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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.03.1999
Aktenzeichen: V B 136/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 65 Abs. 1 Satz 1
FGO § 65 Abs. 2 Satz 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 54 Abs. 2
ZPO § 222 Abs. 2
ZPO § 224 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb im Streitjahr 1995 ein Unternehmen für die Entwicklung morphogenetischer Inhalte von Buchstaben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Umsatzsteuer für 1995 durch Bescheid vom 17. Februar 1997 aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen fest, weil der Kläger keine Steuererklärung abgegeben hatte. Er wies den Einspruch durch die Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 1997 zurück, weil der Kläger eine Umsatzsteuererklärung auch während des Einspruchsverfahrens nicht vorgelegt hatte. Mit der Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für 1995 beantragte er, die Umsatzsteuer herabzusetzen und kündigte die Abgabe der Umsatzsteuererklärung bis 15. August 1997 an. Nach Ablauf dieser Frist forderte das Finanzgericht (FG) den Kläger gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Verfügung vom 26. August 1997 --zugestellt am 27. August 1997-- auf, das Klagebegehren innerhalb eines Monats zu benennen. Das FG wies darauf hin, daß die Frist ausschließende Wirkung habe und daß die Klage nach Ablauf der Frist unzulässig sei, sofern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Am 29. September 1997 beantragte der Kläger, die Frist zur Bezeichnung des Klagebegehrens bis zum 30. November 1997 zu verlängern. Das FG entsprach dem Antrag durch die Verfügung vom 7. Oktober 1997 mit dem Zusatz, daß die Frist letztmals verlängert werde und daß die ausschließende Wirkung der Frist erhalten bleibe.

Am 1. Dezember 1997 (Montag) beantragte der während des Verfahrens vor dem FG durch einen Steuerberater vertretene Kläger, eine weitere Fristverlängerung um ein Jahr zu gewähren. Zur Begründung machte der Kläger geltend, er und seine Familie lebten derzeit von Sozialhilfe. Nach überschlägigem Ermessen sei die Umsatzsteuer zu hoch festgesetzt worden. Eine besondere Dringlichkeit der Entscheidung für diesen Steuerfall sei auch nicht erkennbar. Darauf wies das FG die Klage durch den Gerichtsbescheid vom 16. April 1998 ab, weil das Klagebegehren innerhalb der gesetzten Ausschlußfrist nicht bezeichnet worden sei. Nachdem der Kläger rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt und die Umsatzsteuererklärung am 23. Juni 1998 übersandt hatte, wies das FG die Klage aufgrund der für den folgenden Tag (24. Juni 1998) anberaumten mündlichen Verhandlung ab.

Zur Begründung führte das FG u.a. aus, der zweite (am 1. Dezember 1997) bei dem Gericht eingegangene Fristverlängerungsantrag sei verspätet nach Ablauf der Ausschlußfrist am 30. November 1997 gestellt worden. Im übrigen wäre die Ablehnung der Fristverlängerung auch bei rechtzeitigem Eingang nicht ermessensfehlerhaft gewesen; denn das wirtschaftliche Unvermögen, einen Steuerberater zu bezahlen, entbinde den Kläger nicht von der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung und sei kein Grund für eine Fristverlängerung um ein Jahr. Der Unternehmer müsse in der Lage sein, aus seiner Buchführung die Besteuerungsgrundlagen für die Bezeichnung des Klagebegehrens zu entnehmen. Das Klageverfahren sei nicht dafür bestimmt, die Erklärungsabgabefristen auf unbestimmte Zeit zu verlängern.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen eines Verfahrensfehlers durch mangelhafte Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FGO). Zur Begründung macht er geltend, die Ablehnung der weiteren Fristverlängerung zur Bezeichnung des Klagebegehrens sei ermessensfehlerhaft. Das FG habe den Ablauf der bezeichneten Frist falsch berechnet, weil es nicht beachtet habe, daß der als Fristende bezeichnete Tag (30. November 1997) ein Sonntag war, so daß die Frist erst mit Ablauf des 1. Dezember 1997 abgelaufen sei.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat Zulassungsgründe in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) innerhalb der dafür bestimmten Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) nicht ordnungsgemäß dargelegt und nicht bezeichnet.

a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat der Kläger nicht dargelegt.

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte --abstrakte-- klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muß darlegen, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und daß dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit).

Der Kläger muß außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459; vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. April 1996 2 BvR 48/96, Steuer-Eildienst 1996, 410). Dazu muß er erläutern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. März 1994 VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom 17. Februar 1993 II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierte Rechtsfrage hat.

Diesen formellen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. In der Beschwerdebegründung hat der Kläger keine abstrakte klärungsbedürftige Rechtsfrage hervorgehoben. Er hat lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er die Vorentscheidung für ermessensfehlerhaft hält.

b) Die Revision ist auch nicht wegen des von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Verfahrensmängel gestützt, müssen diese nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO "bezeichnet" werden. Hierzu bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des BFH einer tatsächlichen Darstellung, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergibt. Anhaltspunkte für die vom Kläger erwähnte fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung hat er weder erläutert noch sind sie aus dem Zusammenhang ersichtlich. Der Senat läßt offen, ob die vom Kläger gerügte fehlerhafte Beurteilung des Fristablaufs durch das FG einen Verfahrensmangel oder einen inhaltlichen Fehler bei der Rechtsanwendung bildet (zum Streitstand vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 25 a). Selbst wenn der Senat von einem Verfahrensfehler ausginge, der den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) hätte beeinträchtigen können, wäre er nicht hinreichend dargelegt.

Wird Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG, § 96 Abs. 2 FGO) beanstandet, muß auch vorgetragen werden, daß der Verfahrensmangel bereits gegenüber dem FG gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war (BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 1994 VIII B 85/93, BFH/NV 1995, 142; vom 26. Januar 1994 II B 29/93, BFH/NV 1994, 730; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Anm. 13; § 120 Anm. 38). Insoweit enthält die Beschwerdeschrift keine Ausführungen.

Der Kläger hätte aus der Begründung des Gerichtsbescheids entnehmen müssen, daß das FG davon ausging, daß das Klagebegehren innerhalb der dafür gesetzten Ausschlußfrist nicht bezeichnet worden war. Auch aus der Sitzungsniederschrift ergibt sich nicht, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung gerügt hatte, daß er einen weiteren Fristverlängerungsantrag rechtzeitig gestellt und daß das FG darüber förmlich noch nicht entschieden hatte. Anhaltspunkte dafür, daß eine solche Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen war, sind nicht vorhanden. Unter diesen Umständen hat der Kläger eine etwaige Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht schlüssig dargetan (vgl. auch BFH-Beschluß vom 24. März 1995 VIII B 155/94, BFH/NV 1995, 908).

Hinzu kommt, daß der Kläger in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt hat, inwieweit die Vorentscheidung auf dem von ihm gerügten Verfahrensmangel beruhen kann. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hängt die Zulassung der Revision bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel aber davon ab, daß die angefochtene Entscheidung --nach der insoweit maßgebenden Auffassung des FG-- auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Dazu enthält die Beschwerdeschrift keine Ausführungen.

Auf diese Darlegungen kann im Streitfall nicht verzichtet werden, weil das FG den am 1. Dezember 1997 gestellten zweiten Fristverlängerungsantrag aus zwei Gründen abgelehnt hat. Die Auffassung des FG, daß der Antrag verspätet gestellt worden sei, trifft zwar nicht zu, weil die bis zum 30. November 1997 (einem Sonntag) verlängerte Ausschlußfrist nicht vor dem Ablauf des nächsten Werktags, dem 1. Dezember 1997, enden konnte (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Das FG hat den Fristverlängerungsantrag aber außerdem ausdrücklich auch für den Fall des rechtzeitigen Eingangs deswegen abgelehnt, weil es das wirtschaftliche Unvermögen des Klägers, einen Steuerberater zu bezahlen, nicht als Rechtfertigung für die beantragte Verlängerung der Abgabe der Steuererklärung für 1995 um ein weiteres Jahr beurteilt hat. In der Beschwerdebegründung wird weder gerügt, daß auch insoweit ein Verfahrensfehler vorliege, noch wird dargelegt, weshalb die Vorentscheidung darauf beruhen könnte.

Im übrigen liegen Gründe für eine insoweit pflichtwidrige Ermessensentscheidung des FG, die den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör hätten verletzen können, schon deswegen nicht vor, weil er erhebliche Gründe für die Fristverlängerung nicht glaubhaft gemacht hat (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO). Dazu war der Kläger noch vor dem Ablauf der gesetzten Frist verpflichtet (vgl. BFH-Beschluß vom 1. August 1996 XI B 149-150/95, BFH/NV 1997, 131; Gräber/von Groll, a.a.O., § 65 Anm. 63).

Ende der Entscheidung

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