sie entbindet die Finanzämter aber jedenfalls nicht von der Pflicht, eine als unrichtig erkannte Auffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufzugeben.

c) Eine abweichende Beurteilung ist auch dann nicht geboten, wenn die Kläger nach der ursprünglichen Prüfung der Voraussetzungen des § 82i EStDV durch die Denkmalbehörde und das FA die Rechnungen der Jahre 1985 bis 1987 im Vertrauen auf die vorbezeichnete Richtlinienregelung nicht länger aufbewahrt haben sollten, so dass sie sie bei der Anforderung durch das Landesdenkmalamt vom 1. April 1993 nicht mehr vorlegen konnten. Im Streitfall bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, welche beweisrechtlichen Folgen sich ergeben, wenn ein Steuerpflichtiger, für den die Aufbewahrungsfristen des § 147 AO 1977 nicht gelten, nach der Prüfung des Sachverhalts durch das FA im Vertrauen auf die vorgenannte Richtlinienregelung die zum Nachweis der nach § 82i EStDV begünstigten Aufwendungen erforderlichen Belege nicht während des gesamten Absetzungszeitraums aufbewahrt und deshalb später in Beweisnot gerät. Insoweit käme in Betracht, die Regeln einer strengen Überzeugungsbildung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) angemessen abzumildern (vgl. BFH-Urteile vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407; vom 12. April 2000 XI R 36/99, BFH/NV 2000, 1196). Das setzt aber jedenfalls voraus, dass der Steuerpflichtige bei der späteren erneuten Überprüfung alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts beiträgt (§ 90 AO 1977, § 76 FGO).

Letztere Voraussetzung ist im Streitfall jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil die Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren nicht alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft, sondern entsprechende Bemühungen des FG unterbunden haben. Nachdem der Berichterstatter des FG einen Erörterungstermin unter Beteiligung des zuständigen Sachbearbeiters des Landesdenkmalamts anberaumt hatte, um die Bescheinigung nach § 82i Abs. 2 EStDV ggf. noch ergänzen zu lassen, haben die Kläger gebeten, von einem Erörterungstermin abzusehen. Damit haben sie im Ergebnis selbst eine weitere sachliche Prüfung des Streitfalles verhindert.

3. Das FG hat jedoch zu Unrecht die strittigen Aufwendungen allein aufgrund ihrer Höhe und der Anschaffungsnähe ohne weitere Prüfung als Herstellungskosten beurteilt. Dabei ist es von der Rechtsprechung des BFH zu so genannten anschaffungsnahen Aufwendungen ausgegangen. Diese Rechtsprechung hat der BFH inzwischen aufgegeben (Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97 und IX R 52/00). Danach sind nach der Anschaffung eines Hauses angefallene Aufwendungen zur Instandsetzung und Modernisierung nur dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar, wenn sie Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) oder Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind. Die Höhe der Aufwendungen und ihre Anschaffungsnähe sind nicht maßgebend.

Diese Frage ist auch für die Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Streitjahre noch entscheidungserheblich, weil die Kläger die strittigen Aufwendungen, soweit diese als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen sein sollten, möglicherweise teilweise gemäß § 82b EStDV in den Streitjahren abziehen können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 170, 214, BStBl II 1993, 591).

Das FG konnte die Änderung der Rechtsprechung noch nicht berücksichtigen; gleichwohl ist seine Entscheidung aufzuheben. Da zu den Instandsetzungs- und Umbaumaßnahmen der Kläger noch keinerlei Feststellungen getroffen sind, ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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