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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.03.2008
Aktenzeichen: V B 173/06
Rechtsgebiete: AO, FGO, KiStG NW


Vorschriften:

AO § 75
AO § 131 Abs. 1
AO § 164 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
KiStG NW § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem dieses die Klage gegen einen Haftungsbescheid wegen Betriebsübernahme nach § 75 der Abgabenordnung (AO) abgewiesen hat.

Die Klägerin betreibt einen Imbissbetrieb, den sie durch Vertrag vom 30. August 2002 von einer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit sämtlichen im Ladengeschäft befindlichen Wirtschaftsgütern wie Maschinen, Anlagen, Geräten und Einrichtungen sowie dem Warenbestand erworben hat. Darüber hinaus trat die Klägerin in den Mietvertrag über das Ladenlokal sowie in die Dienstverträge mit den Arbeitnehmern sowie in sämtliche Versicherungsverträge ein. Der Kaufpreis sollte durch Übernahme von Schulden der GbR gegenüber dem Vermieter, einer Sparkasse, sowie weiteren Darlehensgebern gezahlt werden.

Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Klägerin nach § 75 AO wegen rückständiger Lohnsteuern in Höhe von ... € sowie Umsatzsteuern in Höhe von ... € in Anspruch genommen hatte, erhob die Klägerin Klage, die das FG abwies. Zur Begründung führte das FG aus, nach Würdigung aller Umstände seien die haftungsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 75 AO gegeben, weil die Klägerin die wesentlichen Betriebsgrundlagen übernommen habe. Sein Entschließungsermessen habe das FA fehlerfrei ausgeübt, weil eine Inanspruchnahme der GbR sowie der Gesellschafter gescheitert sei. Die Höhe der Steuerschulden habe die Klägerin nicht substantiiert bestritten. Hierfür reiche der Hinweis auf eine von der GbR beim Bundesfinanzhof (BFH) erhobene (inzwischen als unzulässig verworfene) Nichtzulassungsbeschwerde (V B 124/05) nicht aus.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Zur Begründung führt sie aus, das FA hätte den Haftungsbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung oder unter Widerrufsvorbehalt stellen müssen, da hinsichtlich der Steuerschulden noch Rechtsstreitigkeiten anhängig seien. Außerdem hätte im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung auf den Bestand des übernommenen Vermögens (§ 75 Abs. 1 Satz 2 AO) geprüft werden müssen, ob im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme die im Übernahmevertrag bezeichneten Vermögensgegenstände noch vorhanden gewesen seien. Rechtswidrig sei schließlich die Bestätigung einer Haftung auch für die Kirchenlohnsteuer.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (Nr. 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vom Beschwerdeführer dargelegt werden.

1. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde --wie im Streitfall-- auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt, muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, aus welchen Gründen die Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (z.B. BFH-Beschluss vom 7. August 2002 I B 151/01, BFH/NV 2003, 60). Daran fehlt es. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfragen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren.

2. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei. Es ist nicht --wie erforderlich (z.B. BFH-Beschluss vom 18. Juli 2001 X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596)-- vorgetragen worden, dass die Entscheidung des FG von einer Entscheidung des BFH abweicht oder dass das angefochtene Urteil willkürlich oder geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen.

3. Im Übrigen wäre auch eine grundsätzliche Bedeutung nicht erkennbar, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen geklärt sind. Ein Haftungsbescheid, der wegen einer Steuerschuld erlassen wird, die noch nicht rechtskräftig ist, kann --entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin-- nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden, weil § 164 Abs. 2 AO nur für Steuerbescheide gilt. Eine eventuelle Korrektur eines Haftungsbescheides bei nachträglicher Aufhebung der Steuerschuld erfolgt durch Änderung des Haftungsbescheides nach § 131 Abs. 1 AO (BFH-Urteil vom 12. August 1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131).

Geklärt ist auch, dass die Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO für alle Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträge einschließlich der Kirchenlohnsteuer gilt (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 VII R 53/96, BFH/NV 1997, 386). Zu den Steuerabzugsbeträgen zählen neben den Lohnsteuerabzugsbeträgen der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes) auch die Abzugsbeträge wegen Kirchenlohnsteuer, denn § 5 des Kirchensteuergesetzes Nordrhein-Westfalen erklärt die Vorschriften des Lohnsteuerabzugsverfahrens für entsprechend anwendbar.

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