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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.07.1999
Aktenzeichen: IX S 8/99
Rechtsgebiete: ZPO, FGO, BGB, GKG, JBeitrO


Vorschriften:

ZPO § 57 Abs. 1
ZPO § 57
ZPO § 765a
FGO § 155
FGO § 64 Abs. 1
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 129 Abs. 1
BGB § 1896
GKG § 8 Abs. 1 Satz 3
JBeitrO § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) hat sich im Zusammenhang mit seiner vor dem Finanzgericht (FG) erhobenen Nichtigkeitsklage teils allein, teils auch unter dem Namen seiner Ehefrau, mit folgenden Eingaben an den Bundesfinanzhof (BFH) gewandt:

- Fax vom 6. Januar 1999: Antrag auf Bestellung eines Prozeßpflegers.

- Fax vom 7. Januar 1999: Antrag auf einstweilige Anordnung zur Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters als Prozeßpfleger.

- Fax vom 8. Januar 1999: Beschwerde gegen den vom FG gewährten Schriftsatznachlaß; Antrag auf einstweilige Anordnung zur Bestellung eines Prozeßpflegers; Antrag auf Aufhebung des Gerichtstermins vom 27. Januar 1999 vor dem FG.

- Fax vom 19. Januar 1999: Beschwerde wegen Nichtbearbeitung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe (PKH) vor dem FG und wegen Nichterstattung von Fahrtkosten.

- Schriftsatz vom 20. Januar 1999: Antrag auf Gewährung von PKH.

- Fax vom 28. Januar 1999: Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anträge auf Ablehnung wegen Befangenheit; Beschwerde gegen die Verweigerung von PKH; Beschwerde wegen unterlassener Prüfung der Prozeßfähigkeit vor Ergehen des finanzgerichtlichen Urteils; Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung.

- Fax vom 17. Februar 1999: Einlegung der "zulässigen" Rechtsmittel durch die Ehefrau des Klägers (F); Rechtsmittel gegen die Versagung von PKH; Rechtsmittel gegen den Streitwertbeschluß.

- Fax vom 17. Februar 1999: Antrag von F, als Prozeßpfleger für ihren Mann bestellt zu werden; sofortige Beschwerde wegen eines fehlenden Streitwertbeschlusses gegenüber F.

- Fax vom 30. März 1999: Antrag, sofort über die Prozeßunfähigkeit zu entscheiden und F für den Kläger als Prozeßpflegerin zu bestellen.

- Fax vom 31. März 1999: Beschwerde gegen den Streitwertbeschluß des FG vom 23. März 1999 unter dem Namen von F.

- Fax vom 24. April 1999 unter dem Namen F: Wiederaufnahmeantrag, Antrag auf Ablehnung der Richter des FG; Antrag auf Gewährung von PKH und Beiordnung eines Steuerberaters.

- Fax vom 3. Mai 1999: Sofortige Beschwerde gegen die Verfügung des Vorsitzenden des FG vom 27. April 1999 betreffend die Setzung einer Ausschlußfrist für die Ergänzung der Klagebegründung.

- Fax vom 13. Juni 1999: Angebot eines Vergleichs.

- Fax vom 4. Juli 1999.

Von den vorbezeichneten Eingaben ist lediglich über den Antrag auf Bestellung eines Prozeßvertreters förmlich zu entscheiden (dazu unten 1.). Im übrigen sind die Eingaben nicht als förmliche Anträge oder Rechtsmittel zu registrieren (dazu unten 2.).

1. Der Antrag auf Bestellung eines Prozeßvertreters für den Kläger durch den BFH ist abzulehnen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind.

Der Senat folgt mit Rücksicht auf das Gutachten des Sachverständigen Professor Dr. Y der Einschätzung des FG, daß der Kläger prozeßunfähig ist. Dies entspricht auch der Auffassung des Klägers.

Die Voraussetzungen, unter denen das Prozeßgericht (in diesem Fall der BFH) für eine nicht prozeßfähige Person einen Vertreter zu bestellen hat, sind in § 57 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) geregelt, der gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend im finanzgerichtlichen Verfahren gilt. Nach dieser Vorschrift hat das Prozeßgericht nur dann einen Vertreter für eine nicht prozeßfähige Person zu bestellen, wenn die nicht prozeßfähige Person verklagt werden soll. Nach Wortlaut und Zweck erschöpft sich die Vorschrift des § 57 ZPO darin, dem Kläger einen prozeßfähigen Gegner gegenüberzustellen, damit er seinen Anspruch geltend machen kann (vgl. BFH, Entscheidung des Vorsitzenden vom 2. Dezember 1986 VIII R 148/85, BFH/NV 1987, 379). Deshalb ist die Vorschrift im Steuerrecht bisher nur entsprechend angewandt worden, wenn eine mangels Vertretung prozeßunfähige GmbH beigeladen werden muß (BFH-Urteil vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587), nicht aber, wenn eine nicht prozeßfähige GmbH ihrerseits klagen will (BFH in BFH/NV 1987, 379). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Vorschrift des § 57 ZPO gegenüber einem Kläger nur in Sonderfällen angewandt, wenn sich nämlich das Begehren des Klägers auf Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) richtet und die Hilfsbedürftigkeit durch die geistige Behinderung hervorgerufen ist, die auch die Prozeßunfähigkeit bedingt (Urteil des BVerwG vom 31. August 1966 V C 223.65, BVerwGE 25, 36). Ferner hat das BVerwG die entsprechende Anwendung des § 57 ZPO im Verwaltungsstreitverfahren erwogen, wenn im Verwaltungsprozeß die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen belastenden Verwaltungsakts im Streit war und der Behörde an der Klärung der Bestandskraft des Verwaltungsakts gelegen war (BVerwG-Urteil vom 3. Dezember 1965 VII C 90.61, BVerwGE 23, 15). Abgesehen von diesen Ausnahmefällen hat das BVerwG hingegen die entsprechende Anwendung des § 57 ZPO gegenüber einem prozeßunfähigen Kläger grundsätzlich abgelehnt (BVerwG-Urteil vom 5. Juni 1968 V C 147.67, BVerwGE 30, 24).

Nach diesen Maßstäben liegen im Streitfall die Voraussetzungen, unter denen für den Kläger ein Vertreter gemäß § 57 ZPO i.V.m. § 155 FGO zu bestellen ist, nicht vor. Der Kläger begehrt keine Leistungen nach dem BSHG. Die unterschiedlichen Eingaben des Klägers betreffen auch nicht ein finanzgerichtliches Verfahren, in dem der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) die Bestandskraft des von ihm erlassenen Steuerbescheids geklärt wissen will, sondern der Kläger wehrt sich gegen verschiedene finanzgerichtliche Entscheidungen, insbesondere gegen das Urteil des FG über die von ihm erhobene Nichtigkeitsklage.

Da mithin die Bestellung eines Prozeßpflegers nach § 57 ZPO durch den BFH nicht möglich ist, kann der prozeßunfähige Kläger seine Rechte allein dadurch wahren, daß er bei dem für ihn zuständigen Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers beantragt (§ 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), der ihn in dem vom Amtsgericht bestimmten Aufgabenkreis gerichtlich vertreten kann. Aufgabe eines solchen vom Amtsgericht bestellten Betreuers, der in seinem Aufgabenkreis die Funktion eines gesetzlichen Vertreters hat, bestünde darin, zu prüfen, ob Verfahren einzuleiten sind, um die gegen den prozeßunfähigen Kläger erlassenen Gerichtsentscheidungen aufheben zu lassen oder jedenfalls darauf hinzuwirken, daß die bisher entstandenen Gerichtskosten wegen unverschuldeter Unkenntnis nicht erhoben werden (§ 8 Abs. 1 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes), oder daß insoweit die Vollstreckung eingestellt oder aufgehoben wird (§ 6 der Justizbeitreibungsordnung i.V.m. § 765a ZPO).

2. Die übrigen Eingaben sind nicht als förmliche Anträge oder Rechtsmittel in den Registern zu erfassen. Dies ist schon deshalb geboten, um zu vermeiden, daß zu Lasten des Klägers weitere Gerichtskosten entstehen. Die Prozeßunfähigkeit des Klägers ändert nichts daran, daß durch seine --infolge der Prozeßunfähigkeit unzulässigen-- Rechtsmittel Gerichtskosten entstehen würden (Beschluß des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 4. März 1993 V ZB 5/93, BGHZ 121, 397, 399 f.). Mit Rücksicht darauf sind die Eingaben Prozeßunfähiger so zu behandeln, daß keine Gerichtskosten entstehen. So ist auch im Zivilprozeß von vornherein kein Termin anzuberaumen und auch von der Klagezustellung abzusehen (Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung- Lindacher, §§ 51, 52 RdNr. 37). Dementsprechend hat auch der VII. Senat des BFH bei ihm anhängige Verfahren des Klägers in den Registern löschen lassen.

Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für die Eingaben, die unter dem Namen F erhoben worden sind. Sie stammen ersichtlich nicht von F, sondern sind dem Kläger selbst zuzurechnen. Der Schriftzug der Unterschrift deutet darauf hin, daß die Unterschrift von dem Kläger stammt. Dies hat der Kläger sogar ausdrücklich eingeräumt. Auch der Inhalt der unter dem Namen F eingereichten Schriftsätze spricht dafür, daß sie vom Kläger stammen. Sollten die Eingaben hingegen tatsächlich mit Willen und auf Veranlassung von F eingereicht worden sein, wären die entsprechenden Anträge und Rechtsmittel unzulässig. Die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform (§§ 64 Abs. 1, 120 Abs. 1 Satz 1, 129 Abs. 1 FGO) erfordert eine eigenhändige Unterschrift (Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 64 Anm. 19, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, weil F nicht eigenhändig unterschrieben hat. Der Kläger konnte die Unterschrift auch nicht als ihr Bevollmächtigter leisten, weil er prozeßunfähig ist und deshalb nicht als Bevollmächtigter tätig werden kann.

Dieser Beschluß ergeht gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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