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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.08.2006
Aktenzeichen: V B 180/05
Rechtsgebiete: UStG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 9
FGO § 115 Abs. 2
AO 1977 § 176
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (1998 und 1999) ein Fitnessstudio mit angeschlossener Sauna. Die Benutzung des Fitnessstudios erfolgte auf der Grundlage von Mitgliedschaftsverträgen. Fast alle Mitglieder hatten neben dem Fitnesstraining auch die Saunanutzung vereinbart. Dabei wurden jeweils zwei Verträge abgeschlossen, und zwar ein Vertrag über das Fitnessstudio (50 DM monatlich) und die einmalige Aufnahmegebühr (49 DM) sowie ein Vertrag über die Saunanutzung (49 DM monatlich).

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung erfasste der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Saunaumsätze mit dem allgemeinen Steuersatz und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Sie, die Klägerin, habe für die Vergangenheit auf Abschn. 171 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 (UStR) und auf das Urteil des BFH vom 28. Januar 1999 V R 88/98 (BFH/NV 1999, 992) vertrauen dürfen. Die für sie ungünstigere neuere Rechtsprechung, wie sie im Urteil des BFH vom 12. Mai 2005 V R 54/02 (BFHE 209, 171, BFH/NV 2005, 1470) zum Ausdruck komme, dürfe nicht rückwirkend zu ihren Lasten zur Anwendung kommen. Außerdem sei für den bisher nicht entschiedenen Fall gesonderter "Saunabenutzungsverträge" klärungsbedürftig, ob § 12 Abs. 2 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) richtlinienkonform dahin gehend ausgelegt werden könne, dass das Saunabad im Ergebnis Heilzwecken zu dienen habe.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluss vom 7. August 2002 I B 151/01, BFH/NV 2003, 60, mit Nachweisen). Die grundsätzliche Bedeutung muss im Hinblick auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, gegeben sein (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 1999 IX B 81/89, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254). Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom 26. Oktober 1999 X B 40/99, BFH/NV 2000, 563).

a) Die von der Klägerin als grundsätzlich angesehene Frage, ob eine verschärfende Rechtsprechung zu Lasten eines Steuerpflichtigen rückwirkend angewandt werden kann, ist geklärt. Die Zulässigkeit einer solchen verschärfenden Rückwirkung --soweit bei nicht bestandskräftigen Steuerbescheiden davon gesprochen werden kann-- ergibt sich aus der der Rechtsprechung eigenen Aufgabe der Rechtsfortbildung (Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, Beschlüsse vom 14. Februar 1973 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269, 287 f.; vom 16. Dezember 1981 1 BvR 898/79 u.a., BVerfGE 59, 128, 165 f.; BFH-Beschluss vom 6. Februar 1985 II R 178/82, BFH/NV 1985, 62). Auch der Gesetzgeber geht, wie § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) zeigt, für den Bereich des Steuerrechts von der Zulässigkeit einer rückwirkend verschärfenden Rechtsprechung aus (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 757).

Zwar kann ein Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht kommen, wenn das Vertrauen eines Steuerpflichtigen in die Fortgeltung einer bestimmten Rechtsprechung schützenswert ist. Das ist aber keine Frage über die im --hier vorliegenden-- Festsetzungsverfahren entschieden werden könnte (z.B. BFH-Urteil vom 5. April 2006 IX R 109/00, BStBl II 2006, 541).

b) Auch die Frage, ob gemeinschaftsrechtlich eine andere Behandlung von Saunaumsätzen in Betracht kommt, ist durch das Urteil des BFH in BFHE 209, 171, BFH/NV 2005, 1470 geklärt. Der Senat hat darin entschieden, dass für ihn keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass sowohl der Begriff "Verabreichung von Heilbädern" in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG als auch der Begriff "Thermalbehandlung" in Kategorie 16 des Anhangs H der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) dahin zu verstehen ist, dass diese im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung erfolgen müssen. Auf die Frage, ob die Saunabenutzung in einem von der Benutzung des Fitnessstudios unabhängigen Vertrag vereinbart worden ist, kommt es deshalb nicht an.

2. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) erforderlich, weil das voraussetzt, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217). Diese Anforderungen sind aus den unter II.1. genannten Gründen nicht erfüllt.

3. Es liegt auch keine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung vor. Das ist nur der Fall, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2000 XI R 10/00, BFH/NV 2000, 1239; vom 15. Juni 2000 XI B 71/99, BFH/NV 2000, 1180). Das Finanzgericht (FG) muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 31. Mai 2005 VIII B 294/03, BFH/NV 2005, 1832). Der Beschwerdeführer muss dabei tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften oder des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschluss vom 29. November 2000 I B 8/00, BFH/NV 2001, 624). Hieran fehlt es; die Klägerin hat nicht einmal eine Divergenzentscheidung benannt.

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