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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.05.2004
Aktenzeichen: V B 152/02
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, GG


Vorschriften:

AO 1977 § 193 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Grundstücksverwaltungs-GmbH. Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung bei der I-AG ergab sich, dass der Geschäftsführer der I-AG zugleich Geschäftsführer der Klägerin war, dass die Klägerin ihren Sitz nicht mehr in L, wie in den Rechnungen an die I-AG angegeben, hatte, sondern diesen nach A verlegt hatte, und dass bisher eine Besteuerung der Klägerin beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) noch nicht erfolgt war. Auf Anregung des Prüfers W erließ das FA durch den zuständigen Sachgebietsleiter eine Prüfungsanordnung für die Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung, zu deren Durchführung der Prüfer W vorgesehen war.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Prüfungsanordnung wandte, als unbegründet zurück. Anhaltspunkte dafür, dass beim vorliegenden Sachverhalt der Erlass der Prüfungsanordnung auf Willkür und Schikane beruhen könnte, bestünden nicht. Selbst wenn man --trotz Bestreitens des Betriebsprüfers-- die von der Klägerin unter Beweis gestellte Behauptung, der Betriebsprüfer habe gegenüber Vertretern geäußert, die Prüfung erfolge, weil die Klägerin "aus dem Osten" stamme und die Firma der Klägerin sowie weitere Unternehmen "dubios" seien, als wahr unterstellte, erlaube dies keinen Schluss auf die Motive des Sachgebietsleiters, der die Prüfung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) angeordnet habe, die allein dazu diente, eine ordnungsgemäße zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch nicht erfolgte Besteuerung sicherzustellen.

Soweit die Klägerin rügen wolle, der Betriebsprüfer sei befangen, könne dieser Einwand in dem Verfahren, das allein die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung, nicht die Prüfung selber betreffe, nicht berücksichtigt werden. Soweit die Klägerin geltend mache, ihr seien die Unterlagen der Besteuerung, insbesondere Kontrollmitteilungen nicht mitgeteilt worden, berühre dies nicht die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung, denn das FA habe, wie der Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 zeige, keine Prüfung aufgrund besonderen Anlasses angeordnet. Unerheblich sei deshalb, welches Kontrollmaterial vorliege.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Verfahrensmängeln begehrt.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Teil nicht, wie nach § 116 Abs. 3 FGO erforderlich, dargelegt, zum Teil liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß dargelegt.

Grundsätzliche Bedeutung hat nach Meinung der Klägerin die Frage, "ob und unter welchen Voraussetzungen man Zweifel an der ordnungsgemäßen Anordnung einer Prüfungsanordnung ausräumen kann, dass die gesetzwidrige Disqualifizierung des zu Prüfenden nicht Grundlage und Anlass der Prüfungsanordnung sei". Weshalb diese Rechtsfrage über den Streitfall hinaus gehend Bedeutung haben könnte, warum die Rechtsfrage zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für die Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf, erläutert die Beschwerdebegründung ebenso wenig wie die Frage, inwiefern diese Rechtsfrage klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar wäre (zur Anforderung an die Darlegung z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Februar 1999 III B 91/98, BFH/NV 1999, 1122, m.w.N.; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).

2. Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels setzt die schlüssige Darlegung des Mangels und weiter voraus, dass der Verfahrensfehler tatsächlich auch vorliegt.

a) Die Rüge der Klägerin, das FG habe die von ihr in der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 16. Mai 2002 beantragte Akteneinsicht verweigert und damit ihr Recht auf Gehör verletzt, ist nicht schlüssig erhoben worden.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) wird für das finanzgerichtliche Verfahren u.a. dadurch verwirklicht, dass die Beteiligten das Recht haben, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten (insbesondere der beklagten Behörde) einzusehen (§ 78 FGO). Damit wird gewährleistet, dass die Beteiligten zu den in den vorgelegten und beigezogenen Akten enthaltenen Tatsachen Stellung nehmen können, bevor das Gericht sie zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Falls das Gericht die Akteneinsicht zu Unrecht verweigert, gleichwohl aber die Akten auswertet, liegt ein Verfahrensfehler vor (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 22. Mai 2002 VI B 2/02, BFH/NV 2002, 1168, m.w.N.).

Selbst wenn man unterstellte, das FG habe zu Unrecht den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag abgelehnt, weil die Klägerin von der ihr bereits gewährten Möglichkeit, Akteneinsicht zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hatte, hätte eine schlüssige Rüge erfordert, dass die Klägerin dargelegt hätte, was sie hierzu bei rechtzeitiger Kenntnis vorgetragen hätte (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2000 V B 80/00, BFH/NV 2001, 918). Die Klägerin hätte zumindest vortragen müssen, welche entscheidungserheblichen Umstände sich aus den betreffenden Akten ergeben hätten. Das ist nicht geschehen.

Im Übrigen setzt eine begründete Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs die (erfolglose) Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, voraus (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. Januar 2003 1 B 169/02, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 11, Art. 103 Abs. 1 Nr. 67 GG, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist deshalb nicht verletzt, wenn der Prozessbevollmächtigte --wie im Streitfall-- von der vom FG angebotenen Möglichkeit der Akteneinsicht keinen Gebrauch macht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746).

b) Kein Verfahrensmangel liegt vor, soweit die Klägerin meint, das FG hätte darauf hinweisen müssen, dass es dem Beweisantrag nicht folge und von dieser nicht vorhersehbaren Tatsachenwürdigung und unerwarteten rechtlichen Beurteilung sei sie überrascht worden. Eine verfahrensfehlerhafte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann zwar auch bei einer sog. Überraschungsentscheidung gegeben sein. Die Vorentscheidung ist jedoch keine derartige Überraschungsentscheidung.

c) Die Klägerin rügt als Verfahrensfehler, das FG habe die von ihr benannten Zeugen zum Beweis dessen, dass der Prüfer sich negativ über die Klägerin geäußert habe, nicht angehört. Von einer Beweiserhebung kann ein FG nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. absehen, wenn es die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache unterstellt (z.B. BFH-Beschluss vom 3. April 2003 XI B 60/02, BFH/NV 2003, 1034, m.w.N.). Das FG hat ausdrücklich die Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt und als nicht entscheidungserheblich beurteilt.

3. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

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