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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: V B 179/05
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
FGO § 155
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 222 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1998 und 1999 ab. Das Urteil des FG wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) am 29. September 2005 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Mit einem am 27. Oktober 2005 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz legte der Prozessbevollmächtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 30. November 2005 beim BFH ein.

Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision gegen die Vorentscheidung und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand trägt die Klägerin vor, die bei ihrem Prozessbevollmächtigten angestellte Rechtsanwaltsgehilfin habe die Beschwerdebegründung am 29. November 2005 in den Nachtbriefkasten des FG München eingeworfen in der Annahme, dass es sich dabei auch um den Nachtbriefkasten des BFH handele. Bei der Rechtsanwaltsgehilfin habe es sich um eine u.a. für die Fristenüberwachung zuständige zuverlässige Fachkraft gehandelt.

Die Klägerin hat eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin über den Geschehensablauf vorgelegt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

1. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Voraussetzung für die Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin nicht erfüllt.

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten am 29. September 2005 zugestellt worden. Damit endete die Begründungsfrist gemäß §§ 116 Abs. 3 Satz 1, 155 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 29. November 2005. Die erst am 30. November 2005 beim BFH eingegangene Beschwerde war damit verspätet.

2. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung kann nur Erfolg haben, wenn die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, schlüssig vorgetragen werden. Das erfordert u.a. die vollständige Darlegung der Ereignisse, die die unverschuldete Säumnis belegen sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil nicht umfassend und widerspruchsfrei dargelegt ist, dass den Prozessbevollmächtigten der Klägerin kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Die Klägerin muss sich aber ein Verschulden ihres Vertreters gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 1995 X B 223/94, BFH/NV 1995, 897; vom 29. April 1997 VIII B 5/97, BFH/NV 1997, 790).

Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen. Dazu gehören u.a. Kopien von Fristen- oder Postausgangsbüchern. Stehen derartige Beweismittel zur Glaubhaftmachung zur Verfügung, können sie regelmäßig nicht durch eidesstattliche Versicherungen ersetzt werden (BFH-Beschluss vom 18. Februar 2004 I R 78/03, BFH/NV 2004, 804, m.w.N.). Eine Vorlage von Kopien seines Fristen- bzw. Postausgangsbuchs durch den Prozessbevollmächtigten ist nicht erfolgt.

Darüber hinaus ist der Vortrag des Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der von ihm erteilten Weisung zumindest missverständlich. Wenn die Angestellte in der Regel für das FG bestimmte Schriftsätze in dessen Nachtbriefkasten eingeworfen hatte, stellt sich eine "vor diesem Hintergrund" ergangene Weisung, die Beschwerdebegründung "in den Gerichtsbriefkasten einzuwerfen", als schuldhaftes Verhalten des Prozessbevollmächtigten dar, weil sie auch die Deutung zulässt, der Einwurf beim FG sei ausreichend. Die konkrete Adresse des BFH hat die Angestellte jedenfalls nicht --wie vorgetragen-- aus der Postanschrift in der Beschwerdebegründung kennen können, weil darin das Postfach des BFH genannt ist.

Da eine Frist in der Regel nicht ohne Verschulden versäumt wird, wenn ein fristgebundenes Schreiben nicht in den Briefkasten der Behörde, an die es adressiert ist, eingeworfen wird (vgl. BFH-Beschluss vom 15. September 1992 VIII R 26/91, BFH/NV 1993, 219), reichen die vorgetragenen Gründe nicht für eine vollständige und schlüssige Darlegung einer unverschuldeten Säumnis aus.

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